Karstadt-Rettung:Späte Liebesgrüße aus St. Petersburg

Lesezeit: 2 min

Überraschung bei Karstadt: Ein Russe hat unerwartet Interesse an dem insolventen Konzern bekundet - und lockt mit Millionenversprechen.

Hans-Jürgen Jakobs

Die Liebesgrüße aus Russland kamen spät. Der Gläubigerausschuss des insolventen Kaufhauskonzerns Karstadt sichtete bereits am Mittag des vorigen Freitags die eingegangenen Angebote für das Pleiteunternehmen, als noch eine Offerte auf Russisch einging. Hier gab, kurz vor Toresschluss, ein "Konsortium einflussreicher russischer Geschäftsleute" ihre "non-binding offer" ab, wie sich aus dem eingereichten sechsseitigen Brief ergab.

Karstadt-Rettung: Es ging eine Offerte aus Russland beim Insolvenzverwalter ein. (Foto: dpa)

Das war auch für Insolvenzverwalter Hans Hubert Görg überraschend. In den Tagen zuvor hatten sich in der Öffentlichkeit drei Kaufinteressenten präsentiert: die deutsch-schwedische Fondsfirma Triton, die 100 Millionen Euro investieren, aber offenbar den Personalstand deutlich reduzieren will; der Investor Nicolas Berggruen, Sohn des verstorbenen Berliner Kunstsammlers Heinz Berggruen, der um die Gunst der Arbeitnehmer wirbt; und schließlich das von der Investmentbank Goldman Sachs dominierte Konsortium Highstreet, das Karstadts Immobilen besitzt und niedrigere Mieten verspricht.

Einen Aspiranten aus St. Petersburg aber hatte keiner auf der Rechnung. Eine Dreier-Gruppe hatte Kontakt nach Osten gesucht: der Kommunikationsberater Kurt Diekmann, Ex-Karstadt-Justiziar Bernd-Volker Schenk sowie Helmut Merkel, Ex-Chef der Karstadt Warenhaus AG.

60 Millionen Euro in bar

Offenbar glaubten sie zunächst, mit der Alfa Group des russischen Oligarchen Michail Maratowitsch Fridman handelseinig zu werden. Als sich der Deal vor einigen Wochen zerschlug, fanden sie Ersatz im St. Petersburger Unternehmer Artur Pachomow, 47. Dessen Holding Karotex betreibt mehrere Groß-Hotels in seiner Heimatstadt sowie ein Handelszentrum für Textilien und Lebensmittel; er ist auch in der Holzwirtschaft tätig.

Große Erfahrung hat Pachomow, von 2003 bis 2005 Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer St. Petersburg, mit der Privatisierung von Staatseigentum gemacht.

Nun bietet sein Karotex-Konsortium offenbar knapp 60 Millionen Euro bar für Karstadt. Ziel sei es, so der Bewerbungsbrief, "eine strategische Entscheidung der Karstadt Warenhaus GmbH aus dem Jahre 2005 aufzugreifen und umzusetzen: Die Verbreitung der wirtschaftlichen Basis durch punktuelle Internationalisierung an attraktiven Standorten außerhalb Deutschlands."

In Russland, wo es außerhalb der Städte viele Einkaufszentren gibt, wurde ein hoher Bedarf an City-Kaufhäusern ausgemacht. Es gehe um den Aufbau einer "Warenhauskette zur Verbesserung der Grundversorgung der russischen Bevölkerung", heißt es in der "non-binding offer". Pachomow setzt konkret auf ein Objekt in St. Petersburg. Auch für das türkische Istanbul gibt es Pläne.

Wenn der russische Investor und seine deutschen Freunde wirklich eine Chance haben wollen, müssten sie bald die Bücher von Karstadt intensiv prüfen. Ein Sprecher des Insolvenzverwalter Görg bestätigt lediglich, dass eine zusätzliche Offerte eingegangen sei: "Es wurde an die Investmentbank zur Prüfung weitergeleitet." Die Zeit drängt. Bis zum 9. Juni soll die endgültige Entscheidung über den Karstadt-Käufer fallen.

Pachomow, der Mann aus St. Petersburg, wirbt mit jährlichen Investitionen von 80 Millionen Euro. Der Karstadt-Konzern soll "in seinem bisherigen Umfang und mit seinen bisherigen Mitarbeitern" gesichert und fortgeführt werden. Das zumindest dürfte dem Betriebsrat gefallen.

Insolvenzverwalter Görg reichte am Freitag die wenigen Original-Unterlagen des Bewerbers Karotex aus. Die Gläubiger mussten erst einmal rasch Übersetzer konsultieren.

© (sueddeutsche.de) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: