Cum-Ex-Steuerskandal:Die Tränen des Privatbankiers

Cum-Ex-Steuerskandal: Bei Gericht wird es um die Börsendeals gehen, mit denen Warburg und viele andere Banken den Fiskus um insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben sollen.

Bei Gericht wird es um die Börsendeals gehen, mit denen Warburg und viele andere Banken den Fiskus um insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben sollen.

(Foto: Axel Heimken/picture alliance/dpa)

In einer tränenreichen Aussage zum Cum-Ex-Skandal bestreitet Christian Olearius von der Warburg-Bank alle Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft bleibt hart: Er soll verurteilt werden - und 40 Millionen Euro zahlen.

Von Klaus Ott

Es war eine lange Aussage, und mittendrin konnte der schwerer Steuerdelikte beschuldigte Privatbankier einfach nicht mehr. Christian Olearius, ehedem Chef und nach wie vor Mitinhaber des traditionsreichen Hamburger Geldhauses Warburg, brach in Tränen aus. Sein Anwalt, Peter Gauweiler aus München, übernahm und trug die vorbereitete Erklärung weiter vor. Bis Olearius sich gefasst hatte und selbst wieder vorlesen konnte, was er und seine Verteidigung auf rund 50 Seiten aufgeschrieben hatten.

Abgespielt hat sich diese Szene vor fünf Monaten, Mitte November 2022, im nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt in Düsseldorf. Nach jahrelangen Ermittlungen gegen ihn wegen angeblich schwerer Vergehen im Cum-Ex-Steuerskandal schilderte der hanseatische Kaufmann Olearius seine Sicht der Dinge. Wie die Justiz ihn bereits vorverurteilt habe. Wie die Behörden ihn mit Durchstechereien bloßgestellt hätten. Vor allem dadurch, dass Auszüge seiner Tagebücher über Interventionen beim damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Kanzler Olaf Scholz an die Öffentlichkeit gelangt seien. Und wie doch gerade seine Tagebücher zeigten, dass er nichts Unrechtes getan habe.

Die Staatsanwaltschaft Köln sieht das anders. Sie hat bereits im Juli 2022 auf 375 Seiten Anklage gegen Olearius wegen Steuerhinterziehung in etlichen besonders schweren Fällen erhoben. Der Schaden für den Fiskus soll sich auf fast 280 Millionen Euro belaufen haben. Das Landgericht Bonn hat die Anklage in dieser Woche zugelassen. Bedeutet: Irgendwann in den kommenden Monaten wird der bis dahin spektakulärste Cum-Ex-Prozess beginnen.

Es geht auch um seine Kontakte zu Olaf Scholz

Bei Gericht wird es dann nicht nur um Börsendeals gehen, mit denen Warburg und viele andere Banken den Fiskus um insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben sollen. Indem Aktien mit (also Cum) und ohne (Ex) Dividende so lange im Kreis gehandelt wurden, dass die Finanzbehörden nicht mehr durchblickten. Und eine nur einmal gezahlte Steuer auf die Dividenden mehrmals erstatteten. Faktisch war das Steuerdiebstahl, juristisch gilt das als Steuerhinterziehung.

Außer um die Cum-Ex-Deals von Warburg soll es beim Landgericht Bonn auch um die große Politik gehen, um die Kontakte von Olearius zu Scholz. Die hat der Privatbankier fein säuberlich in seinen Tagebüchern notiert. Als der Hamburger Fiskus 2016 Geld von Warburg haben sollte, sprach Olearius mehrmals bei Scholz vor. Danach lenkte der Fiskus ein. Als das herauskam, geriet Scholz in Bedrängnis. Er bestreitet aber, Einfluss genommen zu haben. Im Hamburger Parlament ist dazu ein Untersuchungsausschuss im Gange. Demnächst gibt es auch einen U-Ausschuss im Bundestag, mit dem die oppositionelle CDU/CSU die Rolle des SPD-Politikers und Kanzlers Scholz ausleuchten will.

Gericht und Bundestag werden sich wohl nahezu zeitgleich mit Olearius und Scholz befassen. Die Sichtweise von Olearius gibt dessen Pflichtverteidiger Bernd Schünemann schon mal so wieder, im Namen aller vier Anwälte: "Unser Mandant hat ganz normal von seinem Petitionsrecht als Bürger Gebrauch gemacht." Im Prozess werde sich zeigen, dass auf Seiten von Olearius bei den Kontakten mit Scholz überhaupt nichts Anstößiges geschehen sei, sagt Schünemann.

So sieht das auch der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler, in seiner Eigenschaft als einer der drei Wahlverteidiger von Olearius. Was zu einer ungewöhnlichen Konstellation führt. In Bonn bei Gericht werden Gauweiler und dessen Anwaltskollegen versuchen, die Gespräche von Olearius in Sachen Cum-Ex mit Scholz als völlig normal erscheinen zu lassen. In Berlin im Bundestag werden Gauweilers langjährige Parteifreunde aus CSU und CDU alles tun, um Olearius und vor allem Scholz einen Skandal anzuhängen.

Die Millionenforderung sei "eklatant rechtsstaatswidrig", sagt die Verteidigung

Im Düsseldorfer Landeskriminalamt hat Olearius wortreich seine Unschuld beteuert. Von Absprachen zu Lasten des Fiskus habe er nichts gewusst. Und auch nichts von Scheinrechnungen. Wirtschaftsprüfer und Finanzbeamte hätten damals alles in Augenschein genommen und für in Ordnung befunden. Und gerade seine Tagebucheinträge zeigten doch, dass er sich keine Sorgen gemacht habe, es könnte irgendetwas illegal sein.

Bei Gericht wird sich zeigen, ob dem so ist. Oder ob die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Köln zutreffen, was zu einer langen Gefängnisstrafe führen könnte. Und es wird sich zeigen, ob der Privatbankier gut 40 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen muss. So viel Geld soll Olearius in jenen Jahren, als Warburg nach Erkenntnissen der Justiz den Fiskus ausgenommen hat, von seiner Privatbank als Gewinnbeteiligung kassiert haben. So steht es in der Anklage - wobei sich die Staatsanwaltschaft um 50 Euro verrechnet haben soll.

Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Einziehung von mehr als 40 Millionen Euro sei "eklatant rechtsstaatswidrig", entgegnet der Pflichtverteidiger Schünemann. Schließlich habe das Bankhaus Warburg bereits 155 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt. Möglich gewesen sei das nur, weil die beiden Haupteigner des Bankhauses, Christian Olearius und Max Warburg, mit ihrem Privatvermögen geholfen hätten. Olearius dürfe nicht doppelt zur Kasse gebeten werden, sagte der Pflichtverteidiger. Er kündigt einen harten Kurs bei Gericht an.

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