Kartell-Vorwürfe gegen Bohrfirmen:Verbotene Preisabsprache

Meist fanden die geheimen Treffen an Autobahnraststätten statt: Jahrelang sollen Bohrfirmen den Markt unter sich aufgeteilt haben. In Franken kam es nun zu Razzien und Verhaftungen.

Uwe Ritzer

Bohrfirmen sollen über Jahre hinweg verbotene Preisabsprachen getroffen und den Markt illegal unter sich aufgeteilt haben. Dabei geht es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Justizkreisen um einige hundert meist öffentliche Aufträge. Bei groß angelegten Razzien im Raum Nürnberg wurden mehrere führende Mitarbeiter von Bohrfirmen verhaftet sowie viele Büros und Privatwohnungen durchsucht.

Kartell-Vorwürfe gegen Bohrfirmen: Im Fall geht es um Bohrungen für Brunnen sowie andere öffentliche und private Bauvorhaben.

Im Fall geht es um Bohrungen für Brunnen sowie andere öffentliche und private Bauvorhaben.

(Foto: Foto: dpa)

Nach SZ-Informationen wird gegen mehr als ein Dutzend Beschuldigte allein aus Franken ermittelt. Nürnberger Ermittler vermuten, dass die illegalen Preisabsprachen bundesweit getroffen wurden. Die Dimension des Falles sei noch nicht absehbar, heißt es in fränkischen Justizkreisen. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen. Ihr Sprecher wollte am Wochenende keine Stellung nehmen.

In der Branche der Baugrund-, Grundwasser- und Lagerstättenerkundung sind in Deutschland nur ein paar Dutzend Firmen tätig. Meist sind es Familienunternehmen und kleinere Mittelständler. Ein regionaler Schwerpunkt der Branche ist Franken. Über den Branchenumsatz gibt es keine gesicherten Zahlen. Experten aus der Baubranche schätzen das jährliche Auftragsvolumen auf mehrere Milliarden Euro.

Im konkreten Fall geht es um Bohrungen für Brunnen sowie andere öffentliche und private Bauvorhaben. Vertreter der wenigen Spezialfirmen sollen sich über Jahre regelmäßig getroffen und, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, untereinander Preise abgesprochen haben. Zudem hätten sie laufend Informationen über ihre jeweilige Auftragssituation, freie Kapazitäten sowie vorliegende Ausschreibungen und Angebote ausgetauscht.

"Da wurde regelrecht Buch geführt und Statistiken angelegt", sagte ein Fahnder. Bei Treffen, vorwiegend an Autobahnraststätten, sollen Angebote bei Ausschreibungen so gesteuert worden sein, dass möglichst ein in der betreffenden Region ansässiger Bieter zum Zuge gekommen sei. Die Firmen hätten sich "so abgesprochen, dass am Ende jeder zu seinen Aufträgen kam", so ein Fahnder.

Auf das mutmaßliche Kartell stießen die Ermittler dem Vernehmen nach über einen Bohrauftrag beim fränkischen Energieversorger N-Ergie. Es habe dort "Auffälligkeiten gegeben", hieß es. Ein anfänglicher Verdacht, es könnte auch Korruption im Spiel sein, lasse sich wohl nicht erhärten, sagte eine mit dem Fall befasste Person der SZ.

Nach umfangreichen Vorermittlungen holte die Nürnberger Staatsanwaltschaft Anfang Juli zum großen Schlag aus. Einige Geschäftsführer von Firmen sollen bei einem Preisabsprache-Treffen auf ertappt und verhaftet worden sein. Zwei Tage lang seien viele Objekte durchsucht und eine Fülle an Akten und Computermaterial beschlagnahmt worden, heißt es. Es werde Monate dauern, alle Daten auszuwerten.

Seit den Razzien im Korruptionsfall Siemens habe es in Franken keinen vergleichbar großen Einsatz von Polizei und Staatsanwaltschaft mehr gegeben, sagen Fahnder.

Mindestens drei Geschäftsleute wurden verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Sie packten dort offenbar umfassend aus. "Sie haben weit mehr erzählt, als der Staatsanwaltschaft bis dahin bekannt war", sagt eine mit den Ermittlungen vertraute Person. Dadurch habe sich die Zahl der Bauobjekte, bei denen Preismanipulationen vermutet werden, weiter erhöht. Die Beschuldigten sollen die Absprachen damit begründet haben, sie hätten einen ruinösen Preisverfall auf dem Markt stoppen wollen.

Als letzter wurde der 47-jährige Geschäftsführer einer Nürnberger Bohrfirma am vergangenen Donnerstag aus der Untersuchungshaft entlassen. Dies bestätigte sein Rechtsanwalt Jürgen Lubojanski der SZ. Er zweifelt, ob man "von Kartellen im klassischen Sinne überhaupt sprechen kann". Es müsse im Zuge der Ermittlungen "erst einmal sorgfältig analysiert werden, ob es tatsächlich zum Austausch von geschäftlichen Informationen gekommen ist und wie weit dieser überhaupt strafbar ist", sagte Lubojanski.

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