Schuldenkrise:Italien beschließt schmerzhafte Einschnitte

Druck von der Europäischen Zentralbank und den Finanzmärkten zwingt Italien zu weiteren Sparmaßnahmen: Das Parlament in Rom verabschiedete in einer Sondersitzung im Eiltempo ein neues Sparpaket in Höhe von über 45 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre. Die Staatsverschuldung des Landes erreichte indes einen neuen Rekordwert.

Auf Druck der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Finanzmärkte zieht Italiens Regierung die Sparschraube fester an: Das Kabinett beschloss am Freitagabend in einer Sondersitzung ein Paket aus Kostensenkungen und Steuererhöhungen im Volumen von 45,5 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre. Damit will das hoch verschuldete Mittelmeerland bereits 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, wie Ministerpräsident Silvio Berlusconi ankündigte. "Uns schmerzt es selbst, dass wir diese Schritte umsetzen müssen", sagte Berlusconi. Gleichzeitig erneuerte Italien seinen Ruf nach Eurobonds.

Italy's Economy Minister Giulio Tremonti talks with Italian Prime Minister Silvio Berlusconi during a news conference at Chigi palace in Rome

Italiens Wirtschaftsminister Giulio Tremonti (links) erläutert das neue Sparpaket der italienischen Regierung gemeinsam mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Rom.

(Foto: REUTERS)

Presseberichten zufolge hat EZB-Präsident Jean-Claude Trichet Berlusconi zu einem schnelleren Defizit-Abbau gedrängt. Die Zentralbank hatte nach Angaben von Händlern dem Land mit Anleihe-Käufen unter die Arme gegriffen.

Das Paket sieht für 2012 Sparschritte im Volumen von 20 Milliarden Euro vor, im darauffolgenden Jahr sind es 25,5 Milliarden Euro. Der Umfang zeigt, wie stark Italien zuletzt unter Druck geraten ist. Die Finanzmärkte nahmen das Land zuletzt ins Visier. Die Refinanzierungskosten stiegen und schürten damit Befürchtungen, dass Italien ein Rettungspaket der europäischen Partner benötigen könnte.

Das neue Sparprogramm sieht zahlreiche verschiedene Schritte vor, um die öffentlichen Finanzen zu stärken. So wird eine Solidaritätssteuer für Besserverdiener eingeführt. Sie soll für Italiener mit einem Jahreseinkommen über 90.000 Euro bei fünf Prozent liegen. Bei einem Einkommen über 150.000 Euro werden zehn Prozent verlangt. Die Steuer auf Finanzerträge steigt auf 20 Prozent von derzeit 12,5 Prozent.

Zudem wird die langsame Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen in der Privatwirtschaft bereits für 2016 ins Visier genommen und nicht erst für 2020. Ferner sollen alle nicht-religiösen Feiertage wie der Nationalfeiertag an Sonntagen begangen werden, um zusätzliche Arbeitstage zu schaffen. Nach Worten des italienischen Arbeitsministers Maurizio Sacconi wird zudem das Arbeitsrecht reformiert. Ziel ist demnach eine Flexibilisierung der bislang zumeist zentral geregelten Arbeitsverträge.Die Änderung des Arbeitsrechts war eine Schlüsselforderung der EZB.

Langfristig ist ferner eine weitreichende Verwaltungsreform geplant: 34 von 110 Provinzregierungen sollen abgeschafft und Stadträte fusioniert werden. In Regionen, Provinzen und Kommunen ist ein Abbau von bis zu 50.000 Stellen vorgesehen. Dafür gab Berlusconi keinen Zeitrahmen an.

Schlusslicht in der Euro-Zone

Die geplanten Maßnahmen ergänzen einen Mitte Juli von Italiens Parlament verabschiedeten ersten Dreijahresplan mit einem Sparvolumen von 48 Milliarden Euro. Das hochverschuldete Land will bereits im Jahr 2013 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Nach Angaben von Finanzstaatssekretär Luigi Casero könnte das neue Sparpaket möglicherweise bereits Anfang September in Kraft treten.

Um die Finanzmärkte zu beruhigen, hatte Italien gemeinsam mit weiteren europäischen Staaten zuvor ein Verbot von Leerverkäufen für Finanzaktien in Kraft gesetzt, das zunächst für die kommenden beiden Wochen gelten soll. Insgesamt wurden in dem Land 29 Finanzinstitute mit dem Verbot belegt.

Am Samstag erneuerte die italienische Regierung zudem ihren Ruf nach Eurobonds. Gemeinsame europäische Anleihen seien das beste Mittel zur Bewältigung der Schuldenkrise in der Euro-Zone, die Gefahr laufe auf andere Länder überzuschwappen, sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. "Eine bessere Verflechtung und Konsolidierung der Staatsfinanzen ist in Europa nötig", sagte Tremonti. Auch Großbritanniens Finanzminister George Osborne sprach sich für eine stärkere Verzahnung der öffentlichen Finanzen in der Euro-Zone aus. Eine Einheitswährung sei ohne einheitliche Haushaltspolitik schwer möglich, sagte er in einem Interview des Radiosenders BBC.

Wie die italienische Notenbank mitteilte, erreichte die Staatsverschuldung des Landes jetzt einen neuen Rekordwert. Demnach wuchs sie im Juni um 4,9 Milliarden Euro an und überschritt erstmals die Marke von 1,9 Billionen Euro. Sie liegt damit weiter bei etwa 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Probleme bereitet Italien das geringe Wirtschaftswachstum. In den letzten zehn Jahren hatte die Wirtschaft im Schnitt weniger als 0,3 Prozent im Jahr zugelegt. Damit ist Italien Schlusslicht in der Euro-Zone.

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