Jubiläum der Ökobank:"Die Bank wäre heute die Nummer eins - wenn sie nicht entsorgt worden wäre"

Demonstration gegen das Atomkraftwerk in Brokdorf, 1981

Demonstration gegen das Atomkraftwerk in Brokdorf im Jahre 1981. Es war die Zeit der sozialen Bewegungen, wie die der Atomkraftgegner. Auch sie trugen später die Ökobank mit. 

(Foto: DPA)

Pazifisten, Frauenbewegte, Atomkraftgegner - als die Ökobank vor 25 Jahren als erste ökologische Universalbank öffnete, hatte sie die sozialen Bewegungen hinter sich und scheiterte trotzdem. Mitbegründer Bernd Steyer erklärt im Interview, woran das lag.

Von Antonie Rietzschel

Das Wort "Ökobank" steht heute als Synonym für genossenschaftliche Banken, die Umweltprojekte fördern, im Duden. Doch es ist mehr als eine Vokabel. Denn die Ökobank hat es tatsächlich gegeben. Am 2. Mai 1988 öffnete sie am Luisenplatz in Frankfurt als erste ökologische Universalbank. Bernd Steyer, Jahrgang 1947, gehört zu deren Gründern und saß im Aufsichtsrat. Nachdem die Ökobank Pleite ging, wurde das Bankgeschäft 2003 an die Gemeinschaftsbank GLS verkauft. Übrig blieb nur noch die ursprüngliche Genossenschaft "Oekogeno", in deren Vorstand Steyer noch immer sitzt.

SZ.de: Heute gilt die Ökobank als Vorreiter des nachhaltigen Bankings. Wie wurden sie damals in den 80er Jahren gesehen?

Bernd Steyer: "Die Banken haben mit der ihnen eigenen Arroganz auf uns reagiert. Bei Gesprächen mit Großbanken wurde schnell klar, dass sie das Konzept eines ökologischen Geldhauses als lachhaft und als nicht verträglich mit dem Geschäftsmodell einer gewöhnlichen Bank empfanden. Wir waren Newcomer und als 'Turnschuhbanker' verschrien - die Bewegung, die hinter uns stand, wurde nicht gesehen.

Auch der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband, in den wir aufgenommen werden mussten, reagierte überheblich. Unser Pressesprecher war damals in deren Hochhaus in Frankfurt. Die Genossen sagten: 'Schaut mal hier runter. Dafür haben wir 50 Jahre gebraucht, kommt in 50 Jahren wieder.' Nur dank des politischen Drucks durch die SPD wurden wir dann überhaupt aufgenommen."

"Lasst uns den Banken unser Geld wegnehmen", war ein damals weit verbreiteter Slogan, den auch die Ökobank übernahm. Wie sollte das funktionieren?

"Wir wollten eine politische Bank sein. Bei uns sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen und die Ökonomie, die uns umgab, sollte ethisch sauber sein. Also vergaben wir keine Kredite in Bereichen, die irgendwie menschenverachtend oder umweltschädlich waren: Wir unterstützten weder die Rüstungs- noch die Atomkraftindustrie. Doch das kam erst später. Eigentlich hat alles sehr pragmatisch begonnen."

Inwiefern?

"Anfang der 80er Jahre waren die Zinsen hoch und Kredite wurden mit Sätzen von zehn bis zwölf Prozent ausgegeben. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Selbstverwaltete alternative Betriebe hatten also keine Chance auf finanzielle Unterstützung. Im Rahmen des bestehenden ökonomischen Kreislaufs wurden sie als nicht förderungswürdig eingestuft. Also dachten wir, wir müssten eine eigene Bank kreieren. So fanden wir uns 1984 im Verein 'Freunde und Förderer der Ökobank' zusammen. Zu Beginn waren es vor allem Leute aus dem Buchhandel. Doch die Bank wurde von einer viel breiteren Bewegung getragen. Wir vernetzten uns mit den Atomkraftgegnern, Pazifisten und der Frauenbewegung. Ich selbst kam aus der Studentenbewegung."

Wo kam am Anfang das Geld her?

"Wir hatten ja keinen großen Financier - also tingelten wir durchs Land, um das Geld für das Eigenkapital zu sammeln.12.000 Menschen gaben 100 D-Mark oder mehr. Am Ende hatten wir acht Millionen Euro beisammen. Es entstanden Regionalgruppen, in denen alles demokratisch abgestimmt wurde. Die Frage zum Beispiel: Wer wird mit dem Bankenkonzept betraut? Schließlich wurde aus vielen Bewegungen eine."

"Verbindung zur Basis immer stärker verloren"

Sie wollten eine ökologische Alternative zu den Großbanken bieten. Wie sah das Geschäftsmodell der Ökobank aus?

"Das basierte auf einem Grundsatz, der damals entgegen der Ökonomie funktionierte: Der Anleger verzichtete auf Prozente, die unserem Förderkreislauf zugutekamen. Wir boten Sparbriefe in den Bereichen Bildung, Umwelt, Psychiatrie, Ökologie und Verkehr an. Sie waren das Aushängeschild und Kennzeichen der Ökobank. Der ökologische Verkehrsclub bekam einen Kredit, genauso wie Naturata, ein Großhändler für ökologische Lebensmittel."

Wollten sie sich auch politisch einmischen?

"Wir hofften, Mitstreiter zu gewinnen, indem wir beim Thema Nachhaltigkeit ein Vorbild sind und unsere Idee promoteten. Viele Medien berichteten über uns. Einen großen Effekt hatte das Unglück in Tschernobyl. Den Menschen wurde klar, wie real die Gefahr der Atomkraft war - dadurch kamen viele zu uns. Aber unserer politischer Ansatz kam zu früh. Vielleicht sind wir auch ein Stück weit daran gescheitert."

Warum?

"Unsere Strategie wurde damals belächelt. Es hieß: 'Das geht gar nicht, was die da machen.' Heute gibt es dagegen kaum eine Bewegung, die sich nicht die Abschaffung des Kapitalismus auf die Fahnen schreibt. Selbst die konservativen Kräfte prangern mittlerweile die Plünderung des Planeten an. Seit der Krise wachsen die Einlagen bei ethischen Banken sprunghaft an, der Begriff Nachhaltigkeit findet sich mittlerweile in jeder Broschüre. Wenn die Bank vor 2008 gekommen wäre, dann hätte sie einen größeren Zulauf bekommen. Sie wäre heute sogar die Nummer eins - wenn sie nicht entsorgt worden wäre."

Grüner Sonderparteitag

Mehr als 20 Jahre später ist das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft angekommen, doch das Atomkraftwerk Brokdorf gibt es immer noch. Die Ökobank hingegen nicht mehr.

(Foto: dpa)

Die Bank wuchs rasant - auch um den politischen Einfluss zu vergrößern. Es wurden schneller hohe Kredite ausgegeben als an Eigenkapital eingenommen wurde, der Großteil ging in die Recyclingbranche. Als die in Schwierigkeiten geriet, stand die Bank vor der Pleite. Das klingt eher nach Selbstverschulden.

"Die Kredite wurden doppelt und dreifach geprüft - auch von der genossenschaftlichen Zentralbank. Da kann man jetzt nicht von Schlamperei sprechen. Aber man kann auf jeden Fall von einem Klumpenrisiko sprechen, das wir eingegangen sind. Die Bank hätte allerdings gerettet werden können. Sie war ein Marketingjuwel mit politischem Inhalt - doch der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband hat diese Chance nicht erkannt. Die 15 Millionen D-Mark Verlust wären sicher kein Problem gewesen, angesichts dessen, dass damals Milliarden in marode Volksbanken gesteckt wurden. Doch wir waren das ungeliebte Kind und so wurden wir einfach liquidiert."

Wo war da die Bewegung?

"Die Bank hat die Verbindung zur Basis immer stärker verloren - weil sie so schnell wuchs. Innerhalb von 13 Jahren wuchs die Mitarbeiterzahl von fünf auf 100 an. Die Regionalgruppen waren in den Zeiten der Krise einfach nicht mehr so aktiv. Viele Mitglieder waren in die Jahre gekommen und sagten sich: 'Das Kind läuft jetzt und braucht keine Pampers mehr.' Wir hätten dafür sorgen müssen, die jüngere Generation für die Idee der Bank zu gewinnen - aber das wurde versäumt. Die jungen Leute, die kamen, fanden die Bank einfach hip, teilten aber nicht unbedingt unsere Überzeugungen. Die waren dann auch die ersten, die in der Krise ihre Genossenschaftsanteile verkauften. Und die Basis folgte dann größtenteils der öffentlichen Meinung, dass Alternative eben nicht mit Geld umgehen könnten."

Anfang 2003 wurde das Bankengeschäft von der Gemeinschaftsbank GLS eG übernommen. Wie viel steckt da noch von der Idee der Ökobank drin?

"Die GLS gab es schon zehn Jahre früher als die Ökobank, allerdings hat sie immer in deren Schatten gelebt. Durch die Übernahme wurde aus der Detailbank eine Universalbank - sie bekam zum Beispiel Girokonten. Das Logo der Ökobank wurde aus dem Logo der GLS schnell wieder getilgt und unsere politischen Kredite nicht übernommen."

Von Ökobank ist nur noch die Ursprungsgenossenschaft Oekogeno übrig, die soziale und nachhaltige Projekte finanziert. Sie sitzen im Vorstand. Haben Sie darüber nachgedacht, wieder eine Bank daraus zu machen?

"Ich bin im Vorruhestand und würde mir das nicht mehr antun wollen. Außerdem ist der Kontrollapparat für kleine Banken mittlerweile enorm: In Italien gibt es eine Bank, die politische Kredite für Kooperativen vergibt, die sich auf enteignetem Mafialand gründen. Diese Bank hat weniger Risikoausfälle als jede andere Bank in Italien, wird aber als hochrisikohaft eingestuft. Da schließt sich dann wieder der Kreis zwischen Politik und Realwirtschaft."

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