Terminkalender:So arbeitet ein EZB-Chef

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Hatte in zweieinhalb Jahren etwa 600 Termine in seinen Kalender eingetragen. EZB-Präsident Mario Draghi. (Foto: AFP)
  • Eine Untersuchung der Kalender des EZB-Führungspersonals zeigt, wie oft die Direktoren Termine haben - und mit wem.
  • EZB-Präsident Draghi hatte 601 Termine in etwa zwei Jahren - die Direktoren der US-Notenbank Fed haben doppelt so viele.
  • Neben Kollegen aus den USA und Großbritannien treffen die EZB-Direktoren erstaunlich viele Banker aus ihrem jeweiligen Heimatland - was eigentlich verpönt ist.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In der Welt der Bosse gibt es wenig Freizeit. Dieser Eindruck entsteht, wenn man hört, was in diesen Kreisen zum Thema Stress so erzählt wird. Für manche ist der volle Terminkalender Ausdruck ernsthafter Pflichterfüllung, andere offenbaren da vielleicht auch ihren Hang zur Selbstüberschätzung. Wie es die Europäische Zentralbank hält, kann man einsehen. Die Institution veröffentlicht mit dreimonatiger Verzögerung die Terminkalender ihres geschäftsführenden Direktoriums. Volker Nitsch, Professor für Volkswirtschaft an der TU Darmstadt, hat langjährige Kalenderdaten der sechs führenden EZB-Notenbanker analysiert. Er wollte wissen: Was machen Draghi und Co. den lieben langen Tag?

Nun, sie treffen Banker, meist aus Großbritannien und den USA. Das erscheint nachvollziehbar, denn dort liegt das Zentrum der internationalen Finanzwirtschaft. In Europa führen die Notenbanker viele Gespräche mit Politikern, meist aus den großen EU-Staaten Deutschland und Frankreich. Bemerkenswert ist die Nähe zu den eigenen Landsleuten. Illustrativ formuliert: "Der Italiener Mario Draghi trifft vergleichsweise häufig italienische Banker und Politiker, der Franzose Benoît Cœuré vergleichsweise häufig Franzosen", sagt Nitsch. Viele Treffen mit der eigenen Landsmannschaft also - ziemt sich das für eine europäische Institution? "Eigentlich ist das in der EZB, wie auch in anderen europäischen Institutionen, verpönt", urteilt Nitsch. Zur Ehrenrettung könnte man einzig anführen, dass die EZB-Direktoren natürlich in ihren Heimatländern die meisten Kontakte haben und dort auch viele Medienverpflichtungen wahrnehmen.

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Wie viel arbeiten sie denn nun, die sechs EZB-Direktoren? Nitsch untersuchte den Zeitraum Mitte 2014 bis Ende 2016. Diese Periode hat er mit Bedacht ausgewählt. Bis 2015 waren die Terminkalender der EZB-Direktoren noch geheim. Erst der erfolgreiche Antrag der Financial Times nach dem Informationsfreiheitsgesetz schaffte einen ersten Einblick in das Herz der geldpolitischen Arbeitsplanung. So erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit damals, dass EZB-Direktoren kurz vor und sogar während wichtiger Notenbanksitzungen Treffen mit Vertretern der Finanzwirtschaft anberaumt hatten.

"Auffallend war, dass die EZB-Direktoren deutlich weniger Termine in ihre Kalender eingetragen haben, nachdem die EZB sich dazu bereit erklärt hatte, die Einträge zu veröffentlichen", sagt Nitsch. Über den Grund der plötzlichen Zurückhaltung lässt sich trefflich spekulieren. Gab es plötzlich weniger Arbeit? Oder möchte die EZB nicht alles preisgeben? Die Notenbank wollte sich zur Studie des Wissenschaftlers nicht äußern.

Bei der US-Notenbank Fed haben die Direktoren mehr Termine

Insgesamt folgt die EZB-Chefetage dem Arbeitsmuster vieler leitender Angestellter. Von Januar bis Juli gibt es sehr viele Termine, im August flaut es jäh ab, denn dann sind Ferien. Der Wochenrhythmus der EZB-Chefetage sah in den untersuchten zwei Jahren durchschnittlich so aus: Es fing gemächlich an mit relativ wenigen Terminen am Montag. Am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag war der Plan deutlich voller. Das Pensum an den Freitagen nahm das Entspannungswochenende schon vorweg. An Samstagen und Sonntagen hatte die EZB-Chefetage in den zwei Jahren rund 200 Termine eingetragen. Bei 104 Wochenenden entspricht das jeweils knapp zwei Terminen - verteilt auf sechs Direktoren. Insgesamt hatte EZB-Präsident Mario Draghi in dem ganzen Untersuchungszeitraum 601 Termine eingetragen, sein Direktoriumskollege Cœuré brachte es auf 971.

Ist das viel? Es kommt darauf an, womit man die Daten vergleicht. "Bei der US-Notenbank Fed haben die Direktoren im Schnitt drei bis fünf Einträge pro Tag, bei den EZB-Direktoren sind nur einer bis zwei", sagt Nitsch. Aus alledem sollte man aber keinesfalls ableiten, dass die EZB-Direktoren möglicherweise weniger arbeiten würden, denn: "Es gibt bei der EZB kaum Einträge zu internen Meetings, etwa mit den Fachabteilungen - die US-Notenbank führt diese auf." Die US-Kollegen sind einfach mitteilungsfreudiger. Die frühere Fed-Präsidentin Janet Yellen trug in ihren Kalender sogar Fototermine mit Praktikanten ein.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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