Süddeutsche Zeitung

Karstadt: Nicolas Berggruen:Der Investor greift durch

Der neue Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen räumt auf: Er beginnt, die Filialen der Warenhauskette umzugestalten - und das Gehaltssystem. Doch dagegen gibt es bereits erste Proteste.

Stefan Weber

Gut zwei Monate nach dem Erwerb von Karstadt spürt der neue Eigentümer Nicolas Berggruen Unterstützung von vielen Seiten. "Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Politiker aller Ebenen bestärken uns in der gemeinsamen Anstrengung, das aus der deutschen Wirtschaft nicht wegzudenkende Traditionsunternehmen Karstadt langfristig wieder als erfolgreiche und starke Handelsmarke aufzubauen und für die Zukunft zu erhalten", heißt es in einem Brief von Berggruen an die Mitarbeiter.

Die Zuversicht des Investors hat auch mit der guten Geschäftsentwicklung bei Karstadt zu tun. Im selben Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, berichtet die Geschäftsführung von "über den Branchendurchschnitt steigenden Umsätzen." Es sei ein "sehr erfolgreiches Weihnachtsgeschäft" zu erwarten. Entsprechend gut werde auch das erste Quartal des Geschäftsjahres 2010/11 (30. September) ausfallen, prognostizieren Thomas Fox, der Vorsitzende der Geschäftsführung, und sein Team.

Im Umfeld des Unternehmens heißt es, bei Karstadt laufe es derzeit sogar deutlich besser als beim Konkurrenten Kaufhof. Im Vorjahr hatte Karstadt ein Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen von 93 Millionen Euro erwirtschaftet und damit die eigene Prognose deutlich übertroffen. Zum Umsatz macht das Unternehmen keine Aussage.

Branchenbeobachter weisen jedoch darauf hin, dass die gute Entwicklung der Essener Warenhauskette vor allem mit der blendenden Verfassung des gesamten Einzelhandels in diesen Wochen zu tun hat. Auch resultiere die Ergebnisverbesserung zu einem Großteil aus den zahlreichen Maßnahmen zur Kostensenkung, die unter der Verwaltung des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg im Sommer 2009 eingeleitet worden waren.

Wie es in dem Brief an die Mitarbeiter weiter heißt, hat die Geschäftsführung ein mehr als 70 Einzelprojekte umfassendes Programm aufgestellt, mit dessen Hilfe Karstadt schlagkräftiger werden soll. Dazu gehören unter anderem neue Vergütungssysteme, zusätzliche Markenshops, ein verbesserter Online-Auftritt sowie Filialumbauten. Das Management kündigte an, bis Ende 2014 alle 120 Waren- und Sporthäuser zu modernisieren. Zum Auftakt würden im nächsten Jahr 75 Millionen Euro in die Hand genommen, um 27 Standorte aufzumöbeln.

Bisher war von einem Investitionsetat von etwa 100 Millionen Euro für 2011 die Rede gewesen. Anfang Oktober hatte Fox von insgesamt 400 Millionen Euro gesprochen, mit denen die Filialen in den nächsten Jahren modernisiert würden. Dieses Geld stamme ausschließlich aus dem Cashflow, sei also selbst verdient, hatte er betont. Nach Einschätzung von Branchenexperten sind weit größere Summen notwendig, um die Karstadt-Häuser auf Dauer wettbewerbsfähig zu machen.

In einem SZ-Interview hatte Berggruen vor kurzem den gesamten Investitionsbedarf mit "mehreren hundert Millionen Euro" beziffert und darauf hingewiesen: "Falls wir mehr brauchen sollten, dann brauchen wir eben mehr." Das zusätzliche Geld werde dann er beisteuern. Auch hatte er betont: "Der Zeithorizont ist unbegrenzt. Es gibt keinen Plan für einen Ausstieg."

Bereits im Januar will Karstadt in 20 Filialen mit dem Umbau beginnen. Ein Schwerpunkt wird dabei München sein. Dort sollen gleich drei Häuser umgestaltet werden. In weiteren sieben Filialen würden die Umbauarbeiten Ostern beginnen, kündigte die Geschäftsführung in dem Brief an die Mitarbeiter an.

Gleichzeitig stimmte das Management die Belegschaft auf ein neues Vergütungssystem ein, das zunächst in 46 Waren- und elf Sporthäusern erprobt werden soll. Dabei werden drei Monate lang alle Umsätze, die Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt erzielen, einzeln erfasst. Entsprechend ihres Verkaufserfolgs sollen künftig alle Beschäftigte mit Kundenkontakt an einem Provisionstopf teilhaben.

"Der einzelne Mitarbeiter kann bis zu 500 Euro monatlich hinzuverdienen", kündigte die Geschäftsführung an. Aufgrund zahlreicher Proteste in der Belegschaft gegen das Vergütungssystem will die Geschäftsführung im März, wenn erste Resultate vorliegen, zunächst eine Zwischenbilanz ziehen und die Regelung möglicherweise nachbessern. Danach sollen die neuen Vergütungsregeln in allen Filialen eingeführt werden.

In der Führung der Warenhausgruppe sind nach wie vor zwei Spitzenpositionen zu vergeben. Zum einen wird ein so genannter Chief Operating Officer (COO) gesucht, also ein Manager für das Tagesgeschäft. Er soll den Briten Andrew Jennings, der im Januar die Führung der Karstadt-Gruppe übernehmen wird und kein Deutsch spricht, entlasten. Offen ist auch die Stelle des Finanzchefs.

Zwar bestellte der Aufsichtsrat am Donnerstag Josef Schultheis, der bereits seit Monaten über die Bilanzen des Unternehmens wacht, zum Geschäftsführer Finanzen. Allerdings soll der Sanierungsexperte, der wie Geschäftsführer Fox von der Berliner Beratungsgesellschaft Modalis kommt, die Verantwortung 2011 an einen noch gesuchten Chief Financial Officer (CFO) abgeben.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2010/aum
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