Kapitalmarkt:Wie böse sind Hedgefonds wirklich?

Kapitalmarkt: Im Film "The Big Short" merkt ein zum Hedgefonds-Manager mutierter Neurologe (Christian Bale), dass viele US-Immobilienkredite nie zurückgezahlt werden können. Er wettet gegen die Banken - und liegt richtig, wie später die Finanzkrise zeigt.

Im Film "The Big Short" merkt ein zum Hedgefonds-Manager mutierter Neurologe (Christian Bale), dass viele US-Immobilienkredite nie zurückgezahlt werden können. Er wettet gegen die Banken - und liegt richtig, wie später die Finanzkrise zeigt.

(Foto: Jaap Buitendijk/AP)

Sie machen aus den Verlusten anderer riesige Profite. So funktioniert ihr Geschäft.

Fragen und Antworten von Björn Finke und Meike Schreiber

Oft sind sie gesichtslos, fast immer verschrien: Hedgefonds, Kapitalsammelstellen, meist angelsächsischer Herkunft, die unterschiedlichste Anlagestrategien verfolgen. Am meisten Kritik ziehen so genannte Leerverkäufer auf sich, die auf fallende Kurse setzen und damit in kurzer Zeit hohe Gewinne aber auch Verluste einfahren können. Wer sind diese Spieler, was machen sie, und warum sind sie zuweilen sogar nützlich?

Was sind Hedgefonds?

Der Name führt in die Irre. Das englische Verb hedge bedeutet nämlich absichern. Tatsächlich können sich Investoren mit Hedgefonds gegen bestimmte Risiken schützen, da diese Gesellschaften viel mehr Finanzinstrumente nutzen dürfen als normale Fonds. Doch in den allermeisten Fällen legen Hedgefonds das Geld der Investoren nicht sicherer, sondern riskanter an als gewöhnliche Fonds. Dafür versprechen sie aber auch eine höhere Rendite. Das können sie, weil sie bei der Wahl ihrer Mittel kaum Einschränkungen unterliegen. So versuchen viele Hedgefonds-Manager, ihre Rendite hochzutreiben, indem sie auf Kredit spekulieren. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Bedeutung dieser Fonds weltweit stark zugenommen. In Deutschland wurden sie erst im Jahr 2004 zugelassen.

Was sind Leerverkäufe?

Beliebt bei Hedgefonds-Managern - und bei Politikern umstritten - sind Leerverkäufe. Ein anderer Begriff dafür lautet Shorten. Hierbei leiht sich der Fonds Wertpapiere, etwa Aktien, gegen eine Gebühr und verkauft sie. Der Manager rechnet damit, dass der Kurs sinkt. Liegt er richtig, kann er die Papiere zu einem günstigeren Preis wieder kaufen und dem Verleiher zurückgeben. So kann ein Hedgefonds anders als ein klassischer Aktienfonds selbst bei fallenden Kursen Geld verdienen. Derzeit zum Beispiel wetten einige Hedgefonds auf den Kursverfall der Deutsche- Bank-Aktie. Kritiker warnen, dass solche Leerverkäufe bei nervöser Stimmung an den Märkten den Absturz der Kurse verstärken. Trotzdem profitieren übrigens auch normale Privatanleger von Leerverkäufen, die Publikumsfonds bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank kaufen. Diese Fonds nämlich verdienen sich gerne etwas hinzu, indem sie ihre Aktien gegen eine Gebühr vorrübergehend an Hedgefonds verleihen. Das ist nicht verboten, muss aber ausgewiesen werden.

Ist es überhaupt möglich, ein Verbot bestimmter Leerverkäufe durchzusetzen?

Als Ultima Ratio können die Börsenaufseher oder die Finanzaufsicht jederzeit verbieten, ein bestimmtes Wertpapier - eine Aktie oder gar eine Staatsanleihe - leer zu verkaufen. In der Finanzkrise ab 2007 wurden daher in vielen Ländern Leerverkäufe von Finanzwerten oder Staatsanleihen untersagt oder eingeschränkt. Als sich die Situation an den Finanzmärkten wieder entspannt hatte, wurde das Verbot wieder aufgehoben. In akuten Fällen griffen die Börsenaufseher aber auch in jüngster Zeit immer wieder ein: Gerade erst untersagte die italienische Börsenaufsicht Leerverkäufe bei den Aktien der Bank Monte dei Paschi. Auch die griechische Börsenaufsicht verbot vergangenes Jahr zeitweise Leerverkäufe mit Aktien von Banken.

Was sind die spektakulärsten Fälle?

Sind Hedgefonds also böse?

Wie kaum ein anderer Spieler an den Finanzmärkten stehen die Hedgefonds für die ungebremste Gier der Geldbranche. Soweit das Klischee. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn Hedgefonds fällt an Märkten auch eine wichtige, sagen wir, hygienische Wirkung zu. Denn oft sind sie es, die verhindern, dass es an den Märkten zu gefährlichen Blasen kommt. Sie machen durch ihre Wetten gegen das Unternehmen und den damit einhergehenden Kursverfall darauf aufmerksam, dass ein Konzern schlecht geführt wird.

Was könnte die deutsche Aufsicht Bafin bei der Deutschen Bank unternehmen?

Freilich: Zuletzt ging es für die Aktien der Deutschen Bank nur abwärts. Auch Hedgefonds verstärkten wohl die Verluste der Aktien, indem sie auf den Kursverfall der Papiere wetteten. Aktuell aber gibt es für die deutsche Aufsicht keinen Grund, sich den Hedgefonds in den Weg zu stellen. Zwar ist das Volumen der leerverkauften Aktien zuletzt gestiegen; aber noch nicht auf ein alarmierendes Niveau. Für den Kursverfall gibt es zudem noch viele andere Gründe. Viele Anleger verkaufen die Aktien der Bank, weil sie fürchten, dass die Wirtschaft nicht mehr so schnell wächst oder die Deutsche Bank kein gut funktionierendes Geschäftsmodell mehr hat. Sollte die Finanzaufsicht Hinweise erhalten, dass Hedgefonds den Markt manipulieren - indem sie zum Beispiel Gerüchte streuen, um die Kurse zu drücken - könnte sie eingreifen. Ebenso, wenn die Leerverkäufe so überhand nehmen, dass die Bank am Ende selbst gefährdet ist, weil sie zum Beispiel kein frisches Kapital mehr bekommt.

Was sind die spektakulärsten Fälle von Leerverkäufen?

Der vielleicht erste Leerverkauf der Geschichte fand 1609 statt. Damals verkaufte der niederländische Händler Isaac Le Maire seine Aktien an der Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC). Die kontrollierte zwar die lukrative Gewürzroute von Indien nach Europa, musste aber wegen Handelsstreitigkeiten mit den Briten ihre Dividendenzahlung aussetzen. Le Maire stieß mehr Aktien ab als er besaß und rief damit die VOC-Führung auf den Plan, die ein Leerverkaufsverbot aussprach.

Der wohl bekannteste Leerverkäufer aber ist David Einhorn. Der Gründer des Hedgefonds Greenlight Capital verkaufte ab Frühjahr 2008 in großem Stil Aktien der US-Investmentbank Lehman Brothers und brachte damit deren Vorstandschef Richard Fuld in Rage. "Ich will ihm das Herz herausreißen und es vor seinen Augen essen, während er noch lebt!", brüllte Fuld vor Mitarbeitern. Er ahnte, dass Einhorn mit seiner Wette richtig lag. Das Ende ist bekannt: Lehman ging pleite, riss die Weltwirtschaft in den Abgrund - und bescherte Einhorn einen Milliardengewinn.

Wo sitzen Hedgefonds?

Oft im Warmen. Zwar haben die Manager ihre Büros in Finanzmetropolen wie New York oder London, aber die Fonds sind meist in Steueroasen angesiedelt, weil dort die Abgaben niedrig und die Regulierungen lasch sind. Die britische Aufsicht erstellt regelmäßig einen Überblick über die Branche. Im jüngsten Bericht heißt es, dass sämtliche Fonds, die vom Königreich aus geführt werden, im Ausland registriert sind, davon mehr als zwei Drittel auf den Kaiman-Inseln. Die Büros in London wiederum befinden sich meist in edlen Stadtteilen wie Mayfair und St James's.

Machen die Fonds immer Profit?

Hedgefonds ziehen in der Regel die klügsten Köpfe der Finanzbranche an. Diese mögen ein sehr gutes Gespür für den Markt haben, doch Hellseher sind sie nicht. Insofern wurden viele der Hedgefonds 2015 überrascht, zum Beispiel weil sie auf steigende Ölpreise setzten. Auch der Anstieg des Schweizer Franken erwischte viele und an den stetig steigenden Aktienmärkten ließ sich nur wenig verdienen. Seit die Kurse aber wieder fallen, wie in den vergangenen Wochen, ist der Jagdeifer wieder geweckt.

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