Kaiser's Tengelmann:Verdi-Chef springt Gabriel bei

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  • Rewe hält sich nur an den von Gabriel verkündeten Deal mit Edeka und Tengelmann, wenn alle Fragen des Unternehmens geklärt werden.
  • Verdi-Chef Frank Bsirske sagt nun, er sei "sehr zuversichtlich".

Von Varinia Bernau und Detlef Esslinger, Düsseldorf/München

Peter Kohne sagt, er sei "verhalten optimistisch". Betonung auf verhalten, nicht auf optimistisch. "Wenn man so oft enttäuscht wurde, wächst die Vorsicht." Kohne ist Betriebsrat von Kaiser's Tengelmann in Nordrhein-Westfalen. Dort also, wo viele der 100 Filialen seit Jahren Verluste machen. Dort, wo Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub vor gut zwei Wochen mit der Zerschlagung seines Unternehmens beginnen wollte. Nun soll es doch noch eine Rettung geben. Das verkündeten Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verdi-Chef Frank Bsirske zu Beginn dieser Woche in Berlin - und Menschen wie Kohne bleibt nichts anderes übrig, als den beiden zu vertrauen. Bsirske sagte am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung, er sei "sehr zuversichtlich".

Letztlich hängt alles an der Frage, ob der Handelskonzern Rewe seine Klage gegen die von Gabriel erteilte Ministererlaubnis zurückzieht. Damit hatte er die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka entgegen der Bedenken der Monopolkommission ermöglichen wollen. Gegen diese Erlaubnis war Rewe vor Gericht gezogen. Im Juli stoppte das Oberlandesgericht Düsseldorf vorläufig die Fusion. Am 16. November soll das eigentliche Verfahren beginnen. Die Zeit drängt also. Wird Rewe einlenken? Und wenn ja, was erhält das Unternehmen dafür?

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Als in der vergangenen Woche unter Vorsitz von Altbundeskanzler Gerhard Schröder und des Ökonomen Bert Rürup die Schlichtung begann, soll Rewe-Chef Alain Caparros gleich deutlich gemacht haben, dass es ihm nicht allein um eine Entschädigung in Geld gehe. Edeka soll daraufhin vorgeschlagen haben, Rewe etwa 75 Kaiser's-Filialen in Nordrhein-Westfalen abzutreten, außerdem die Kaiser's-Verwaltung mit etwa 400 Mitarbeitern in Mülheim an der Ruhr. Mit anderen Worten: die dicken Kostenblöcke.

Ein Affront. Die Schlichtung war fast gescheitert. Erst nach einer dritten Runde stand zumindest diese Einigung: Edeka übernimmt die Kaiser's-Filialen in Bayern, tritt dafür aber knapp die Hälfte der Berliner Filialen an Rewe ab. Klingt einfach, ist es aber nicht. Der Kaufpreis für die Filialen muss geklärt werden, außerdem die Frage, in welchem Umfang Rewe sich an den Kosten für Fleischbetriebe, Logistik und Verwaltung von Kaiser's Tengelmann zu beteiligen hat - beides bis zum Wochenende.

Schließlich ist die exakte Aufteilung von Kaiser's Tengelmann auszuhandeln: Rewe dürfte sich keinesfalls mit wirtschaftlich angeschlagenen Filialen zufrieden geben, oder mit solchen, bei denen demnächst der Mietvertrag ausläuft. Außerdem dürfte Rewe wohl kaum riskieren wollen, dass eine Einigung später vom Bundeskartellamt gekippt wird. Die Behörde hat bereits Empfehlungen in das Schlichtungsverfahren eingebracht. In einem Gutachten, das sie vor eineinhalb Jahren erstellte, als sie die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann zu prüfen hatte, war das Berliner Stadtgebiet in zwölf Bezirke aufgeteilt - mit äußerst unterschiedlichen Marktanteilen.

Zwar hat Rewe in Aussicht gestellt, seine Klage bis zum 11. November zurückzuziehen - allerdings eben nur, sofern all diese Fragen geklärt sind. Bsirske begründet seine Zuversicht damit, dass in der Schlichtung Eckpunkte vereinbart worden seinen, "die eine Verständigung darüber einschließen", wie mit diesen Fragen verfahren werde. "Über den Inhalt dieser Verständigung wurde Stillschweigen vereinbart", sagt der Verdi-Chef. "Sie war aber die Voraussetzung, um am Montagnachmittag ein erfolgreiches Ergebnis der Schlichtung präsentieren zu können."

Über Arbeitsplätze in NRW wurde noch gar nicht geredet

Sollte Bsirskes Zuversicht sich als gerechtfertigt erweisen, würde die Ministererlaubnis greifen: Edeka würde Kaiser's Tengelmann zunächst als ganzes Unternehmen übernehmen und dafür eine Arbeitsplatzgarantie für mindestens fünf Jahre festschreiben lassen. In einem zweiten Schritt würde Edeka dann jene Unternehmensteile an Rewe abtreten, auf die man sich zuvor geeinigt hat. Anschließend müsste das Bundeskartellamt lediglich den Verkauf durch Edeka an Rewe prüfen. Beobachter nehmen an, dass sich das Bundeskartellamt nicht querstellen werde, da es die per Ministererlaubnis zugestandene Marktmacht von Edeka so zumindest ein wenig eindämmen könnte.

Zu der Frage, was mit den Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen geschehen wird, ist man dem Vernehmen nach im Schlichtungsverfahren allerdings noch gar nicht gekommen. Warum Betriebsrat Kohne dennoch optimistisch ist? Er könne sich nicht vorstellen, dass sich der Bundeswirtschaftsminister und der Verdi-Chef vor die Presse stellen, ohne etwas in der Hinterhand zu haben. Das wäre das, was Bsirske mit den Worten "Inhalt der Verständigung" umschreibt. Vorsichtig bleibt der Betriebsrat trotzdem.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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