Karstadt:Eine Schwedin soll es richten

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Karstadt-Filiale in Hannover: Nach dem Briten Jennings rückt erneut eine ausländische Führungskraft an die Spitze des Unternehmens.

(Foto: dpa)

In gut fünf Wochen wird Karstadt-Chef Andrew Jennings seinen Schreibtisch räumen. Monatelang haben Headhunter nach einem Nachfolger gefahndet - und sind nun offenbar fündig geworden: Nach SZ-Informationen wird Karstadt künftig von einer Skandinavierin geführt.

Von Max Hägler und Stefan Weber, Berlin und Düsseldorf

Gut fünf Wochen noch, dann wird Karstadt-Chef Andrew Jennings seinen Schreibtisch in der Hauptverwaltung des Warenhauskonzerns an der Theodor-Althoff-Straße in Essen räumen. Drei Jahre hat er für Investor Nicolas Berggruen das Krisenunternehmen geführt. Kaum jemand wird sagen können, dass Karstadt seit seinem Amtsantritt nach der Insolvenz im Herbst 2010 besser dasteht. Der Umsatz: weiter auf Talfahrt. Das Ergebnis: nach wie vor rot. Die Mitarbeiter: verunsicherter denn je. Die Zukunft: ein einziges Fragezeichen.

Monatelang haben Headhunter nach einem Nachfolger für Jennings gefahndet - und eine Absage nach der nächsten kassiert. Niemand wollte den Job. Jetzt hat der Aufsichtsrat, an dessen Spitze seit September der ehemalige Rewe-Manager Stephan Fanderl steht, die Personalie geklärt. Der Name ist zwar noch geheim, Karstadt macht dazu keine Angaben. Aber nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Handels- und Industriekreisen wird Karstadt künftig von einer Frau geführt. Von einer Schwedin, die zuletzt beim Möbelunternehmen Ikea gearbeitet hat. Nach dem Briten Jennings rückt nun also erneut eine ausländische Führungskraft an die Spitze des urdeutschen Warenhausunternehmens.

Mit welcher Agenda tritt die Skandinavierin den Job in Essen an? Klar ist: Sie muss versuchen, den Abwärtstrend zu drehen. Nur wie? Die Fehler korrigieren, die ihr Vorgänger machte, als er Dutzende in Deutschland unbekannte Marken listete, ohne sie ausreichend zu bewerben? Das würde hohe Investitionen erfordern. Aber Geld ist knapp - das machte den Job schon für Jennings nicht leicht.

Berggruen entfernt sich von seiner "Herzensangelegenheit"

Überhaupt: Lässt sich eine so oft enttäuschte Belegschaft wie die von Karstadt für einen erneuten Aufbruch motivieren? Vor allem jetzt, wo immer deutlicher wird, dass der Mann, den sie nach der Insolvenz einst als "Retter" feierten, dabei ist, durch die Hintertür zu verschwinden: Nicolas Berggruen, der Eigentümer. Das Manager Magazin berichtet, der Deutsch-Amerikaner beabsichtige nur noch als Teilhaber mitzuverdienen. Vor gut drei Jahren hatte er die Warenhauskette für einen symbolischen Euro übernommen.

Nichts anderes steckt wohl hinter dem Deal, den das Manager Magazin in Grundzügen beschreibt. Berggruen, der lange Zeit den Eindruck vermittelte, die Rettung Karstadts sei ihm eine Herzensangelegenheit, dürfte sich immer weiter zurückziehen: Er überlässt wohl das Feld dem österreichischen Immobilieninvestor René Benko und dessen Geschäftspartnern. Bereits im September hatte Berggruen die Mehrheit seiner drei Premiumhäuser an Benko abgegeben: Das operative Geschäft des Kadewe in Berlin, des Alsterhauses in Hamburg und des Oberpollinger in München. Auch den Geschäftsbetrieb der 28 Karstadt-Sport-Filialen hatte Berggruen zu 75,1 Prozent an die von Benko gegründete Signa-Gruppe veräußert. Allein das Stammgeschäft, also die verbliebenen 83 Warenhäuser, sind weiter in Berggruens Besitz.

Aber wie lange noch?

Berggruen soll Benko und dessen Geschäftspartner, dem israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz, eine Option zur Übernahme eingeräumt haben: 75,1 Prozent des klassischen Stammgeschäfts, und zwar zum Preis von einem Euro, das berichtet das Manager Magazin. Wenn es so käme, wäre Berggruen an allen drei juristisch selbständigen Karstadt-Sparten nur noch zu 24,9 Prozent beteiligt.

Damit würde er von den wohl erfreulichen Erträgen der Sport- und Premiumhäusern zu einem Viertel profitieren. Zugleich wäre er aus der Schusslinie, sollte in absehbarer Zeit über die Zukunft der 83 Warenhäuser entschieden werden. Denn viele Standorte kämpfen mit deutlichen Umsatz- und Ertragsproblemen. Handels- und Immobilienfachleute sind sich sicher, dass eine Reihe Filialen keine Zukunft unter dem Dach von Karstadt haben werden.

Offene Machtfragen

Am 11. Dezember kommt der Karstadt-Aufsichtsrat zur nächsten Sitzung zusammen. Es wird ein Treffen, bei dem es viel zu besprechen gibt: Die Eigentümerseite wird wohl die Nachfolge von Karstadt-Geschäftsführer Jennings offiziell verkünden. Außerdem stehen Machtfragen an. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Berggruen, als er noch die ungeteilte Gewalt hatte, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates ändern lassen: Die Mitsprache der Kontrolleure wird darin offenbar stark beschnitten. So kann die Karstadt-Geschäftsführung ohne Rücksprache über große Summen verfügen.

Diskutiert wird wohl auch, wie es wie es mit den Tarifverträgen weitergeht: Um Geld zu sparen, hat sich Karstadt aus der Tarifbindung verabschiedet. Seit Monaten kämpfen Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi um eine Rückkehr und Garantieerklärungen: Es sollen keine Filialen geschlossen werden, natürlich sollen alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz behalten und möglichst bald soll wieder das branchenübliche Gehalt gezahlt werden. Nach langem Bangen hatten die Arbeitnehmervertreter für Januar einen Gesprächstermin mit Benko zugesagt bekommen.

Doch nun ist der Name Beny Steinmetz in der Welt - und die Unruhe noch größer. Welche Rolle spielt nun dieser neu auf die Bühne getretene Diamantenhändler Beny Steinmetz? "Wir fordern auch ein Gespräch mit Steinmetz, sofern sich die Gerüchte bestätigen sollten, dass Herr Steinmetz als weiterer Investor bei Karstadt einsteigen wird", sagt Verdi-Verhandlungsführer Arno Peukes. Wohin steuert das Gesamtunternehmen? Rückt nun die in der Handelsbranche schon lange diskutierte ganz große Lösung näher? Die Zusammenführung von Karstadt und der Metro-Tochter Kaufhof zum Deutschen Warenhaus, das manche spöttisch mit "K und K" abkürzen - wie einst die gescheiterte Monarchie in Österreich-Ungarn.

Wer das Warenhausgeschäft vorantreiben will, muss beide Unternehmen vereinen, sagen viele in der Branche. Wobei das ein Kraftakt wäre: In vielen Städten sind die Kaufhäuser doppelt vertreten. Wo Filialen geschlossen würden, fielen jede Menge Jobs weg und müssten teure Sozialpläne ausgehandelt werden.

Wobei sich Benko aber gar nicht so sehr für den Betrieb der Kaufhäuser zu interessieren scheint: Er macht sein Geld mit Immobilien, nicht mit dem Verkauf von Socken oder Spielwaren. Seiner Signa-Gruppe gehören bereits 21 Immobilien, die die Karstadt nutzt. Darunter die drei Top-Häuser. Marktbeobachter sind sicher, dass es bei diesem Portfolio nicht bleiben wird: Signa sei an weiteren Karstadt-Immobilien interessiert. Quasi als Nebenprodukt würde der Kaufhaus-Betrieb laufen, wobei es jedoch durchaus eine Verbindung gibt: Je besser die Umsätze, desto höher die daran gekoppelten Mieten.

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