Kanada:Grundeinkommen adé

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In Ontario sollten Geringverdiener einen Zuschuss erhalten. Die neue Regierung stoppt das Experiment - nach nur einem Jahr.

Von Vivien Timmler, München

In Kanada wiederholt sich gerade Geschichte. Nach nur einem Jahr wird das vielversprechende Grundeinkommensexperiment in der kanadischen Provinz Ontario gestoppt. 4000 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren, die weniger als 34 000 kanadische Dollar im Jahr verdienen, umgerechnet etwa 22 500 Euro, sollten drei Jahre ein Grundeinkommen erhalten. Sie alle müssen nun umplanen.

Gestartet hatte das Projekt im vergangenen Jahr die damalige liberale Premierministerin Ontarios, Kathleen Wynne. Ihr Ziel war es, herauszufinden, wie sich ein Grundeinkommen auf die Gesundheit und die Ausbildung der Teilnehmer auswirkt. Schon damals war allerdings klar: Sollte es einen Regierungswechsel geben, könnte das Experiment auf der Kippe stehen. Die konservative Partei hatte es im Wahlkampf tunlichst vermieden, Zugeständnisse hinsichtlich des ungeliebten Projekts zu machen. Im Juni siegte sie bei der Wahl in Ontario - und prompt hat der neue konservative Premierminister Doug Ford das Grundeinkommensexperiment gekippt.

Ford verhindert somit in Kanada zum zweiten Mal echte Erkenntnisse aus dem Sozialexperiment. In den Siebzigerjahren fand in der 8000-Einwohnerstadt Dauphin das kanadische Grundeinkommensexperiment "Mincome" statt. Es war das erste Mal, dass eine ganze Stadt ein garantiertes Einkommen beziehen konnte.

Das Experiment hätte etwa 150 Millionen kanadische Dollar gekostet - offenbar zu viel

Genau wie nun in Ontario endete das Experiment vorzeitig durch einen Regierungswechsel. Eine Analyse der gewonnenen Daten fand erst Jahrzehnte später statt. Das Ergebnis: Durch das Grundeinkommen konnten die Gesundheitskosten gesenkt, das seelische und körperliche Wohlbefinden deutlich gestärkt werden.

Genau wie vor 40 Jahren lautet in Ontario der Grund für den vorzeitigen Stopp schlicht: Geld. Schätzungen zufolge hätten sich die Kosten auf etwa 150 Millionen kanadische Dollar belaufen - zu viel, fand die neue Regierung. Man sei der Ansicht, das Grundeinkommen sei "eindeutig nicht die Antwort für Familien in Ontario", so Sozialministerin Lisa Macleod.

Die Reaktionen auf den plötzlichen Stopp des Experiments sind heftig. Die Vorsitzende der größten Oppositionspartei, Andrea Horthwath, nannte die vorzeitige Beendigung "beschämend" und "unverantwortlich". In der Tat stellt sich die Frage, wie die 4000 Empfänger des Grundeinkommens die eingeplanten Zuschüsse kompensieren. Alleinstehende bekamen in dem Jahr umgerechnet bis zu 11 250 Euro, Familien bis zu 15 800 Euro. "Ich bin schockiert", sagt ein Bezieher dem kanadischen Sender CBC, "ich hatte einen Dreijahresplan, und jetzt ist es vorbei."

Erst vor wenigen Monaten hatte auch Finnland bekannt gegeben, dass das Land sein 2017 gestartetes Grundeinkommensexperiment auslaufen lässt. Die Regierung hat den Antrag der Sozialversicherungsanstalt abgelehnt, das Projekt weiter zu finanzieren.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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