General Electric und Alstom:Visionär mit Siegerlächeln

General Electric meeting at Elysee Palace

Hat gut lachen: Jeffrey Immelt , der Chef von General Electric, ist mit seinem Einstieg bei Alstom auf dem besten Weg, sein Unternehmen weiter zu stärken.

(Foto: dpa)

"Besser sein, besser werden, besser handeln": Jeffrey Immelt, Chef von General Electric, will den US-Konzern wieder zu einem reinen Industrieunternehmen machen. Mit dem Einstieg beim französischen Konzern Alstom ist er damit so gut wie am Ziel - und Siemens raus.

Von Nikolaus Piper, New York

Es gab einmal eine Zeit, da wurde Siemens als "Sparkasse mit angeschlossenem Elektroladen" verspottet. Der Spott betraf die Tatsache, dass der Konzern zwar übervolle Pensionskassen hatte, im operativen Geschäft aber vergleichsweise wenig verdiente.

Die Zeiten sind lange vorbei, aber es lohnt sich gerade heute, an den alten Spruch zu erinnern. General Electric, Siemens' großer Konkurrent aus Fairfield im US-Bundesstaat Connecticut, ist tatsächlich zur Hälfte eine Bank - und zwar ganz offiziell. Um die Zukunft zu sichern, möchte GE nun weniger Bank und mehr Industrieunternehmen sein. Das erklärt, wenigstens zum Teil, auch den Bieterkampf mit Siemens um das Energiegeschäft des französischen Alstom-Konzerns - einen Bieterkampf, den General Electric nun aller Voraussicht nach gewonnen hat. Die französische Regierung jedenfalls hat sich am Freitagabend für das Angebot des US-Konzerns ausgesprochen, und das Management von Alstom ist sowieso dafür.

Bei dem Deal geht es um Stromnetze, um Gas und Dampfturbinen, die gut in das Programm von GE passen und die Marktposition des Konzerns stärken. Es geht aber auch um eine lang angelegte Strategie zur Stärkung des industriellen Kerns von GE.

Das Problem lässt sich an einer einfachen Zahl festmachen: Heute kommen nur 55 Prozent der Erträge aus dem Industriegeschäft, den Rest liefert GE Capital, der Finanzarm des Unternehmens. Das ist insofern ein Problem, als GE Capital während der Finanzkrise fast den Konzern in die Luft gesprengt hätte. Auch heute noch handeln die Börsen die Aktie wegen GE Capital mit einem Abschlag, glauben Analysten.

Deshalb soll das Industriegeschäft mit zweistelligen Raten wachsen, bereits 2015 sollen 70 Prozent der Erträge aus der Industrie kommen.

Am Freitag wurde die GE-Aktie mit knapp unter 27 Dollar gehandelt. John Inch, Analyst bei der Deutschen Bank in New York, hatte das Kursziel auf 31 Dollar gesetzt, nachdem das Interesse von GE an Alstom bekannt geworden war.

Im Grunde genommen sind beide Unternehmen zutiefst politisch

GE-Chef Jeffrey Immelt will aber nicht nur kurzfristig Wert für die Aktionäre schaffen. Nicht nur GE, ganz Amerika hat die Vorzüge der Industrie neu entdeckt. Während noch vor Kurzem die Zukunft einer Art Dienstleistungsgesellschaft zu gehören schien, versuchen Unternehmer und Politiker jetzt gezielt, Industriejobs zu schaffen. Viele Unternehmen, darunter auch GE, hoffen, den Vorsprung der USA im Internet für eine neue Industrialisierung zu nutzen. Im "Internet der Dinge" (bei GE heißt das "Industrial Internet") wird herkömmliche Mechanik, zum Beispiel in Triebwerken, mit modernster Software verbunden und interaktiv gemacht.

Für Präsident Barack Obama gehört die Renaissance der Industrie zum Kern seines Wirtschaftsprogramms. Und häufig, wenn Obama die Industrie voranbringen will, ist GE dabei. Konzernchef Immelt stand eine Zeit lang einem Rat für Jobs und Wettbewerbsfähigkeit vor, den Obama 2011 einberufen hatte. Außerdem macht er bei "Change the Equation" mit, einer Initiative für besseren Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften in Amerika.

General Electric lässt sich in vielem mit dem Konkurrenten Siemens vergleichen. Zum Beispiel die Stellung in der Wirtschaft: In der Fortune-Liste der 500 größten Unternehmen Amerikas steht GE an neunter Stelle, Siemens ist in Deutschland die Nummer fünf. Ähnlich wie Siemens hat GE eine riesige Produktpalette: Gasturbinen und Kühlschränke, Ultraschallgeräte und Triebwerke für Flugzeuge, Projektfinanzierungen und Lokomotiven. GE ist das einzige Unternehmen, das seit Einführung des Dow Jones 1896 ohne Unterbrechung in dem Index notiert wird.

Und ähnlich wie Siemens ist GE ein zutiefst politisches Unternehmen. Wer Kraftwerke und Lösungen für die Infrastruktur verkauft, hat es fast immer mit Regierungen als Kunden, als Aufseher zu tun und muss sich darauf einstellen. Gespräche mit hochrangigen Politikern, wie nun auch im Übernahmepoker um Alstom, gehören für ihn zum Alltag. In den USA selbst zählt Immelt zu den ersten Bossen, die sich für eine aktive Politik gegen den Klimawandel engagierten. GE ist Mitglied der US Climate Action Partnership, einem Bündnis von Unternehmen und Umweltgruppen.

Auch Siemens macht bei der Initiative mit. In seinem jüngsten Brief an die Aktionäre schrieb Immelt: "GE ist über ein Jahrhundert lang wettbewerbsfähig geblieben - nicht weil wir perfekt sind, sondern weil wir Fortschritte gemacht haben. Fortschritt bedeutet: besser sein, besser werden, besser handeln." Das ist einerseits amerikanische Manager-Lyrik, es ist aber auch echtes Programm. Der heute 58-jährige Immelt übernahm sein Amt am 7. September 2001, vier Tage vor den verheerenden Terroranschlägen auf New York und Washington. Bei den Anschlägen kamen zwei GE-Mitarbeiter ums Leben. Das Unternehmen hatte einen hohen dreistelligen Millionenbetrag an Versicherungsschäden und einen Einbruch im Geschäft mit Flugzeugtriebwerken zu verkraften.

Heute wirbt GE mit dem Slogan "Wir sind das GE in Germany"

Immelt stand lange im Schatten seines Vorgängers Jack Welch, der als knallharter Kostensenker berühmt wurde und bis heute einflussreicher Kommentator im Fernsehen und im Internet ist. Immelt trat im Vergleich zu Welch konzilianter und kooperativer auf und galt daher als entscheidungsschwächer. Inzwischen steht er unangefochten an der Spitze des Unternehmens. Er forciert den schnellen Wandel im Management und internationalisiert den Konzern. Als er sein Amt antrat, wurden 70 Prozent der GE-Umsätze in Amerika erwirtschaftet, heute kommen 70 Prozent aus dem Ausland. Vor allem Schwellenländer wie Indien, Brasilien und China trugen das GE-Wachstum zuletzt.

Eine besondere Beziehung hat GE von jeher zu Deutschland. "Wir sind seit über 100 Jahren hier", sagen PR-Leute des Unternehmens gerne. Genau genommen war GE im Deutschen Reich schon aktiv, noch ehe es 1892 in Connecticut gegründet wurde. Im Jahr 1883 erwarb der deutsche Unternehmer Emil Rathenau von dem genialen Erfinder und GE-Gründer Thomas Alva Edison die Rechte für die Patente an der Glühbirne. Damit gründete er die Deutsche Edison-Gesellschaft in Berlin. Aus ihr wurde die AEG, bis zum Untergang Mitte der 1980er-Jahre der wichtigste einheimische Konkurrent für Siemens.

Heute wirbt GE mit dem Slogan "Wir sind das GE in Germany". 2004 wurde ein Forschungszentrum in Garching bei München eröffnet. Insgesamt hat der Konzern 7500 Mitarbeiter in Deutschland. Ein wichtiger Faktor beim Engagement in Deutschland ist, meist unausgesprochen: die Tatsache, dass eben hier der Konkurrent Siemens sitzt.

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