Karmann und die Insolvenz:Ein Lückenbüßer hat ausgedient

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Lange hat Karmann großen Herstellern Cabrios gebaut. Jetzt fertigen diese die Kleinserien selbst - und Karmann verliert seine Existenzgrundlage.

K.-H. Büschemann

Vor anderthalb Jahren hieß der Feind in Osnabrück noch BMW. Der Münchner Autohersteller hatte im Dezember 2007 dem niedersächsischen Familienunternehmen Karmann nicht den erwarteten Auftrag zum Bau eines neuen Mini-Modells mit Allradantrieb gegeben. Der neue Ableger der britischen BMW-Tochter Mini soll statt dessen in Österreich gefertigt werden. Darüber waren die Beschäftigten von Karmann in Osnabrück so wütend, dass sie ein Flugblatt druckten: "Wir können die Entscheidung von BMW nicht nachvollziehen".

Karmann-Logo auf dem Kühlergrill eines Cabrios "Transformer": Das Sterben von Karmann begann früh - und Grund dafür sind massive Veränderungen in der Autoindustrie. (Foto: Foto: ddp)

Heute gelten Audi und Mercedes als der Grund, warum das Osnabrücker Traditionsunternehmen Insolvenz anmelden muss. Die Autohersteller hätten die Zahl der bei Karmann gefertigten Cabrio-Modelle in diesem Jahr so stark reduziert, dass die Pleite unausweichlich wurde. Die Wahrheit ist eher, dass das Sterben dieses seit 1901 bestehenden Unternehmens schon viel früher begann und dass ein Grund in den massiven Veränderungen der Autoindustrie liegt.

Karmann - das war der klangvolle Name eines Unternehmens, das aus einer Kutschenfabrik hervorgegangen war und sich in der Nachkriegszeit zu einem Nischenunternehmen entwickelte. Karmann baute für andere Autohersteller solche Modelle, die nur kleine Stückzahlen erreichen und deshalb von den großen Autoherstellern nicht rentabel gefertigt werden konnten. In dem Werk, das nur einen Steinwurf vom Osnabrücker Stadtzentrum entfernt liegt, baute Karmann lange das Käfer-Cabrio. Der berühmte Karmann-Ghia der fünfziger Jahre war eine Eigenkreation auf der Basis des Käfers. Später kam das Golf-Cabrio dazu.

Hersteller in Schwierigkeiten

Zwei Drittel des Geschäfts machten die Karmänner zeitweilig mit dem nahen Volkswagen-Konzern und wirkten manchmal wie eine Unterabteilung der Wolfsburger. Das Unternehmen, das auch Cabrio-Verdecke liefert und Fahrzeugentwicklungen im Auftrag erledigt, hatte Beziehungen mit praktisch mit allen großen Herstellern. Nur durften die Osnabrücker darüber nie laut reden. Daher weiß kaum jemand, dass etwa der VW-Scirocco aus den siebziger Jahren bei Karmann gefertigt wurde. Das CS Coupé von BMW aus den siebziger Jahre kam ebenfalls aus Osnabrück.

Die glorreichen Zeiten, in denen Karmann 100.000 Autos im Jahr für andere baute, endeten in diesem Jahrhundert. Die großen Hersteller waren zunehmend selbst in Schwierigkeiten geraten und wollten verstärkt ihre eigenen Fabriken auslasten. Sie hatten inzwischen durch extrem flexible Werke selbst gelernt, auch Autos in kleinen Stückzahlen zu bauen. Der Lückenbüßer Karmann wurde nicht mehr gebraucht. So baute Audi bis zum Februar die Freiluftversion des A4 bei Karmann in Rheine. Doch der Nachfolger, das A5 Cabrio, läuft in Neckarsulm vom Audi-Band.

Geordneter Rückzug

Mit dem Ende der Produktion des CLK von Mercedes Ende Mai sollte der Autobau bei Karmann zu Ende gehen. Die Hoffnung der Belegschaft, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt, könnte in Wolfsburg für Karmann Aufträge holen, erfüllten sich nicht. Angeblich sorgte der neue VW-Großaktionär Porsche dafür, dass es dazu nicht kam.

Aber das angeschlagene Unternehmen wollte sich mit Cabrio-Dächern und der Fahrzeugentwicklung über Wasser halten. Sanierungsprogramme wurden angeschoben und Sozialpläne erstellt. Von einem geordnetem Rückzug war die Rede, Unternehmenschef Peter Harbig sprach zuletzt von einem "neuen Unternehmen", das ein lupenreiner Zulieferer werden sollte.

Doch das funktionierte nicht. Der Umsatz sollte von 1,5 Milliarden Euro Umsatz auf nur noch 500 Millionen Euro zurückgehen. Von den insgesamt 5000 Beschäftigen sollten nach der Schließung der Autofertigung noch 2700 übrig bleiben. Jetzt ist auch deren Zukunft unsicher.

© SZ vom 09.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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