Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Warum die Ju 52 so fasziniert

Das Interesse an einem Flug mit der historischen Maschine ist groß. Das dürfte sich auch nach dem tragischen Absturz in den Alpen nicht ändern.

Von Jens Flottau

Die Tragödie in den Alpen ist gerade erst geschehen, die nächsten Passagiere aber warten schon. Voller Vorfreude, voller Angst? Es soll ja ein Vergnügen sein für 239 Euro, die ein Rundflug mit der alten "Tante Ju" kostet, einer Ju 52 . Allein für diesen Freitag sind wieder vier Abflüge geplant, dieses Mal in Augsburg. 11.15 Uhr, 13.30 Uhr, 14.45 Uhr und 16.15 Uhr. Zwei der vier 30-minütigen Lufthansa-Flüge sind ausgebucht, überhaupt: Von den nächsten 36 geplanten Ausflügen sind für 32 keine Tickets mehr zu haben. Danach ist erst wieder Anfang Oktober etwas frei.

Es klingt eben auch so paradiesisch: Einmal zu erleben, wie es war, vor 80 oder noch mehr Jahren mit dem Flugzeug zu reisen. Selbst nach dem Absturz einer der drei historischen Junkers Ju 52 der schweizerischen JU-Air, bei dem am Wochenende 20 Menschen starben, gibt es offenbar in Deutschland keine Pläne, die Veranstaltungen auszusetzen. Auch wenn die Ursache des Absturzes noch lange nicht feststehen dürfte.

Es gibt kaum ein anderes Flugzeug, um das ein derartiger Mythos entstanden ist

Seit 1986 fliegt eine restaurierte Ju 52 mit der groß auf den Wellblechrumpf gemalten Registrierung D-AQUI Rundflüge. Es gibt kaum ein anderes Flugzeug, um das ein derartiger Mythos entstanden ist wie um die Ju 52. Sie gilt als Symbol für die Anfänge der kommerziellen Fliegerei. Ihre Bedeutung für den zivilen Flugverkehr ist einerseits historisch.

Andererseits haben aber die nostalgischen Rundflüge in der Schweiz und Deutschland diesen Mythos immer wieder selber genährt. Sogar die heutige Lufthansa hat sich die Wirkung der markanten Maschine mit der Wellblechverkleidung in der Firmenwerbung zunutze gemacht. Obwohl sie sich sonst lange so weit wie möglich distanziert hatte von der einstigen Luft Hansa, die die Ju 52 in der Nazizeit in den 30er- und 40er-Jahren massenweise flog.

Seit 1931 wurden etwa 5000 Ju 52 gebaut. Der Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers hatte eigentlich einen einmotorigen Frachter bauen wollen. Doch der damalige technische Direktor der Deutschen Luft Hansa, Erhard Milch, drang auf eine dreimotorige Version für Passagierflüge. Erhard Milch war in der Zeit des Nationalsozialismus später unter anderem als Staatssekretär im Luftfahrtministerium tätig und wurde als Kriegsverbrecher verurteilt.

Technisch basiert die Ju 52 auf Ideen, die Junkers schon 1919 bei der F 13 verwendet hatte. Diese war das erste Flugzeug, das komplett aus Metall bestand, und galt damit auch als erste Maschine, die im Linienverkehr sinnvoll eingesetzt werden konnte. Die Ju 52 war größer und hatte drei von BMW in Lizenz gebaute Kolbenmotoren. Sie galt als außerordentlich bequem und sicher, die Unfallrate sank gegenüber anderen Maschinen jener Zeit um ein Vielfaches. Dutzende Fluggesellschaften weltweit bestellten die Ju 52 und bauten mit ihnen ihre Streckennetze in den 30er-Jahren stark aus. Auch die Luftwaffe nutzte die Ju 52 - als Truppentransporter und Behelfsbomber.

Zum Mythos des Fliegers trug bei, dass einige Maschinen selbst mit großen Beschädigungen weiterflogen. Doch schon Mitte der 30er-Jahre kam mit der Douglas DC-3 ein Konkurrenzmodell auf den Markt, mit dem die Ju 52 nicht mehr mithalten konnte. Ihre große Zeit war schnell zu Ende.

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SZ vom 07.08.2018/hgn
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