Wer sich noch unsicher war, welchen Stellenwert Donald Trump dem UN-Klimagipfel einräumt, der kommende Woche in New York stattfindet, der sieht jetzt klarer: wohl keinen. Wenige Tage vor Beginn des Treffens, bei dem er selbst zu den Staats- und Regierungschefs der Welt sprechen wird, teilte der US-Präsident am Mittwoch mit, der Bundesstaat Kalifornien dürfe nicht länger strengere Umweltstandards für Autos vorgeben als jene, die auf Bundesebene gelten. Durch seinen Beschluss würden Autos billiger und sicherer sowie Arbeitsplätze geschaffen. Größere Folgen für die Umwelt erwarte er dagegen nicht. Firmen, die nicht mitzögen, seien dem Untergang geweiht, so Trump weiter.
Der Westküsten-Bundesstaat besitzt seit 1970 eine Ausnahmegenehmigung, eigene Höchstwerte für den Schadstoffausstoß von Pkw und eine Reihe weiterer umweltbelastender Emissionen festzulegen. Weil sich Kalifornien selbst als Vorreiter in Sachen Klimaschutz sieht, sind die Vorgaben in aller Regel erheblich anspruchsvoller als die bundesweiten. Für die kommenden Jahre sind weitere drastische Verschärfungen geplant. Da 13 weitere Bundesstaaten die kalifornischen Standards in der Regel übernehmen, haben die Entscheidungen der Parlamentarier in Sacramento nicht nur regionale, sondern nationale Bedeutung: De facto ist es Kalifornien, das die Marschrichtung in den USA vorgibt.
Trump ist das gleich in mehrfacher Hinsicht ein Dorn im Auge. Der Präsident, der ungeachtet aller wissenschaftlichen Belege wiederholt bezweifelt hat, dass es so etwas wie einen von Menschen gemachten Klimawandel überhaupt gibt, will die Umweltauflagen für die Autoindustrie nicht weiter verschärfen, sondern im Gegenteil möglichst lockern. Offiziell argumentiert er mit der Verkehrssicherheit: Weil schadstoffärmere Autos wegen der nötigen Technik immer teurer und schwerer würden, so die Behauptung, könnten sich viele Kunden keinen Neuwagen leisten und führen deshalb ihre alten, die Umwelt belastenden Pkw weiter. Zugleich müssten die Hersteller Gewicht sparen, was die Karosserie brüchiger und das Auto unsicherer mache. Wenn es einen Unfall gebe, so Trump jüngst bei einer Rede vor Anhängern, dann wolle er in einem Pkw sitzen, "der einem Armee-Panzer so nahe wie nur irgend möglich kommt". Energieeffiziente Wagen dagegen würden "aus Pappmaché gefertigt".
Darüber hinaus verfolgt der Präsident mit der Lockerung von Öko-Auflagen noch drei weitere Ziele. Zum einen baut er "überflüssige" Regularien für die Wirtschaft ab, wie er es im Wahlkampf 2016 immer wieder versprochen hatte. Zweitens kann er den überwiegend liberalen, öko-bewussten Kaliforniern, die seit fast 30 Jahren stets für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten stimmen, zeigen, was er von ihnen hält. Und drittens schließlich setzt er seine beinahe manischen Versuche fort, zentrale politische Entscheidungen seines Amtsvorgängers Barack Obama rückabzuwickeln und dessen Vermächtnis möglichst komplett auszulöschen. Nachdem ihm das bei der Gesundheitsreform nicht gelungen war, ist nun die Umweltpolitik dran, denn Obama war gewissermaßen den umgekehrten Weg gegangen wie er, Trump: Nicht die Kalifornier sollten ihre Umweltstandards an die des Bundes anpassen, sondern tendenziell umgekehrt.
Der legendäre Henry Ford würde sich "im Grab umdrehen", schimpft Trump
Das Interessante am Beschluss des Präsidenten ist, dass die Autoindustrie keineswegs so begeistert auf das Geschenk aus dem Weißen Haus reagiert, wie man vielleicht annehmen könnte. Zwar hatten einige Firmen tatsächlich geklagt, dass die Vorgaben für den Spritverbrauch und damit den Schadstoffausstoß wegen der Gesetze aus der Obama-Zeit bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein immer weiter verschärft werden sollen. Die Uhr zurückdrehen aber wollen die Konzerne auch nicht. Zum einen mag kein Hersteller Pkw verkaufen, die dem neuesten Stand der Technik wissentlich deutlich hinterherhinken. Und zum anderen wollen die Firmen einzelne Modelle ja exportieren und müssen deshalb ohnehin die strengen Umweltvorschriften etwa der Europäischen Union einhalten.
Aus exakt diesem Grund hatten jüngst vier in den USA tätige Hersteller - Ford, Honda, VW und BMW - eine freiwillige Vereinbarung mit den kalifornischen Behörden beschlossen, die eine weitere schrittweise Senkung des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs gemäß Obamas Vorgaben vorsieht. Trumps Versuche, die Gesetze seines Vorgängers zu kippen oder zumindest zu unterlaufen, wurden dadurch konterkariert. Entsprechend wütend reagierte er: Legendäre Firmengründer wie Henry Ford würden sich "im Grab umdrehen", wenn sie wüssten, wie "dämlich" und "verrückt" die schwache Managergeneration von heute sei, wetterte der Präsident.
Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom kündigte derweil an, sich mit allen Mitteln gegen Trumps Pläne zu wehren. Man werde "niemals auf eine Erlaubnis aus Washington warten, wenn es darum geht, die Gesundheit und die Sicherheit von Kindern und Familien zu schützen". Statt von Kalifornien zu lernen, nehme der Präsident "politisch Rache", klagte Newsom, wobei er den Mafia-Begriff der "Vendetta" verwendete. Generalstaatsanwalt Xavier Becerra warf dem Weißen Haus vor, sich an die Vergangenheit zu klammern, obwohl der Bau umweltfreundlicher Autos möglich, sinnvoll und wissenschaftlich begründet sei. "Wir sind bereit, für eine Zukunft zu kämpfen, die Sie offensichtlich nicht in der Lage sind zu sehen", sagte er an Trump gerichtet. "Wir sehen uns vor Gericht, sollten Sie sich uns in den Weg stellen."
Auch Trump allerdings bedient sich bereits juristischer Mittel: Er hat das Justizministerium angewiesen zu prüfen, ob die Vereinbarung zwischen den vier Autobauern und Kalifornien nicht eine unzulässige Kartellabsprache darstellt. Die vermeintlichen Beweise allerdings, die das Ministerium bisher als Beleg für diese These gesammelt habe, so schrieb jüngst die Los Angeles Times, seien "so trübe wie die Luft in Los Angeles im Jahr 1960".