Kai-Uwe Ricke:Vom gefeierten Sanierer zum Buhmann

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Angesichts des massiven Konkurrenzdrucks steht der Telekom-Chef vor einer zweiten Bewährungsprobe.

Gerhard Hennemann

Es ist seine vierte Hauptversammlung. Wieder muss Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke an diesem Mittwoch rund 7000 Aktionären Rede und Antwort stehen.

Kai-Uwe Ricke (Foto: Foto: AP)

Locker präsentiert sich der 1,90 Meter-Mann auch diesmal auf zwei Großbildwänden, wo man seine Gestik auch noch von entfernten Plätzen im weiten Rund der Kölnarena verfolgen kann.

Eineinhalb Stunden redet Ricke - und wartet dann gespannt auf die Reaktionen. Mit Kritik ist zu rechnen.

"Unser Investment hat uns wenig Freude gemacht"

Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer von Deutschlands größter Investmentfondsgesellschaft DWS, greift denn auch als einer der ersten Aktionärsvertreter schon im zweiten Satz jene Verärgerung der Aktionäre auf, die sich später wie ein roter Faden auch durch die meisten Rednerbeiträge ziehen wird.

"Unser Investment in der Deutschen Telekom hat uns im Jahr 2005 wenig Freude gemacht", konstatiert der Fondsmanager nüchtern. Minuten später hat Kaldemorgen dennoch Balsam für die Wunden von Ricke & Co parat: "Wir rechnen es dem Vorstand hoch an, dass er trotz des hohen Investitionsvolumens die Dividende deutlich erhöht."

Damit hat der Fondsmanager das Spannungsfeld abgesteckt, in dem sich Ricke bewegt. Einerseits steht er vor der Herausforderung, durch beschleunigte Anpassung des einstigen Staatsunternehmens an die sich laufend verändernden technischen und regulatorischen Gegebenheiten eine Trendwende in der Kursentwicklung der T-Aktie herbeizuführen.

Andererseits wird er mit der Forderung der Kapitalgeber konfrontiert, diese Aufgabe so kassenschonend wie möglich zu erledigen und vor allem auf besonders kostspielige Zukäufe wie in der Vergangenheit zu verzichten.

Vor diesem Hintergrund fällt es Ricke nicht leicht, Aufbruchstimmung bei Aktionären und Mitarbeitern zu erzeugen. Seit er vom Hoffnungsträger, der die Schulden des Konzerns in denkbar kurzer Zeit halbieren konnte, zum Buhmann der Telekom-Beschäftigten mutierte, die ihm den geplanten Abbau von 32.000 Arbeitsplätzen verübeln, steht er vor allem unter dem Beschuss der Gewerkschaften.

100.000 Kunden weniger - pro Monat

Anders als beim VW-Kollegen Bernd Pischetsrieder, der tags zuvor mit Mühe und Not eine Verlängerung als Nummer eins bewilligt bekommen hat, ist Rickes Vertragsverlängerung im Herbst wohl nicht gefährdet.

Dafür sprechen nicht zuletzt die politischen Signale der Bundesregierung, die der Telekom in ihrem Koalitionsvertrag weit gehenden Wettbewerbsschutz für den Bau ihres breitbandigen Hochgeschwindigkeitsnetzes VDSL zugesagt hat. Ein Versprechen, gegen das die privaten Konkurrenten der Telekom ebenso wie die EU-Kommission zu Felde ziehen.

Dreieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt steht Ricke vor seiner zweiten großen Bewährungsprobe. Nach der finanziellen Konsolidierung muss er den sich immer stärker beschleunigenden Verfall von Marktanteilen des Konzerns schnellstmöglich stoppen.

Selbst ein Riese wie die Telekom kann einen Aderlass von inzwischen mehr als 100.000 abwandernden Kunden pro Monat nicht lange verkraften. Ähnlich schlecht ist es um die Gewinnmargen bestellt, denn sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk ist der Konkurrenzdruck brutal.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Verschmelzung der Internet-Tochter T-Online mit der Bonner Muttergesellschaft immer noch nicht vollzogen werden konnte, was sich besonders nachteilig auf das so genannte Triple-Play von Internet, Fernsehen und Telefonie auswirkt, das Ricke als eine Art strategische Wunderwaffe im weit gehend regulierten Wettbewerb betrachtet.

So muss weiterhin ausgerechnet die amerikanische Handy-Tochter, deren Kauf einst Ricke-Vorgänger Ron Sommer Kopf und Kragen kostete, als derzeit zugkräftigster Wachstumsmotor des Konzerns herhalten. Aber selbst im boomenden US-Geschäft droht Gefahr, denn schon in Kürze stehen dort hohe Ausgaben für den Erwerb von Mobilfunklizenzen sowie für den weiteren Netzausbau an, von denen niemand weiß, ob sie sich jemals amortisieren lassen.

Angesichts dieses Szenarios hat Ricke seine frühere Vorsichtsstrategie, die von der Börse offensichtlich nicht honoriert wurde, aufgegeben. Die Finanzmärkte, die schon damit begonnen hatten, seine zögerliche Haltung als Führungsschwäche zu interpretieren, jubelten plötzlich wieder, als der Telekom-Chef im vergangenen Jahr nicht nur eine Qualitäts- und Innovationsoffensive ankündigte, sondern auch für einen beschleunigten Personalabbau eintrat.

Was den einen gefiel, empörte die anderen. Die Kombination Gewinnsprung und Stellenabbau wurde für Ricke zu einem ähnlichen Kommunikationsproblem wie zuvor für Josef Ackermann bei der Deutschen Bank. Dennoch gilt Ricke bei vielen Börsianern immer noch als ein Wirtschaftsführer, der die Altlast aus Behördenzeiten nicht mit der gebotenen Härte und Dynamik angeht.

Um so mehr feierten sie den kürzlichen Einstieg des amerikanischen Finanzinvestors Blackstone bei der Telekom, von dem sie sich eine schnellere Mobilisierung noch vorhandener Produktivitätsreserven erhoffen. Ob diese Erwartung allerdings bei einer Beteiligung von nur 4,5 Prozent erfüllt wird, darf bezweifelt werden.

So wird es auch weiterhin vieles von Rickes Durchsetzungsvermögen abhängen. Zumindest für Fondsmanager Kaldemorgen ist der Kostenabbau bisher "wenig eindrucksvoll" verlaufen.

© SZ vom 4.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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