Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Schuldenkrise:EU will strikten Sparkurs stoppen

In den Krisenstaaten leiden die Menschen - doch die Bundesregierung will weiter sparen. Den Krisenmanagern der EU reicht es jetzt. Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionschef Barroso fordern, endlich das Wachstum mehr zu fördern.

Die Spitzen der EU wenden sich von der deutschen Krisenstrategie ab. Die Bundesregierung tritt für einen strikten Sparkurs der Schuldenstaaten ein, den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einmal so zusammengefasst hat: "Short term pain, long term gain", kurzfristiger Schmerz zahle sich langfristig aus. Doch von diesem Mantra distanziert sich nach EU-Währungskommissar Olli Rehn und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso jetzt auch Ratspräsident Herman Van Rompuy.

Denn die Krisenstaaten stecken seit Jahren in der Misere - die Arbeitslosigkeit und die Verzweiflung der Bevölkerung steigen und steigen. Jeder Achte war in der Euro-Zone zuletzt ohne Job, ein trauriger Rekord.

Diese Probleme hat nun Van Rompuy in einer Rede angeprangert (PDF). "Wir brauchen mehr sofortige Maßnahmen, die direkt Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln", sagte Van Rompuy in Brüssel. "Die Geduld neigt sich verständlicherweise dem Ende. Die Dinge gehen nicht schnell genug voran." Die Wirtschaftskrise löse vor allem bei jungen Menschen das Gefühl aus, dass ihr Leben stillstehe.

Zudem forderte Van Rompuy, dass die Bankenunion innerhalb der bestehenden Verträge umgesetzt werden kann - ein weiterer Affront für Berlin. Schäuble hatte zuletzt betont, dass eine Vertragsveränderung nötig sei, um die Bankenunion umzusetzen. Das ist jedoch sehr riskant und würde den Prozess wohl Jahre hinauszögern. Van Rompuy möchte das Projekt schneller umsetzen.

Zuvor hatte bereits EU-Kommissionspräsident Barroso erklärt, dass das Ende der Sparpolitik erreicht sei. "Einerseits ist dieser Kurs meiner Meinung nach richtig, gleichzeitig hat er aber auch seine Grenzen erreicht", sagte er (PDF). Erfolgreiche Politik brauche ein Minimum an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung - die sieht der Kommissionspräsident offenbar nicht mehr. In seiner Rede stellte Barroso in Aussicht, dass einige Länder in Zukunft mehr Zeit bekommen könnten, um ihr Defizit unter die eigentlich vorgeschriebene Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Allerdings müssten die Finanzminister jeder Veränderung des Zeitplans zustimmen.

Am Montag hatte die europäische Statistikbehörde Eurostat die aktuellen Verschuldungszahlen der Mitgliedsstaaten veröffentlicht, die zeigten, dass die vom europäischen Sparkurs betroffenen Länder wie Griechenland oder Portugal sich langsamer erholten als erwartet.

Am Wochenende hatte bereits Kommissar Olli Rehn auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington deutlich gemacht, dass Europa nicht weiter einen reinen Sparkurs fahren könne. "Da wir das Vertrauen kurzfristig wiederhergestellt haben, eröffnet sich uns jetzt mittelfristig die Möglichkeit für eine ruhigere Gangart bei den Fiskal-Reformen", sagte er.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich von der Kritik aus Brüssel unbeeindruckt. "Wenn wir die Politik der Haushaltskonsolidierung aufgeben würden, wenn wir zurückfallen würden in die alte Politik des Schuldenmachens, dann zementieren wir Massenarbeitslosigkeit auf viele Jahre in Europa", sagte Westerwelle. "Wachstum und Konsolidierungspolitik sind zwei Seiten derselben Medaille."

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