Kampf ums Öl in Kanada:Breitseite gegen Saudi-Arabien

Kanadische Ölsande sind ethisch gut, saudisches Öl hingegen schlecht: Das behauptet die Organisation EthicalOil.org in ihren Fernsehspots. Solche Töne sind die Saudis nicht gewohnt - empört setzen sie zum Gegenangriff an.

Bernadette Calonego, Vancouver

Diesen harschen Ton sind die Scheichs von Saudi-Arabien nicht gewöhnt, und dazu kommt er noch von einer erdölfreundlichen Organisation in Kanada. "Wir finanzieren einen Staat, der Frauen das Autofahren nicht erlaubt", ist in einem kanadischen TV-Spot zu hören, der die Zuschauer daran erinnert, dass Nordamerika im vergangenen Jahr über 400 Millionen Fass Öl von Saudi-Arabien kaufte.

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Kanadische Ölsande in der Nähe von Fort McMurray, Alberta. Kanada ist der größte Öllieferant der Vereinigten Staaten.

(Foto: dapd)

Öl aus einem Staat, wo die Zeugenaussage einer Frau nur halb so viel wert sei wie jene eines Mannes und wo sie ohne männliche Erlaubnis das Haus nicht verlassen dürfe. Es sind keine Menschenrechtler, die das arabische Königreich angreifen. Es ist die Organisation EthicalOil.org in Toronto, die den Amerikanern die kanadischen Ölsande als ethisch überlegene Alternative zum Öl aus Saudi-Arabien anpreist.

Ihre TV-Spots, die in Kanada auf den Netzwerken von Oprah Winfrey und Sun News gelaufen sind, haben bei den Saudis einen Nerv getroffen. Als die kanadische Fernsehkette CTV die TV-Spots ebenfalls senden wollte, griffen die Anwälte der saudi-arabischen Regierung ein. Sie drohten CTV mit einer Gerichtsklage, worauf die Fernsehgesellschaft die umstrittenen Anzeigen nicht schaltete. Die Firma Bell Media, der CTV gehört, erklärte, sie wolle den Rechtskonflikt zuerst lösen.

Das führte zu Protesten kanadischer Politiker und zu einem diplomatischen Zwist, auf den Saudi-Arabien noch nicht geantwortet hat. Der kanadische Immigrationsminister Jason Kenney erklärte: "Wir können es nicht leiden, wenn fremde Regierungen direkt oder indirekt kanadischen Sendern oder Medien drohen, wenn sie der Redefreiheit Gehör verschaffen."

Kanada statt Saudi-Arabien

Der Betreiber der Webseite von EthicalOil.org ist der Kanadier Alykhan Velshi, ein ehemaliger Assistent Minister Kenneys. Laut Velshi akzeptiert seine Organisation in Kanada auch Geld von Ölfirmen, nimmt aber keine ausländischen Spenden an. Velshi plant, die TV-Spots auf amerikanische Sender auszudehnen. Das macht die Saudis nervös. Laut der kanadischen Zeitung National Post versuchte die Regierung Saudi-Arabiens auch Druck auf Kanadas Erdölindustrie zu machen und ihre Bedenken wegen der Fernseh-Kampagne anzumelden.

Enorme Reserven im hohen Norden

Im Bereich Öl will Kanada seinen Marktanteil in den USA vergrößern, wo es jüngst zu öffentlichen Demonstrationen von Umweltschützern gegen die Ölsande im Norden der Provinz Alberta gekommen war. Die Kanadier wollen die Amerikaner überzeugen, dass es besser wäre, sie würden ihr Öl von Kanada kaufen als von einem undemokratischen Land wie Saudi-Arabien.

Kampf ums Öl in Kanada: "Wir finanzieren einen Staat, der Frauen das Autofahren nicht erlaubt" - die Organisation EthicalOil.org preist den Amerikanern die kanadischen Ölsande als ethisch überlegene Alternative zum Öl aus Saudi-Arabien an.

"Wir finanzieren einen Staat, der Frauen das Autofahren nicht erlaubt" - die Organisation EthicalOil.org preist den Amerikanern die kanadischen Ölsande als ethisch überlegene Alternative zum Öl aus Saudi-Arabien an.

(Foto: AFP)

Dank der Ölsande hat Kanada nach Saudi-Arabien die größten Reserven. Schon heute verkauft Kanada, der größte Öllieferant der Vereinigten Staaten, doppelt so viel Öl an die Amerikaner wie Saudi-Arabien: Im vergangenen Jahr waren es täglich fast zwei Millionen Fass.

Diese Menge wird noch zunehmen, falls die Keystone-XL-Pipeline von Alberta an die US-Golfküste von der US-Regierung Ende Jahr genehmigt wird. Keith Stuart, Sprecher der Umweltorganisation Greenpeace Canada, sagt, die TV-Kampagne von EthicalOil.org wolle vom eigentlichen Problem ablenken. "Wir sollten uns nicht eine Schlacht liefern, welches Öl moralisch besser ist", sagt er, "sondern von den fossilen Brennstoffen wegkommen."

Die Behauptung, kanadisches Öl sei a priori gut, sei falsch. Kanadische Ölfirmen seien in Ländern mit Menschenrechtskonflikten tätig, wie Nigeria oder Sudan. Außerdem seien die Ölsande die am schnellsten wachsende Quelle von CO2-Emissionen in Kanada. Trotzdem hatte Ottawa die Europäische Union (EU) im vergangenen Jahr gewarnt, Kanada werde vor der Welthandelsorganisation WTO klagen, falls die EU ein Treibstoffqualitätsgesetz einführe, das die Ölsande als speziell schmutzig bewerten würde.

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