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Kapitalgeber:Private-Equity-Firmen quetschen ihre Unternehmen aus

Lesezeit: 4 min

Beteiligungsfirmen wie Blackstone oder Silver Lake lassen ihre Unternehmen hohe Schulden anhäufen, um sich das Geld anschließend als Dividende ausschütten zu lassen. Eine riskante Taktik.

Von Ryan Dezember und Matt Wirz, Wall Street Journal Deutschland

Private-Equity-Firmen häufen in rekordverdächtiger Geschwindigkeit Schulden bei ihren Beteiligungen an, um Auszahlungen an sich selbst zu finanzieren. Die Beteiligungsfirmen treibt die Angst um, dass eine Zinsererhöhung der US-Notenbank Fed das Fenster für solche Geschäfte schließen könnte.

Seit Jahresbeginn haben Unternehmen 47,4 Milliarden US-Dollar an neuen Krediten und Anleihen aufgenommen und ausgegeben, um Dividenden an ihre Private-Equity-Eigentümer ausschütten zu können. Das zeigen Zahlen des Datenanbieters S&P Capital IQ. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Anstieg von 62 Prozent. Im vergangenen Jahr schütteten die Firmen 64,2 Milliarden Dollar an die Beteiligungsfirmen aus, seit Erhebung der Daten ein Rekord.

Die Beteiligungsfirmen erwerben Firmen mit einer Mischung aus Bargeld und Schulden, die die gekauften Unternehmen mit ihren erwirtschafteten Gewinnen zurückzahlen sollen. Bei Dividenden-Deals nehmen Firmen in Private-Equity-Besitz mehr Schulden auf, damit sie Dividende an ihre Inhaber ausschütten können. Die Auszahlungen werden letztendlich unter den Investoren der Private-Equity-Firmen verteilt - dazu gehören unter anderem Stiftungen, Pensionsfonds, vermögende Familien und die Geschäftsleitungen der Firmen.

Eigenheimkredit für eine Urlaubsreise

Eine Filiale von Michaels, einem Anbieter für Spezialbedarf von Künstlern und Bastlern. Das Unternehmen hat Anleihen über 800 Millionen Dollar am Markt untergebracht, die als Dividende an die Private-Equity-Eigentümer ausgeschüttet werden.

Die zusätzlichen Schulden, Rekapitalisierung genannt, können laut einer kürzlichen Studie von Moody's Investors Service das Insolvenzrisiko der Unternehmen in Private-Equity-Besitz erhöhen.

Dividendengeschäfte seien vergleichbar damit, wenn man "einen Eigenheimkredit aufnimmt und das Geld dann zur Finanzierung der Urlaubsreise verwendet", sagt Ray Kennedy, Fondsmanager mit Spezialisierung auf Hochzinsanleihen bei Hotchkis & Wiley Capital Management in Los Angeles. Er versuche in der Regel, Dividendendeals zu vermeiden. Um im Bild zu bleiben: "Man nimmt das Geld nicht, um irgendetwas Produktives im Haus zu tun, zum Beispiel einen Raum zu renovieren; man geht einfach los und gibt das Geld aus."

Der Anstieg der Dividendendeals folgt auf den Knick im Anleihegeschäft im Mai und Juni, als die Zinsen nach Fed-Präsident Ben Bernankes Aussagen über ein mögliches Rückfahren des Anleihekaufprogramms, das die Zinsen seit Jahren auf niedrigem Niveau gehalten hat.

Als der Markt sich dann im vergangenen Monat erholte, brachten Private-Equity-Firmen wie Blackstone, Bain Capital and BC Partners eilig neue Deals an den Markt. Damit griffen sie der Möglichkeit vor, dass das Fenster für solch lukrative Transaktionen nicht mehr ewig offen sein wird.

Rund 60 Prozent aller im Juli emittierten Anleihen von Firmen in Private-Equity-Besitz wurden dazu genutzt, Dividenden an die Anteilshalter auszuschütten - das liegt nach Daten von S&P weit über dem diesjährigen Durchschnitt von 14 Prozent (im Monat).

Anfang des Jahres hatten die Eigentümer von MultiPlan, ein Unternehmen, das Tools für das Management von Kosten der Gesundheitsfürsorge anbietet, über ein Dividendengeschäft nachgedacht. Dann kam Bernankes Aussage, und Investoren zogen Milliarden an Dollar aus Fonds ab, die solche "Junk" Bonds kaufen. Mitte Juli kehrte sich dieser Geldstrom jedoch um, und Milliarden Dollar wurden in die sogenannten Hochzinsbond-Fonds gepumpt.

BC Partners und die Private-Equity-Firma Silver Lake, die MultiPlan 2010 für rund 3,1 Milliarden Dollar inklusive Schulden erworben hatte, registrierten die Umschichtung - und schlugen laut Insidern zu. Das Unternehmen hatte kurz nach seinem Aufkauf einen Teil der Schulden abgetragen.

MultiPlan bot Anleihen über 750 Millionen Dollar an. Solche so genannten PIK-Toggles, Anleihen, die für Investoren mit einem höheren Risiko bewertet werden, weil die Zinszahlungen vom Unternehmen unter gewissen Bedingungen aufgeschoben werden können. Obwohl der Bond das niedrigste Rating erhielt, stürzten sich die Investoren auf die Anleihe, und gaben sich mit dem Zins von 8,375 Prozent zufrieden, obwohl dieser niedriger ausfiel als bei ähnlichen Geschäften in der Vergangenheit.

Geschäft innerhalb eines Tages abgeschlossen

MultiPlan schloss das Geschäft innerhalb eines Tages ab und wird den Erlös für die Ausschüttung einer 838 Millionen Dollar hohen Dividende verwenden.

Nur wenige Tage später ging der auf Kunst- und Handwerkszubehör spezialisierte Einzelhändler Michaels Stores mit einer PIK-Toggle-Anleihe über 700 Millionen Dollar an den Markt. Das Ziel: Geld für die Eigentümer Blackstone und Bain auftreiben. Die Emission fand großes Interesse, und das Unternehmen gab sogar Anleihen über 800 Millionen Dollar aus. Die Anleger nahmen einen Zins von 7,5 Prozent in Kauf.

Michaels habe sich während der Krise als belastbar erwiesen, sagen Personen, denen die Denkweise der Eigentümer vertraut ist. Und sogar nachdem die 800 Millionen Dollar neue Schulden den Büchern hinzugefügt wurde, wird der Verschuldungsgrad - also das Verhältnis der Verschuldung zum Gewinn - niedriger ausfallen, als sie nach dem Aufkauf 2006 war.

"Einen PIK-Toggle mit einem Zinssatz von 7,5 Prozent finde ich ein wenig verrückt", sagt John Fraser, Managing Partner bei 3i Debt Management U.S.. Er hat nicht in den Bond investiert. "Es scheint, als ob die Investoren ein bisschen übermütig geworden sind."

Doch der Markt spricht eine andere Sprache - und zeigt, dass es noch weiter nach unten gehen kann. Der Healthcare-Berater IMS Health gab am 1. August PIK-Toggle-Bonds über 750 Millionen Dollar mit einem Zins zu 7,375 Prozent aus, um damit eine Auszahlung an die Eigentümer TPG, Canada Pension Plan Investment Board und Leonard Green & Partners zu finanzieren.

IMS hatte neue Schuldscheine emittiert

Bereits im Oktober hatte IMS neue Schuldscheine emittiert, um an seine Eigentümer rund 1,2 Milliarden Dollar auszuschütten. Obwohl IMS seine Verschuldung damit auf das fast Siebenfache im Verhältnis zum Gewinn vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen nach oben trieb, schrieb Moody's vor wenigen Tagen in einer Research-Notiz, dass der erwartete freie Mittelfluss von rund 150 Millionen Dollar dem Unternehmen "die Möglichkeit gibt - allerdings nicht unbedingt auch den Willen - seine Schulden in bescheidenem Ausmaß abzubauen."

Insgesamt wurden die bislang in diesem Jahr emittierten Schuldpapiere mit einem durchschnittlichen Zins von 8,2 Prozent ausgegeben. Laut den Daten von S&P lag der durchschnittliche Zins im Vorjahr noch bei rund 9,8 Prozent. Zugleich wurde über die Hälfte der dieses Jahr ausgegebenen Dividenden-Bondgeschäfte von S&P mit dem niedrigsten Rating für neu ausgegebene Anleihen bewertet, mit einem Triple-C. Im Vorjahreszeitraum traf es 11 Prozent der Anleihen, sagt die Rating-Firma.

Der Appetit auf die Dividendengeschäfte wird von den Aufkäufern noch befeuert, weil sie selbst auf großen Geldhaufen sitzen und relativ wenig Geld für den Aufkauf von Unternehmen ausgegeben haben.

Obwohl die niedrigen Zinssätze in jüngster Zeit milliardenschwere Aufkäufe ermöglicht haben - zu Zinssätzen, die vergleichbar mit denen von Hypothekenkrediten sind - hat die monatelang anhaltende Aktienrally die Übernahmeziele teurer gemacht. Und das billige Geld habe zu preistreibenden Bieterkämpfen geführt, sagen Geschäftsführer von Private Equity Firmen.

Weniger Übernahmen bedeuteten weniger neue Junkbonds, die bei der Abdeckung der Nachfrage nach hochverzinsten Bondinvestments zu helfen, sagen die Verantwortlichen.

So manche Investoren kaufen PIK-Toggles und andere riskante Papiere auch, weil sie glauben, dass die ausgebenden Firmen angesichts des starken IPO-Marktes wahrscheinlich einen Börsengang planen - oder wieder verkauft werden könnten. Die Investoren sagen, dass in einem solchen Fall der Verkauf der vorher erworbenen Bonds einen kleinen Aufschlag einbringen kann.

Mitarbeit: Melvin Backman

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