Karstadt in der Krise:Missverständnis Nicolas Berggruen

Nicolas Berggruen

Nach vier Jahren wieder weg: Investor Nicolas Berggruen verlässt Karstadt

(Foto: dpa)

Die Politik hofierte Nicolas Berggruen, als er vor vier Jahren die Kaufhäuser von Karstadt übernahm. Damit fingen die Probleme mit dem Mann an. Kommt nun der Retter? Es gibt Gründe, weshalb man vom neuen Eigentümer aus Österreich ebenfalls nicht zu viel erwarten sollte.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Nicolas Berggruen geht, und man fragt sich: Was denkt eigentlich Ursula von der Leyen darüber? Als der deutsch-amerikanische Investor vor vier Jahren bei Karstadt einstieg, hat die CDU-Politikerin, damals Bundesarbeitsministerin, von einem "großen Tag der Freude" gesprochen. Von der Leyen fuhr mit Berggruen im Berliner Kaufhaus KaDeWe für die Fotografen auf der Rolltreppe. Aufwärts natürlich.

Auch sonst begleitete sie den Einstieg von Berggruen mit der ihr eigenen Verve: Immer wieder schaltete sie sich in die Gespräche ein, schrieb Briefe, ließ ihre Berater im Hintergrund werben, damit Berggruen Karstadt übernehmen konnte.

Die Politik hat Berggruen umschwärmt, ihn umgarnt, ihn hofiert. Und dies ist eine entscheidende, wenn auch nicht die einzige Erklärung, warum bei Karstadt die Ära Berggruen von Anfang bis Ende ein so großes Missverständnis war.

Berggruen investierte lieber in Kunstwerke als in die Warenhäuser

Berggruen, der Sohn des großen Kunsthändlers Heinz Berggruen, dachte, er tue der Politik - und damit Deutschland - einen Gefallen, wenn er sich bei Karstadt engagiere. Er dachte, er müsse nicht sehr viel mehr hergeben als seinen Namen; jedenfalls nicht sein Geld. Das Unternehmen, das damals in der Insolvenz steckte, bekam er für einen Euro, und auch in der Folgezeit investierte er nichts in die Warenhäuser, sondern lieber in Kunstwerke.

Die Politik in ihrer Blauäugigkeit wiederum dachte, Berggruen werde es schon irgendwie richten. Den Milliardär, der seit Jahren kein Haus mehr besitzt, sondern in Hotels lebt, umgibt schließlich eine ganz eigene Aura, eine Mischung aus Scheu, Selbstverliebtheit und Tatendrang. Mit seinem Charisma, meinten vor vier Jahren viele, werde er dem von etlichen Vorgängern heruntergewirtschafteten Unternehmen wieder neuen Glanz verleihen.

Beggruen kassierte jährlich Lizenzgebühren in Millionenhöhe

Wenn es denn so einfach gewesen wäre. Berggruen unterlag dem Irrglauben, Karstadt könne sich aus eigener Kraft sanieren und seine teils muffigen Warenhäuser in Schuss bringen - deshalb lehnte er es als Eigentümer immer wieder ab, zusätzliches Geld in das Unternehmen zu investieren, obwohl man ihn dazu drängte. Mehr noch: Für die Markenrechte an Karstadt kassierte er jedes Jahr Lizenzgebühren in Millionenhöhe. Manche sagen: In Wahrheit hat er Karstadt weiter ausgesogen.

Die Politik wiederum unterlag dem fatalen Glauben, sie müsse sich, nachdem die schönen Fotos geschossen waren, nicht weiter kümmern. Jedenfalls nicht um Karstadt. Berggruens Nähe suchten die Regierenden aus Berlin dagegen gerne, was diesem offenkundig die Sicherheit gab, dass ja alles ganz gut laufe. Erst im Frühjahr vorigen Jahres reiste eine Schar deutscher Spitzenpolitiker, darunter - na, klar! - von der Leyen, nach Paris, um auf einer der vielen politischen Konferenzen zu sprechen, die Berggruen regelmäßig abhält.

Der neue Investor ist ähnlich umstritten

In der Geschichte von Karstadt, die 1881 in Wismar begann, als Rudolph Karstadt dort sein erstes Warenhaus eröffnete, dem bald weitere folgten, werden die knapp vier Jahre Berggruen schon bald nicht mehr als eine Fußnote sein. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht eine der letzten Fußnoten war. Denn der neue Investor, der nun bei Karstadt übernimmt, der 37-jährige Österreicher René Benko, ist jedenfalls ähnlich umstritten wie Berggruen. Die Politik aber umschwärmt auch ihn: die deutsche, vor allem aber die österreichische.

Benko handelte lange nur mit Immobilien, nicht mit Warenhäusern. Immobilien gehen immer, zumal in besten Innenstadtlagen, also dort, wo die Karstadt-Warenhäuser sitzen. Niemand sollte sich daher wundern, wenn er Karstadt am Ende nur durchreicht, wenn er das Unternehmen zerlegt: hier das Geschäft, dort die Immobilien. Und am Ende von diesem großen Warenhaus-Unternehmen nur ein kleiner Rest übrig bleibt. Oder auch nichts.

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