Kartenzahlung:Bezahlen mit EC-Karte wird komplizierter

Contactless Payment

Ist einfach, wird verwirrend: Vielen Kunden ist gar nicht bewusst, dass ihre EC-Karte Optionen bereit hält.

(Foto: Moment Mobile/Getty Images)
  • Wer mit EC-Karte bezahlt, kann in Zukunft an der Kasse entscheiden, ob er den Vorgang über die Bank oder die Kreditkartenfirma abwickeln will.
  • Bislang war die Abwicklung über die Kreditkartenfirmen nur bei Käufen im Ausland vorgesehen.
  • Die Neuregelung hat für den Kunden keinen einzigen wirklichen Vorteil - sie verkompliziert den Einkauf eher.

Von Berrit Gräber

Fast jeder Bankkunde hat sie, täglich wird sie millionenfach gezückt: Die Girocard, im Volksmund immer noch gern EC-Karte genannt. Mit ihr ist Einkaufen ein Kinderspiel. Mal mit Unterschrift, mal mit Geheimnummer. Ist einfach, funktioniert, kann so bleiben - sollte man meinen.

Doch weitgehend unbemerkt hat sich im Juni etwas verändert an den etwa 100 Millionen Kärtchen in Deutschland. Etwas Verwirrendes. Kunden dürfen jetzt beim Zahlen in Geschäften und an Automaten entscheiden, ob sie das wie gewohnt via Bank abwickeln. Oder ob sie die integrierte Bezahlfunktion via Maestro (Mastercard) oder V-Pay (Visa) nutzen wollen. Die Abwicklung über die Kreditkartenfirmen war bisher nur bei Girocard-Käufen im Ausland vorgesehen. Jetzt muss sie der Handel auf Anordnung der Europäischen Union (EU) auch bundesweit anbieten.

Gut 25 Jahre lang war die Monopolstellung der Girocard, die deutsche Banken und Sparkassen ausgeben, unangefochten. Kaum ein Land in Europa hat ein ähnliches nationales Zahlungsverfahren. Jetzt machen ihr die Kreditkartenfirmen mithilfe der EU-Verordnung Konkurrenz.

Was die Neuerung bringt? "Nichts", sagt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern. Zumindest nicht den vielen Millionen Verbrauchern, die künftig eine Wahl treffen sollen. Für sie ergeben sich weder Vorteile noch Nachteile. Höchstens Verdruss über längere Wartezeiten an der Kasse, wenn künftig so mancher mit der Frage auf dem Display überfordert sein dürfte "Welche Kartenfunktion darf es denn sein, Girocard, Maestro, V-Pay?"

Mit der neuen Auswahl sollen die Konsumenten letztlich nur festlegen, ob ihre Bank das Geld abbucht oder die Kreditkartenfirma, die jetzt auch mitverdienen darf. "Für Verbraucher ist das alles zunächst gar nicht relevant, die Konsequenzen tragen die Händler", sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE). "Der Großteil braucht die neue Zahlfunktion gar nicht, die Leute kamen mit ihrer Girocard hierzulande immer wunderbar klar", sagt Straub. Die meisten Konsumenten sind sich wohl nicht einmal darüber bewusst, dass ihre Karte zwei Bezahlfunktionen hat.

Ein Blick auf das eigene Plastikkärtchen im Geldbeutel kann die Sache schnell klären. Nur wenige Girocards haben kein Maestro oder V-Pay-Symbol aufgedruckt. Sie sind damit nicht einsatzfähig für EU-weites Bezahlen - und damit auch nicht für die neue Wahlmöglichkeit. Alle anderen schon. Zumindest in Geschäften und an Automaten im Inland, die überhaupt eine Bezahlung via Maestro oder V-Pay akzeptieren, wie in Ballungsräumen mit internationalen Kunden oder in touristischen Gegenden der Fall.

Noch komplizierter geht immer

Um die Verwirrung komplett zu machen: Die neue Wahlmöglichkeit steht bislang nur auf dem Papier. Bis auf Shops vereinzelter Anbieter wie dem Tankstellenkonzern Esso haben deutsche Verbraucher derzeit noch gar keine Gelegenheit zur Auswahl. Der Handel wird erst in den nächsten Wochen beginnen, knapp 800 000 von insgesamt gut einer Million Kassensystemen umzurüsten, sagt HDE-Experte Binnebößel. Das könne bis weit ins Jahr 2017 dauern. Auch die meisten Kassenautomaten, die eine Bezahlung mit Girocard akzeptieren wie etwa bei der Bahn oder in Parkhäusern, müssen erst noch auf die neue Software umgestellt, ältere Modelle ganz ausgetauscht werden.

Eigentlich müsste die Auswahloption schon seit über drei Monaten zur Verfügung stehen. Doch der Handel will bei der Umsetzung der EU-Verordnung über "Interbankenentgelt für kartengebundene Zahlungsvorgänge" offenbar nichts überstürzen. Und möglichst keine Fehler machen. Für Händler, die Maestro und V-Pay akzeptieren, geht es um richtig viel Geld. Denn: Das deutsche Girocard-Verfahren via Bank ist für sie deutlich günstiger als die Kreditkarten-Zahlfunktion. Zahlt der Kunde wie gehabt, muss der Verkäufer Gebühren tragen, die sich auf bis zu 0,3 Prozent des Umsatzes summieren. Wählt er die Abwicklung über Mastercard oder Visa, wird mindestens das Doppelte fällig.

Belohnungen und Gewinnspiele als mögliche Anreize

Um diese Kosten zu umschiffen, ist an den Kassen von Esso-Tankstellen etwa seit neuestem folgende klare Empfehlung für unentschlossene Autofahrer angebracht: "Drücken Sie Girocard." Der Großteil der Händler wird künftig aber wohl folgende Lösung bevorzugen: Steht der Kunde mit seiner Girokarte an der Kasse, kann er von sich aus einen Knopf am Bezahlterminal drücken, um die Auswahloption aufploppen zu lassen und dann entscheiden, ob er mit Maestro oder V-Pay zahlen will. Tut er das nicht, zahlt er zügig wie schon immer (über die Bank), spart sich zusätzliches Knöpfedrücken - und ist auch schneller wieder raus aus dem Geschäft.

Nach Ansicht des HDE schlägt diese Variante viele Fliegen mit einer Klappe: Die verordnete Wahlfreiheit für die Kunden wird gewährleistet, Warteschlangen an den Kassen werden vermieden und der Händler zahlt nicht übermäßig drauf.

Solange jedenfalls die Kreditkartenfirmen nicht anders dafür sorgen, dass sie zu ihrem Umsatz kommen. Binnebößel geht davon aus, dass Kunden künftig mit Belohnungen und Gewinnspielen dazu gebracht werden sollen, sich doch für die zeitintensivere Wahl von Maestro und V-Pay zu entscheiden.

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