Eugene Kaspersky ist einer der bekanntesten IT-Sicherheitsexperten weltweit, doch auf der Bühne tritt er eher wie ein Stand-up-Comedian auf. Statt zu sagen, dass die Auto-Industrie in Sachen Digitalisierung einen Gang runterschalten könnte, um sich besser auf Hackerangriffe vorzubereiten, sagt er: "Mittlerweile ist sogar der Lada vernetzt." Der Saal lacht.
Die Automarke aus Russland, deren Modelle im Westen lange als unzuverlässige Klapperkisten wahrgenommen wurden, sei nun ebenfalls ein rollender Computer - und damit eine potenzielle Angriffsfläche für Hacker.
Steht es schlecht um IT-Sicherheit, steht es gut um Kasperskys Kasse. Seine Firma, bekannt vor allem als Hersteller von Antivirus-Software, kann in solchen Zeiten mehr Produkte verkaufen.
"Wir erwarten, dass sich die Gespräche abkühlen"
Kaspersky war kürzlich zu Besuch in Deutschland: Sicherheitskonferenz, Bundestag, zwei weitere Stopps. Seine eigentliche Botschaft vermittelt er nicht auf der Bühne und erst recht nicht in Witzen.
Nach seinem Auftritt in München ist der Mann, der Fragen hin und wieder ungeduldig mit einem "Ich weiß, was Sie wissen wollen", unterbricht, deutlich ernster: "Wir erwarten, dass sich die Gespräche abkühlen", sagt er in gutem Englisch mit Akzent. Abkühlen, das ist eine Stufe vor Einfrieren. Kaspersky warnt vor einer Eiszeit zwischen Hackern - zumindest zwischen denen, die auf der guten Seite stehen.
Er wurde an einer KGB-Hochschule ausgebildet. Seit Jahren werde er deswegen misstrauisch beäugt. "Gegenwind" nennt er das und betont, dass er mit Sicherheitsfirmen und Behörden auch aus dem Westen zusammenarbeite. Interpol, Europol, FBI, FSB. Aus Kaspersky sprudeln die Akronyme.
Neu sei das Misstrauen, sagt Kaspersky. US-Medien berichten, dass der Informationsaustausch zwischen Experten aus Russland und den USA teilweise zum Erliegen gekommen ist. Dabei geht es vor allem um den informellen Austausch zwischen IT-Sicherheitsfirmen.
IT-Sicherheit ist ein Katz-und-Maus-Spiel
Kaspersky glaubt an zwei Dinge. Erstens: "Wenn es um professionelle Cyberkriminelle geht, sind russischsprachige Hacker die besten der Welt." Er sagt den Satz mit einem breiten Grinsen. Viele Hacker sprechen davon, dass IT-Sicherheit ein Katz-und-Maus-Spiel ist. Kaspersky freut sich, dass er eine der Katzen ist.
Der Hauptsitz seiner gleichnamigen Firma ist in Moskau, er hat viele Kunden in russischsprachigen Ländern. Er sagt, seine Firma bekäme als Erste mit, wenn Hacker neue Arten finden, sich in Netzwerke einzuschleichen. Sie könne sich deshalb auch schneller gegen diese Angriffe wappnen.
Zweitens, erklärt Kaspersky: Organisierte Kriminalität ist global vernetzt, erst recht, wenn sie digitale Verbrechen begeht. Über Untergrundforen im Internet werden Tricks weitergegeben und verkauft. Deshalb müssten auch legitime IT-Sicherheitsfirmen zusammenarbeiten. Doch bei denen befürchtet Kaspersky nun Stillstand, wenn es um globale Zusammenarbeit geht.
Dass sich die Gespräche abgekühlt haben, liegt Kaspersky zufolge an der geopolitischen Lage. Seit Monaten diskutiert die Welt über eine Hacker-Gruppe: APT28. Die Buchstaben stehen für advanced persistent threat: talentierte Hacker, die sich hartnäckig in Netzwerken festsetzen und sich Geheimdokumente schnappen. APT28 wird beschuldigt, während des US-Wahlkampfs die Demokraten gehackt zu habe. Die Gruppe verschaffte sich 2015 auch Zugriff auf E-Mails aus dem Deutschen Bundestag. Westliche Geheimdienste rechnen sie Russland zu.
Ein Kaspersky-Mitarbeiter wurde festgenommen
Hinzu kommt: Der russische Inlandsgeheimdienst FSB ließ im Dezember vier Personen festnehmen. Der Vorwurf: Hochverrat. Eine dieser Personen arbeitete für Kaspersky. Den vier wurde Berichten zufolge vorgeworfen, im Zuge der US-Wahl Informationen an die USA weitergeleitet zu haben. Wochenlang schwirren nun schon schwerwiegende Vorwürfe durch den Raum, belasten die Zusammenarbeit. (Am Sonntagabend berichtete Reuters, die Vorwürfe würden nicht mit der US-Wahl zusammenhängen.)
Auf seinen festgenommenen Mitarbeiter angesprochen, formt der Firmengründer eine Null mit seiner rechten Hand. "So viele Informationen haben wir darüber. Er ist einfach verschwunden." Der Mann habe ein Team von fünf Personen geleitet, keiner von ihnen sei durch den Geheimdienst weiter befragt worden. "Mir zeigt das: Es hatte nichts mit der Firma zu tun."
Für den internationalen Ruf von Kaspersky sind diese Nachrichten trotzdem schädlich. Noch schädlicher dürften sie für die IT-Sicherheit weltweit sein. Der organisierten Kriminalität fehlt derzeit ein ebenbürtiger Gegner.