Kampf gegen Steuerhinterziehung:Es lebe die Selbstanzeige

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Das Bankgeheimnis der Schweiz wird löchriger, die Institute wollen weg von ihrem Hehlerimage (im Bild: ein Passant spiegelt sich in einem Fenster vor dem Hauptquartier der Credit Suisse in Zürich) (Foto: Bloomberg)

Gäbe es die Selbstanzeige nicht, man müsste sie erfinden. Die Steuerfahnder könnten Jahrzehnte ermitteln, auf ein so beeindruckendes Ergebnis würden sie nicht kommen. Trotz aller berechtigter Empörung über das Instrument "für die reichen Bonzen" darf eine Verschärfung nicht zu drastisch ausfallen.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

In diesen Tagen dürfte eine ganze Reihe von Unternehmern, Freiberuflern, Immobilienbesitzern, Managern - wenn man so will: Kapitalisten - recht wehmütig an den sozialdemokratischen Finanzminister Hans Eichel zurückdenken. Ihr Grübeln wird im Konjunktiv kreisen: "Hätte ich doch . . . Wär' ich lieber mal . . . Warum hab' ich damals nicht die Möglichkeit genutzt, mich straffrei ehrlich zu machen? Jetzt droht der Knast." Fast könnte man Mitleid empfinden.

Aber nur fast.

Ausgerechnet der SPD-Mann Eichel hatte den "Steuersündern" mit Depot im Ausland eine großzügige Möglichkeit geboten, reinen Tisch zu machen. Man musste einen Teil seiner Steuern zahlen, blieb dabei aber anonym und straffrei. Es war eine Geste der ausgestreckten Hand. Sie wurde zum Desaster. Kaum jemand nahm das Angebot an. So sicher wähnten die Steuerhinterzieher sich und ihr Geld hinter der undurchdringlich scheinenden Mauer des Schweizer Bankgeheimnisses, dass sie auf Eichels Geste spuckten.

Hierzulande lebt es sich immer ungemütlicher mit Schwarzgeld

Aus. Vorbei. Wer heute noch verniedlichend vom Steuersünder spricht, hat den Schuss nicht gehört. Das Bankgeheimnis der Schweiz wird löchriger, die Institute wollen weg von ihrem Hehlerimage, und hierzulande lebt es sich immer ungemütlicher mit Schwarzgeld im Depot.

Insbesondere der Fall des Bayern-Managers Uli Hoeneß und die Aussicht, aus Geldgier Jahre in einer kleinen Zelle verbringen zu müssen, treibt die Hinterzieher unter Schmerzen in die Legalität. Außer im Osten des Landes können sich Steuerberater und -anwälte vor Anfragen nach Selbstanzeigen kaum noch retten. Die Finanzämter verzeichneten in den ersten drei Monaten 2014 dreimal so viele Anzeigen wie im Vorjahreszeitraum - und damals waren es schon viele. Tendenz steigend.

Gäbe es die Selbstanzeige in Deutschland nicht, man müsste sie erfinden

Der Staat hat seit dem Ankauf der ersten Steuer-CD mehr Geld über die Selbstanzeige eingenommen als mit Eichels Amnestie. Die Kombination aus internationalem Druck, einem etwas ruchlosen Vorgehen des Staates und dem Angebot der Straffreiheit funktioniert offenkundig um einiges besser als eine Politik der ausgestreckten Hand.

Gäbe es die Selbstanzeige nicht, man müsste sie erfinden. Die Finanzverwaltung könnte Jahrzehnte ermitteln, auf ein so beeindruckendes Ergebnis würde sie nicht kommen. Dazu fehlen das Personal und die technischen Möglichkeiten. Auch setzt der Datenschutz den Mitarbeitern berechtigte Grenzen, jedenfalls was die Routinekontrolle angeht.

Trotzdem ist die Selbstanzeige in einen schlechten Ruf gekommen, gerade weil prominente Steuersünder wie Hoeneß oder die Emma-Verlegerin Alice Schwarzer sich entschieden, ihr Auslandsvermögen über diesen Weg wieder reinzuwaschen; bei Hoeneß blieb es beim Versuch. Unausgesprochen schwingt in der Empörung der Verdacht mit, den Bonzen werde es mit der Selbstanzeige leicht gemacht, während der Staat den Durchschnittssteuerzahler beim kleinsten Anlass am Schlafittchen packt.

Es muss möglich sein, sich unfallfrei anzuzeigen

Die Haftstrafe gegen Hoeneß sollte eigentlich diesen Eindruck widerlegt haben. Wer noch nicht überzeugt ist, sollte sich die Großzügigkeit ansehen, die der Fiskus walten lässt, wenn es um die Alltags-Steuerhinterziehung an den Registrierkassen, bei der Schwarzarbeit und bei absetzbaren Handwerker-Rechnungen geht. Der Prozentsatz der ehrlichen Steuerbürger dürfte recht klein sein.

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Das ist beileibe kein Wunder. Denn im Kern geht es darum, dass der Steuerzahler keine große Lust hat, dem Staat von seiner sauer verdienten Kohle etwas abzugeben. Der Staat wiederum hat ein Interesse daran, trotzdem an das Geld zu kommen, weil er damit wichtige öffentliche Ausgaben finanziert, und weil er nicht zulassen darf, dass der Ehrliche mehr bezahlen muss als der Steuerhinterzieher.

Der Staat braucht Geld, und er muss einen Weg finden, es möglichst effizient einzusammeln. Darum geht es und nicht um bloßes Lamentieren. Und weil das so ist, gilt auch der Satz des rheinland-pfälzischen Finanzministers Carsten Kühl (SPD), der volle Kassen als wünschenswerter bezeichnet hat als volle Knäste.

Diese Erkenntnis sollten sich die deutschen Finanzminister vor Augen halten, wenn sie sich daranmachen, die Selbstanzeige zu verschärfen. Es kann nicht darum gehen, das Instrument so auszugestalten, dass die reuigen Steuerhinterzieher gar nicht mehr auf die Idee kommen, sich auf diese Weise ehrlich zu machen. So darf die Strafe nicht unverhältnismäßig ausfallen. Vor allem aber muss es möglich sein, sich unfallfrei anzuzeigen. Keinesfalls darf die Selbstanzeige mit so vielen Fallstricken ausgestattet sein, dass es für den Selbstanzeiger immer nur schlecht ausgehen kann.

© SZ vom 16.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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