Süddeutsche Zeitung

Feinkost-Schwindel:Ist doch alles Käse

Auf einem Wochenmarkt in Bayern hat ein Händler billigen Supermarkt-Käse zum Feinschmeckerpreis verkauft. Die Frage ist: Hat nur das Etikett den Schwindel auffliegen lassen oder auch der Geschmack?

Von Felicitas Wilke

Am Käse scheiden sich die Geister. Der Connaisseur schwört auf das Zehn-Euro-Stückchen französischer Herkunft vom Fachhändler, für den Banausen tun es auch die abgepackten Gouda-Scheiben für 1,89 Euro. Eine Frau aus Freilassing an der deutsch-österreichischen Grenze entschied sich unfreiwillig für den denkbar ungünstigsten Mittelweg: Sie erwarb auf einem Wochenmarkt den Käse einer Supermarkt-Eigenmarke zum Feinschmeckerpreis. Dahinter steckt eine geniale Geschäftsidee.

Als die Frau unlängst eines Mittwochs auf dem Markt einkaufte und an einem Käsestand für stolze sieben Euro Würfelkäse im Glas erstand, ging sie vermutlich nicht davon aus, dafür Käse von "K-Classic" zu bekommen, der im Supermarkt 2,59 Euro kostet. Doch tatsächlich schwamm im Rapsöl, mit Kräutern aufgepeppt, ein Erzeugnis der Eigenmarke von Kaufland: Massenware statt Marktromantik. Das vordere Etikett verriet die Herkunft nicht mehr, wohl aber eine Seriennummer auf der Rückseite. Der Ehemann der Frau erregte sich darüber in einer Facebook-Gruppe, die Passauer Neue Presse ging daraufhin dem Fall nach. Jetzt hat das zuständige Landratsamt Berchtesgadener Land den Vorwurf bestätigt.

Nun ist das Beispiel der Mogelpackung aus Freilassing in Zeiten stark steigender Preise kein Einzelfall. Ein beliebter Trick findiger Unternehmer, die in schlechten Zeiten schauen müssen, wo sie bleiben, ist die sogenannte Shrinkflation: Unschuldig schrumpft die Verpackung von Margarine, Chips oder Gummibärchen kurzerhand mal um ein Viertel. Die, nun ja, geschickte Anpassung an aktuelle Marktgegebenheiten fällt selbst erfahrenen Supermarktbesuchern kaum auf - am Preis hat sich ja nichts geändert.

Als ähnlich moralisch flexibel könnte man das Verhalten des Käsehändlers bezeichnen. Illegal ist es - genau wie übrigens der Shrinkflation-Trick - nicht: Die Masche mit dem billigen Käse zum hohen Preis sei "für den Verbraucher verständlicherweise intransparent", aus "lebensmittelrechtlicher Sicht" jedoch "nicht zu beanstanden", heißt es beim Landratsamt. Seien die Angaben zum Hersteller und den Zutaten korrekt und werde das Produkt nicht mit falschen Angaben wie "handgemacht" oder "aus der Region" beworben, gebe es rechtlich nichts zu beanstanden. "Gut zu heißen" sei die Praxis aber trotzdem nicht.

Bleibt noch eine Frage ungeklärt: Hat nur das Etikett den Discounter-Käse verraten oder auch der Geschmack? Bevor sie die Antwort auf die Frage herausfinden, können Unternehmer die Geschäftsidee aus Freilassing schon mal weiterdenken. Pizzerien könnten vorsichtshalber ein paar Tiefkühlpizzen ordern, die künftig auf den Tellern landen - und Opel-Händler vorsichtig das O mit dem Blitz von der Motorhaube abnehmen. Würde da nicht auch ein schickes T hinpassen?

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