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Katastrophe in Japan:"Die Weltwirtschaft ist robust genug"

Welche Folgen hat die Katastrophe in Japan für die Weltwirtschaft? Die Experten wiegeln ab und geben sich optimistisch, dass es nicht zu einer globalen Rezession kommt. Doch zugleich erwarten sie "eine nicht gesehene Flaute auf den internationalen Ölmärkten".

Die Folgen der Erdbeben-Katastrophe haben immense Folgen für die japanische Wirtschaft. Viele Transportwege sind blockiert, bei den großen Autoherstellern wie Toyota oder Honda stehen die Bänder still - und die Börsen brechen ein, mehr als sechs Prozent verlor der Nikkei-Index am Montag.

Doch viele stellen sich nun die bange Frage: Welche Folgen hat diese Entwicklung für die Weltwirtschaft? Zerstört sie gar den in Europa und vor allem in Deutschland zu bemerkenden Aufschwung?

Die Experten geben sich noch gelassen. Die Weltwirtschaft ist nach Überzeugung von Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel robust genug, die ökonomischen Folgen der verheerenden Erdbeben in Japan zu schultern. Selbst wenn der schlimmste Fall eintreten sollte und der Großraum Tokio infolge einer Kernschmelze in Atomkraftwerken evakuiert werden müsste, halte er eine neue weltweite Krise für ausgeschlossen, sagte Bargel: "Das würde nicht zu einem weltweiten Abschwung führen oder gar zu einer globalen Rezession."

Dennoch würde eine solche Entwicklung die Lage dramatisch zuspitzen, weil der Großraum Tokio fast 20 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung erbringt. "Das würde zu immensen Produktionsausfällen führen mit entsprechenden Folgen für Beschäftigung und Produktion - eine Dimension, die wir uns bisher kaum vorstellen können."

Ähnlich äußerte sich auch Wolfgang Franz, der Chef des Sachverständigenrats, im Handelsblatt. "Eine erneute globale Rezession befürchte ich nicht, auch nicht eine hiesige deutliche Konjunkturabschwächung", sagte er. Der Dax reagierte trotz der schlechten Vorgaben aus Japan zunächst auch verhalten und verlor nur geringfügig.

Eine indirekte Wirkung könne aber laut Franz von Drittlandeffekten ausgehen: "Länder, deren Exportanteil nach Japan sehr hoch ist und die demzufolge zumindest kurzfristig in Mitleidenschaft gezogen werden, können ihre Importe aus Deutschland zeitweilig zurückfahren." Dies sei aber sehr schwer zu beziffern und "vermutlich eine temporäre Erscheinung", sagte Franz.

Ölpreis bricht ein

Allerdings brach am Montag der Ölpreis massiv ein. In Singapur kostete ein Barrel Öl 2,28 Dollar weniger als am Freitag und fiel mit 98,88 Dollar unter die 100-Dollar-Marke. In London wurden für das in Europa wichtige Öl der Sorte Brent mit 112,21 Dollar 1,63 Dollar weniger gezahlt.

Analysten erwarten, dass Japan wegen der Erdbebenfolgen weniger Öl verbraucht. Japan ist mit 4,5 Millionen Barrel Öl am Tag der weltweit drittgrößte Ölverbraucher und der größte Importeur von Flüssiggas und Kohle. Ohne den japanischen Öldurst dürfte es "eine bisher nicht gesehene Flaute auf den internationalen Ölmärkten geben", meinte der Analyst Soultanian.

Fraglich ist auch, wie konkret die Schäden im Katastrophen-Land selbst sind. Die japanische Niederlassung der Schweizer Großbank Credit Suisse in Tokio schätzte die wirtschaftlichen Schäden der Katastrophe auf rund 170 bis 180 Milliarden Dollar. Damit würde sich der Schaden auf knapp 40 Prozent dessen belaufen, was das Erdbeben in Kobe im Jahr 1995 angerichtet hatte, schrieb der Chefvolkswirt von Credit Suisse Japan, Hiromichi Shirakawa, in einem Marktkommentar.

Wiederaufbau als Konjunkturprogramm

In den von dem Beben und der nachfolgenden Flutwelle betroffenen Gebieten gebe es weniger Bürogebäude, Fabriken und Autobahnen als in Kobe. Die seinerzeit in Kobe entstandenen wirtschaftlichen Schäden hatte das Land erstaunlich schnell wieder aufgeholt: Der Wiederaufbau wirkte dabei wie ein riesiges Konjunkturprogramm.

Deutsche Experten glauben, dass das nun wieder ähnlich verlaufen könnte. "Ein hochtechnologisch aufgestelltes Land wie Japan wird in der Lage sein, den Schock zumindest wirtschaftlich wieder schnell zu verdauen", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, der Berliner Zeitung.

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