Jugendarbeitslosigkeit:Europas verlorene Generation

Millionen Jugendliche haben in Europa keinen Job. Das belastet die Sozialsysteme der EU enorm. Zu den wirtschaftlichen Folgen kommen Konsequenzen für die Gesellschaft: Die OECD warnt bereits vor Verhältnissen wie im Arabischen Frühling. Alarmismus?

Spanish Crisis Closes The Door Industry

Arbeit fehlt: junge Spanier.

(Foto: Getty Images)

Die Jugend ist die Zukunft - doch was passiert, wenn die Jugend selbst keine Zukunft hat? Die Krise in Europa trifft vor allem junge Menschen. Zur sogenannten verlorenen Generation gehören inzwischen 15 Prozent aller EU-Bürger zwischen 15 und 29 Jahren - etwa 14 Millionen Menschen. Das belastet nicht nur die jungen Leute selbst, sondern auch die Haushalte der Länder, wie eine aktuelle Studie einer EU-Stiftung zeigt (PDF).

Die Autoren der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen beziffern die Kosten der Jugendarbeitslosigkeit für die EU-Staaten auf 153 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht 1,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Europäischen Union. Die Kosten für junge Menschen, die sich nicht in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis befinden, haben 2011 ein Rekordlevel erreicht: drei Milliarden Euro pro Woche.

Der Betrag setzt sich zusammen aus den anfallenden staatlichen Leistungen für die Arbeitslosen und der fehlenden Arbeitskraft in der jeweiligen Wirtschaft. Und die Schätzungen seien sogar noch "sehr vorsichtig", schreiben die Autoren. Sie enthielten beispielsweise keine Extrakosten für Kriminalität oder zusätzliche Ausgaben im Gesundheitsbereich. Ökonomen warnen, dass Arbeitslosigkeit gerade junge Leute hart trifft: In dieser Lebensphase werden eigentlich die Grundsteine für eine Karriere gelegt. Wer hier zurückfällt, hängt oft ein Leben lang hinterher.

Seit der globalen Krise 2008 sind der Studie zufolge die Kosten für die verlorene Generation in der EU um fast ein Drittel gestiegen. Besonders alarmierend ist die Entwicklung in den verschuldeten Ländern im Süden Europas: Griechenland zahlte im vergangenen Jahr 76 Prozent mehr für junge Arbeitslose als noch 2007, in Spanien sind die Kosten um 45 Prozent gestiegen.

Deutschland zählt zu den wenigen Staaten mit einer positiven Entwicklung, hierzulande sind die Kosten leicht zurückgegangen. 2011 belastete die verlorene Generation den Bundeshaushalt mit etwa 15,5 Milliarden Euro, das entspricht 0,6 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: In Griechenland belaufen sich die Kosten auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die absoluten Kosten waren in Italien am höchsten: 32,6 Milliarden Euro.

Verhältnisse wie im Arabischen Frühling

Die Studie weist aber nicht nur auf die wirtschaftlichen Folgen der hohen Jugendarbeitslosigkeit hin. "Die Auswirkungen einer verlorenen Generation beschränken sich nicht nur auf den ökonomischen Bereich", warnen die Autoren. "Es hat auch gesellschaftliche Konsequenzen, wenn das Risiko besteht, dass junge Menschen nicht mehr an der Demokratie teilhaben." Ein Ergebnis der Studie sei, dass sich junge Arbeitslose weniger politisch engagieren und weniger Vertrauen in die Politik hätten als Jugendliche mit einem Job.

Stefano Scarpetta, verantwortlich für Beschäftigungspolitik bei der OECD, warnt daher, dass die Politikverdrossenheit bei jungen Erwachsenen in Europa ein gefährliches Niveau erreiche. "Wir kommen unserer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach", sagte Scarpetta dem Guardian. Soziale und politische Spannungen würden bald zunehmen. Er vergleicht die Situation sogar mit der im Arabischen Frühling, als sich die Bevölkerung in zahlreichen arabischen Ländern gegen ihre Herrscher auflehnten. Auch hier habe es eine Generation gut ausgebildeter junger Menschen gegeben, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt habe.

Europa in der Krise

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