Karstadt:Weniger Ausgaben, mehr Edel-Filialen

Benko übernimmt Karstadt

René Benko denkt über Neueröffnungen von Luxuskaufhäusern nach. Vorbild ist das Berliner KaDeWe.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Karstadts neuer Eigentümer René Benko hegt große Pläne: Nach dem Vorbild des Berliner KaDeWe sollen neue Edel-Filialen entstehen. Ob auch Kaufhäuser geschlossen werden, wie bislang gemutmaßt wurde, ist unklar.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf, und Max Hägler, Stuttgart

So lange also dauert die Besprechung einer Krise: Neun Stunden. Bis in den Abend hinein saß der Aufsichtsrat von Karstadt am Donnerstag zusammen. Es war die erste Sitzung des Gremiums, seit der neue Eigentümer René Benko, 37, mit seiner Signa Holding die Kette mit den 83 Warenhäusern übernommen hat.

Eine lange Sitzung, aber immerhin: Es ging sachlich zu, sagten einige der 20 Unternehmenskontrolleure. Dabei ist die Lage desaströs, wie das Unternehmen selbst danach mitteilte: "Das Management stellte fest, dass die seit 2011 verfolgte Strategie wirtschaftlich fehlgeschlagen ist". Eine weitere Fortführung des Kurses würde die Verluste mittelfristig ansteigen lassen. Und so soll gespart werden - natürlich.

Schonfrist für die einzelnen Filialen

Die Messlatte ist dabei Kaufhof. 20 Prozent weniger Kundenberater und Verkäufer auf vergleichbarer Fläche habe der Wettbewerber, sei damit aber deutlich erfolgreicher: "Solche Wettbewerbsnachteile gilt es auszugleichen." Anders gesagt: Der neue Eigentümer Signa wird bei Karstadt Leute entlassen, um auch auf dieses Niveau zu kommen, wohl auch in der Zentrale in Essen. Wie viele der 17 000 Mitarbeiter davon betroffen sein werden, ist noch unklar, ebenso, ob Filialen komplett geschlossen werden, wie bisher gemutmaßt wurde und auch von Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl bereits skizziert.

Schließungsbeschlüsse seien "noch nicht" gefasst geworden. Offenbar sollen zuerst die einzelnen Filialen eine Art Schonfrist erhalten, und gerade bei den schlecht laufenden sollen die Beschäftigten mitreden, um das Sortiment auf die Bedürfnisse vor Ort anzupassen und so mehr Kunden in die Läden zu bringen, heißt es bei Karstadt. In sechs Wochen tritt das Kontrollgremium wieder zusammen. Bis dahin soll über das neue Management entschieden werden, wird Karstadt doch derzeit nur mit einem Rumpf-Team geführt.

Als möglicher Kandidat für den Führungsposten gilt Aufsichtsratsvorsitzender Fanderl. Ihn könnte an der Kontrollspitze Signa-Retail-Chef Wolfram Keil ersetzen. Und bis zur Oktober-Sitzung wollen das Management und die Eigentümerseite mit den Arbeitnehmervertretern über die "richtige Balance zwischen Sozialverträglichkeit und wirtschaftlicher Überlebensfähigkeit" verhandeln. Doch das wird schwierig.

"Die Beschäftigten haben bereits viele Kürzungsrunden hinter sich, und der Kunde setzt auf Beratung, das geht nicht mit noch weniger Personal", sagte Arno Peukes, von der Gewerkschaft Verdi entsandter Aufsichtsrat, der SZ. Parallel zur Krisenbewältigung auf der mittelpreisigen Handelsebene hegen Benko und die Signa-Holding große Pläne für die Luxuskaufhäuser. Vorbild soll das "Kaufhaus Des Westens" in Berlin sein.

Frankfurt, Wien oder Prag

Das KaDeWe ist das berühmteste Kaufhaus Deutschlands, das größte in Kontinentaleuropa und auch noch das mit der zweitgrößten Feinschmeckerabteilung der Welt - für das KaDeWe scheint Chronisten kein Superlativ zu hoch gegriffen. Das war schon bei der Eröffnung vor 107 Jahren so: Das Warenhaus sollte "die verwöhnten Ansprüche der oberen Zehntausend, der obersten Eintausend, der allerobersten Fünfhundert" befriedigen, wie eine Wochenzeitung damals schrieb.

Nun soll das KaDeWe zum Vorbild für die beiden anderen Luxuskaufhäuser der Karstadt-Premium-Sparte werden, für das Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg. Mehr noch: Ab sofort firmieren alle drei Edelwarenhäuser unter dem Namen "The KaDeWe Group". Es soll klar erkennbar sein, dass die drei Häuser zu einer exklusiven Gruppe gehören - und nicht mehr zu Karstadt.

Das Umflaggen stößt auf Skepsis

Sogar über Neueröffnungen von Luxus-Kaufhäusern unter dem Dach der KaDeWe-Gruppe denkt Benko schon nach. Frankfurt, Wien oder Prag nennen seine Manager. Das Umflaggen stößt in Fachkreisen aber auf Skepsis. Offensichtlich wolle Benko den Namen Karstadt nicht mehr nutzen, sagt Jörg Funder, Handelsprofessor an der Hochschule Worms. Damit grenze Benko die Luxuskaufhäuser klar von der klassischen Warenhauskette ab, deren Zukunft weiter unklar bleibe.

Gerd Hessert, Lehrbeauftragter für Handelsmanagement an der Universität Leipzig, hält die Trennung der Sparten hingegen für den richtigen Weg. "Der schwierige Name fällt weg", sagt Hessert. Benko könnte an diese Gruppe weitere starke Häuser andocken, etwa Nürnberg, Dresden und Dortmund. Allerdings ist auch das Luxusgeschäft nicht einfach.

Seit September 2013 gehören die Karstadt-Premiumhäuser und die Sport-Gruppe dem österreichischen Immobilieninvestor. Im Vergleich zu den klassischen Warenhäusern stehen sie zwar ganz gut da. Doch dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss zufolge erwirtschafteten die drei Häuser in Hamburg, Berlin und München im Geschäftsjahr 2011/12 bei knapp 350 Millionen Euro Umsatz einen Nettoverlust von sieben Millionen Euro.

Aber die große Herausforderung, sagt Hessert, früher selbst Karstadt-Manager, seien die 83 normalen Läden, deren Umsatz in den vergangenen fünf Jahren um 15 Prozent geschrumpft ist.

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