Das Schreiben, das ausgewählte Investoren präsentiert bekamen, war eine Seite lang. Das genügte, um das nötige Vertrauen für angeblich tolle Geschäfte mit hohen Renditen zu schaffen. Die Allianz bestätigte einen Versicherungsschutz in Höhe von 100 Millionen Euro; für jeden einzelnen Verstoß bei der "anwaltlichen und steuerlichen Beratung", die der Police zugrunde liege. Wenn einer der führenden Assekuranz-Konzerne notfalls einspringe, sei also alles in Ordnung. Das glaubten Millionäre und Milliardäre, als ihnen vor Jahren die Chance eröffnet wurde, ihr Vermögen mit einem Kapitalanlagefonds aus Luxemburg namens Sheridan zu vermehren. Hinterher war das Geld weitgehend weg.
Was den Investoren verschwiegen worden war: Die Allianz-Police deckte das eigentliche Risiko gar nicht ab. Der gute Ruf des Versicherers war offenbar für dubiose Deals auf Kosten des Fiskus benutzt worden. Diesen Eindruck erweckt das Urteil des Landgerichts Ulm, das der Drogerie-Unternehmer Erwin Müller gegen die Schweizer Bank Sarasin erstritten hat. Darin heißt es, die Bank habe ihrem Kunden Müller "fälschlich" zugesichert, dessen gesamte Einlage sei durch die Allianz gegen Verlust versichert. Zwei Sarasin-Manager hätte dies Müller bei Gesprächen so beschrieben, steht in dem Urteil. Das ist einer der Gründe, weshalb die Bank dem Drogerie-Unternehmer 45 Millionen Euro Schaden ersetzen muss.
Anderen Investoren war von anderen Banken und von Juristen, die ebenfalls solche Fonds vermittelt hatten, die angebliche Allianz-Zusage sogar schriftlich präsentiert worden. Diese Zusage sei den Geldgebern aber "unstreitig falsch" geschildert worden, besagt das Ulmer Urteil. Die Allianz habe allenfalls die steuerliche Beratung solcher Fonds durch Anwälte abgesichert, notierten die Richter. Nicht aber die Fonds selbst. Deshalb hat der Assekuranz-Konzern, mangels Rechtsgrundlage, keinem Geschädigten auch nur einen Cent gezahlt. Auf die falsch dargestellte Allianz-Police war auch ein namhafter Industrieller aus der deutschen Provinz hereingefallen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nicht bei diesem Geschäft. Der Industrielle erzählte Ermittlern aus Nordrhein-Westfalen, die Allianz-Police sei für ihn eine "schlüssige Sache" gewesen. Nämlich eine doppelte Absicherung für lukrative Aktiendeals, sagte der Industrielle als Zeuge aus. Sogar ein früherer Daimler-Manager, der sich um die Aktiengeschäfte des Autokonzerns gekümmert hatte und der von diesem Metier eine Menge versteht, soll auf diese Weise getäuscht worden sein.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und die Staatsanwaltschaft Köln ermitteln wegen des Verdachts, Multimillionäre wie Müller, der Industrielle aus der Provinz, der Investor Carsten Maschmeyer und andere seien mit Fonds wie Sheridan betrogen worden. Weil ihnen nicht erzählt worden sei, worum es da eigentlich gehe. Nämlich um unerlaubte Profite auf Kosten des Fiskus. Und weil die Allianz-Police falsch präsentiert worden sei. Das Ulmer Urteil hilft den Ermittlern. Sie wollen Anwälte, Banker und Fondsbetreiber als mutmaßliche Betrüger vor Gericht bringen.
Als der Fiskus die Geschäfte stoppte, verloren die Geldgeber ihre Einlagen
Die Kriminaler aus NRW waren auch bei der Allianz in München gewesen, um sich deren Police erklären zu lassen. Der Assekuranz-Konzern bietet Anwälten eine Berufshaftpflicht an und kommt für Schäden durch fahrlässiges Handeln auf. Vorsätzliches Handeln gegen Gesetze sei vom "Versicherungsschutz ausgeschlossen", betont die Allianz. Das Risiko, dass der Fiskus die dubiosen Aktiendeals zu seinen Lasten irgendwann durchschaut und den Fonds einen Strich durch deren Rechnung macht, war also mitnichten versichert.
Fonds wie Sheridan hatten sich mit Anwälten zusammengetan. Die Juristen lieferten Gutachten, die eine Erstattung gar nicht gezahlter Steuern rechtfertigen sollten. Die Anwälte wiederum ließen sich ihre Expertisen von der Allianz versichern und gingen, zusammen mit Banken und Fondsbetreibern, bei Investoren mit den Policen hausieren. Als der Fiskus diese Geschäfte stoppte, verloren Müller & Co ihr Geld.
Die Allianz prüft bei solchen Policen unter anderem, ob versicherte Gutachten einen "handwerklich sauberen Eindruck" machen. Bei "Auffälligkeiten" wird der Rechtsschutz schon mal abgelehnt. Der Versicherungskonzern prüft aber nicht die Rechtslage. In diesem Fall hatte ein Allianz-Beschäftigter sich von einem der Fonds-Anwälte dessen Gutachten erklären lassen. Die steuerlichen Details habe er nicht nachvollziehen können, sagte der Versicherungsmann bei den Ermittlern als Zeuge aus. Der Eindruck der Kanzlei sei freilich "tadellos" gewesen.