Es ist das Dilemma des vernetzten Menschen: Auf der einen Seite ist den meisten Nutzern wenigstens diffus klar, dass es auf Dauer problematisch sein kann, sehr viele sehr persönliche Daten von sich preiszugeben. Doch auf der anderen Seite sind da die Onlinedienste vieler Unternehmen. Sie bereichern das Leben, machen Dinge einfach, die früher schwer oder schlicht völlig unmöglich waren. Sie zu nutzen, ist also attraktiv und bequem dazu. Man muss in den meisten Fällen auch kein Geld bezahlen, um sie zu nutzen. Und schon ist das Dilemma da: Denn es fließt zwar kein Geld, aber es fließen massenhaft geldwerte Informationen - die Daten.
Das wäre alles weniger ein Problem, wenn denn die Facebooks, Twitters und Googles dieser Welt das auch offen sagen würden. Doch wie die Daten wirklich verwurstet werden, das muss man sich aus schwer verständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen selber zusammenpuzzeln. Manches gerät erst ans Licht, wenn Experten mal ganz genau hinsehen oder durch Zufall. So wie bei Google, dessen Fahrzeuge zum Fotografieren von Straßenzügen nicht bloß den Standort von Wlan-Sendern erfassten, sondern Ausschnitte aus dem Datenverkehr gleich noch mit abgriffen. Was natürlich aus Sicht des Konzerns ein bedauerlicher Software-Fehler war.
Insofern ist es nur zu begrüßen, wenn das Bundeskartellamt Facebook, einen der großen Datensammler, kräftig rügt. Der Kern des Vorwurfs der Behörde: Die Nutzer müssen, wenn sie dem sozialen Netzwerk beitreten wollen, die Nutzungsbedingungen in Gänze akzeptieren. Entweder das oder eben kein Konto bei Facebook. Das sei nicht angemessen und verstoße wohl gegen den Datenschutz.
Man darf vermuten, dass die Entscheidung des Kartellamtes, die wohl erst im Frühsommer kommt, bei Facebook keine allzu großen Sorgen hervorrufen wird. Zwar hat auch Facebook gespürt, dass sich der Wind etwas gedreht hat. Dass sie als weltumspannende Plattform eben auch Verantwortung tragen, die Kritik an Hass-Postings oder die Diskussion über die Beeinflussung der US-Wahl sind Beispiele dafür.
Doch letztlich verhalten sich die meisten datengetriebenen Unternehmen, viele davon aus dem Silicon Valley, noch immer in einer Weise, die man als Manchester-Kapitalismus des Datenzeitalters beschreiben könnte. Verbrämt lediglich mit dem immer noch gerne gegebenen Hinweis, man wolle die Welt zu einem besseren Ort machen.
Gesammelt, zugeordnet, weiterverkauft
Die Wirklichkeit ist leider um ein Vielfaches hässlicher. Die Daten, die Nutzer eingeben, die sie oft noch mit Begeisterung freiwillig abliefern, gehen an alle möglichen Drittanbieter, werden verwendet, um uns immer genauer in Zielgruppen für dies und das einzuteilen. Hier der Familienvater, der gerne Gitarre spielt und joggen geht. Dort die Rentnerin, die Krimis liest und ein Faible für besondere Tees hat. Wer sich schon immer mal gewundert hat, warum einen nach Online-Recherchen, sagen wir zu Tennisschlägern, wochenlang Anzeigen mit Tennisschlägern auf allen möglichen Seiten im Internet verfolgen: Das ist der Grund dafür. Die Daten werden gesammelt, zugeordnet, weiterverkauft.
Nun mag man sagen, das ist zwar lästig, aber auszuhalten, wenn man dafür mit seinem Freundeskreis in Verbindung bleiben und mit seinen coolen Urlaubsfotos prahlen kann. Doch zahlreiche Studien haben gezeigt, wie sich aus solchen Daten mit hoher Trefferquote politische Ansichten, sexuelle Orientierung und so einiges mehr extrahieren lassen. Was wir heute so locker-lässig preisgeben, kann uns morgen in Schwierigkeiten bringen. Was hätte eine Stasi alles anstellen können, hätte sie nur die heutigen Möglichkeiten gehabt.
Beeinflussung durch verfolgende Werbung, Gefahr des Datenmissbrauchs - das wären Gründe genug, sich zu überlegen, wie sinnvoll es wirklich ist, einem sozialen Netzwerk beizutreten oder andere Onlinedienste zu nutzen, die mit Daten bezahlt werden. Doch was ist der Ausweg aus dem Dilemma?
Das Wichtigste wäre, sich stärker darüber bewusst zu werden, dass die Währung Daten Risiken mit sich bringt. Den verantwortungsvollen Umgang damit zu fördern, sollte eine wichtige Aufgabe demokratischer Staaten sein. Dazu gehört der Schutz von Daten. Dazu gehört, Datensammlern Schranken zu setzen. Es gehört aber genauso dazu, Daten auch nutzbar zu machen, wo das ohne Eingriffe in die Privatsphäre machbar ist, zum Beispiel in der Medizin. Mehr Daten könnten hier viele Erkenntnisse liefern. Die schlechteste Lösung wäre, einfach nichts zu tun.