Es wäre wohl besser gewesen, der 14-Jährige hätte all seinen Freunden CDs geschenkt. Stattdessen speicherte er die Songs auf seinem Computer und gab sie zum Herunterladen über das Internet frei.

Nun droht seiner Familie eine Klage der amerikanischen Musik-Industrie, die 150.000 Dollar Schadenersatz für jedes der acht Stücke verlangen könnte, die sie auf der Festplatte des Jugendlichen entdeckt hat.
Seine ältere Schwester fürchtet nach Berichten der New York Times bereits, den Eltern könne nach einer Verurteilung das Geld für ihren College-Besuch fehlen.
Der 14-Jährige, der irgendwo im Südwesten der USA lebt, ist einer von etwa 1000 Nutzern von Tauschbörsen wie Kazaa oder Morpheus, gegen welche die Musikindustrie gerichtlich vorgeht.
Ihr Branchenverband RIAA hat vor einem Monat exemplarisch das Recht erstritten, die Klarnamen zu den oft kryptischen Nutzerkürzeln von Surfern zu erfahren, die Musik illegal zum Herunterladen anbieten.
"Die Leute sollen wissen, dass sie ein Risiko eingehen, wenn sie eine beträchtliche Zahl von Dateien zum Kopieren bereitstellen", sagte RIAA-Präsident Cary Sherman.
Die Organisation weigert sich aber, das Wort "beträchtlich" näher zu erklären.
Gegen Deutsche, die Songs in Tauschbörsen anbieten, kann die Musik-Industrie jedoch nicht so einfach vorgehen: Internet-Provider dürfen die Namen ihrer Kunden nicht nennen, wenn es um zivilrechtliche Ansprüche geht.
Dann bleibt nur der Umweg über den Staatsanwalt: Grundlage ist das Urheberrecht, das für eine "Verwertung ohne Einwilligung des Berechtigten" bis zu drei Jahre Gefängnis androht.
Strafanzeige hat der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft aber erst in einigen Fällen erstattet, in denen es um illegale Download-Seiten mit Tausenden von Songs ging.
Die zivilrechtliche Klage auf Schadensersatz würde sich dann anschließen: Vor einer Woche hat die Musikindustrie ein solches Verfahren vor dem Landgericht München gewonnen.
Die deutsche Musikindustrie muss aber nicht unbedingt neidisch über den Atlantik schauen. Die Einschüchterungstaktik der RIAA könnte nach hinten losgehen.
Zwar ist die Zahl der Tauschbörsen-Nutzer nach der Klagedrohung von 6,5 auf 5,5 Millionen pro Woche gesunken. Doch die Menschen, die jetzt mit einer Klage rechnen, entsprechen nicht dem Klischee vom Computerfreak mit mangelnder Gesetzestreue: Es sind Jugendliche darunter und Familienväter, die Geburtstagsständchen für ihre Kinder suchten.
Weil die Klagen juristisch nahezu wasserdicht sind, "wird die RIAA jede Schlacht gewinnen", sagte Michael Goodman vom Beratungsunternehmen Yankee Group. "Aber sie wird den Krieg verlieren."
Spätestens dann, wenn Betroffene Politiker einschalten und lautstark gegen die Verfolgung protestieren. Er freue sich schon, "wenn die RIAA zum ersten Mal auf das Kind eines Abgeordneten oder Senators stößt".
Ein Indiz für die sich anbahnende Image-Schlappe kursiert schon im Netz: Unbekannte haben die Schnulze "We are the world" umgedichtet. Dutzende Künstler hatten das Lied 1985 aufgenommen, um den Hunger in Afrika zu bekämpfen.
Mit neuem Text wird es als Hymne der RIAA bezeichnet: "Sue all the world, sue all the children". Verklag' die ganze Welt, verklag' alle Kinder.