John Pearson:"Der Welthandel wird nicht zum Erliegen kommen"

John Pearson: John Pearson ist derzeit viel unterwegs, um sich seinen 95 000 Beschäftigten in aller Welt vorzustellen.

John Pearson ist derzeit viel unterwegs, um sich seinen 95 000 Beschäftigten in aller Welt vorzustellen.

(Foto: oh)

Der Chef von DHL Express spricht über CO₂, globale Handelskonflikte und den Brexit.

 Interview von Benedikt Müller, Bonn

DHL Express ist für die Deutsche Post das wichtigste Geschäftsfeld. Die Sparte mit eiligen, internationalen Sendungen hat zuletzt mehr als die Hälfte zum Betriebsgewinn des Konzerns beigetragen. DHL Express verdient heute doppelt so viel Geld wie noch vor acht Jahren. An der Spitze der Konzerntochter steht seit diesem Jahr John Pearson. Der Brite arbeitet seit 1986 bei DHL und hat nach eigenem Bekunden nie einen Wechsel erwogen. Die ursprünglich US-amerikanische DHL gehört seit 2002 zur Deutschen Post. Wenn Pearson beschreibt, wie seine Leute eine Ware etwa von Schottland nach Neuseeland transportieren, dann stellt sich der langjährige Vertriebsleiter sein Netzwerk mit geleasten und konzerneigenen Frachtflugzeugen vor: Über den Flughafen East Midlands in England und das Drehkreuz Leipzig würde das Produkt wohl - je nach Wochentag - über Bangalore oder Singapur nach Sydney fliegen, dann über Auckland zum Ziel. Im 40. Stock des Post-Hochhauses empfängt das Vorstandsmitglied der Post zum Gespräch.

Herr Pearson, bei DHL denken viele erst mal an Paketboten. Wann kommt Ihre Expresssparte ins Spiel?

Der Gedanke ist auch durchaus richtig. Vor allem wenn es um die alltägliche Lieferung von Produkten von Haustür zu Haustür geht. Unser weltweites Express-Netzwerk nutzen Kunden bei besonders eiligen Sendungen, wie Vertragsdokumenten, Urkunden, Ersatzteilen, aber auch beim neuen Handy. Das traditionelle Geschäft mit Großkunden bildet zwar weiterhin das Fundament für Express, aber der Onlinehandel nimmt durch die jährlich steigenden Volumina rapide an Bedeutung zu.

Welche Produkte aus dem Onlinehandel werden denn so eilig verschickt?

Wir transportieren meist teurere Produkte wie hochwertige Mountainbikes, Mode oder Unterhaltungselektronik. Denn wer ein iPad kauft, der hofft, dass es schon am nächsten Tag ankommt. Das ist nicht mehr so wie früher, als man beispielsweise auf der Rückseite eines Comicheftes einen neuen Aufkleber bestellen wollte. Dann musste man einen frankierten Umschlag mit seiner Adresse einschicken, vier Wochen später war der Sticker da. Wenn meine Kinder heute mehr als zwei Tage auf etwas warten müssten, dann würden sie vergessen, dass sie überhaupt etwas bestellt haben. Wir haben uns an Auswahl und Schnelligkeit gewöhnt.

Manche Menschen fragen sich, ob Güter wirklich um die halbe Welt geflogen werden müssen.

Der Welthandel braucht uns. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Grundnahrungsmittel von einem Land ins andere geflogen werden müssen. Aber das ist nicht unser Geschäft. Wir transportieren zum Beispiel Flugzeugteile, die sofort benötigt werden. Oder Arzneimittel, die Leben retten können. Was wir tun können, ist: unsere Flugzeugflotte regelmäßig zu modernisieren, damit wir weniger Treibstoff benötigen und weniger Emissionen verursachen. Wir haben uns vorgenommen, unsere CO₂-Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren.

Gilt das auch für DHL Express?

Es ist das Ziel des Konzerns Deutsche Post DHL Group. Alle Geschäftsfelder wollen dabei die Null erreichen. Natürlich ist das schwer, aber wir geben unser Bestes.

Machen Sie sich derzeit Sorgen um den Welthandel, der einbrechen könnte? Mehr und mehr Staaten schotten sich ab.

Wenn Sie alle möglichen Handelsbeziehungen zwischen den Staaten dieser Welt betrachten, dann sehen wir in einem Viertel dieser Kombinationen noch überhaupt keinen Handel. Es gibt also noch viele Möglichkeiten! Die Mentalität zu kaufen und zu verkaufen, sich auszutauschen, gehört zur Natur des Menschen. Wenn sich manche Türen im Welthandel schließen, dann öffnen sich neue in anderen Regionen. Zum Beispiel sind die Asean-Staaten in Südostasien zusammen zur siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, indem viele kleine Länder ein Handelsabkommen geschlossen haben. Und wir erleben einen Aufschwung zwischen Europa und Japan. Der Welthandel wird nicht zum Erliegen kommen.

Mit den USA und China liefern sich gerade die beiden größten Volkswirtschaften einen Handelskonflikt.

Wir haben viele Konflikte in den vergangenen Jahren erlebt. Dennoch ist unser Expressgeschäft stetig gewachsen, weil wir verschiedenste Branchen in 220 Ländern und Territorien beliefern. Die einen mögen langsamer wachsen, die anderen schneller. Das gleicht sich aus, unser Risiko, aber auch unsere Chancen sind breit gestreut.

Wie bereitet sich DHL Express auf den Brexit vor?

Vorbereitung ist alles. Wir haben vor gut einem Jahr Arbeitsgruppen zusammengestellt, damit wir für verschiedene Brexit-Szenarien bereit sind. Wir müssen zum Beispiel sicherstellen, dass unsere Airlines weiterfliegen können und dass wir geschultes Personal am Boden haben, falls künftig Zölle fällig werden. Derzeit weiß ja leider noch immer niemand, was genau passieren wird. Vielleicht wird es am Tag eins oder zwei noch etwas dauern, bis sich die Abläufe eingependelt haben. Aber ich bin überzeugt, dass wir die Transportwege unserer Kunden weiterhin sicherstellen können.

Profitieren Sie sogar, wenn der Brexit die Logistik komplizierter macht?

Wenn wir in einem komplexen Umfeld vorbereitet sind und unseren Kunden in Momenten der Unsicherheit die bestmögliche Lösung bieten können, dann werden auch andere Leute an unsere Türen klopfen. Vielleicht können wir somit kurzfristig vom Brexit profitieren, allerdings ist das nicht unser Wunsch und unser Ziel. Über die langfristigen Folgen kann man aktuell nur spekulieren.

Gibt es eigentlich Regionen auf der Erde, die Sie nicht beliefern können?

Wir decken alle Kontinente und Länder ab - selbst Zustellungen in den entlegensten Gebieten in Nepal oder in den Anden.

Und haben Sie selbst einen Lieblingsort auf der Welt?

Einer ist Sydney, ich habe mit meiner Familie insgesamt sechs Jahre in Australien gelebt. Ein anderer ist Madrid. Überhaupt bietet Europa wirklich alles, was man sich vorstellen kann: Strände und Kultur, guten Wein und gutes Essen. Man muss dafür vielleicht in die verschiedenen Länder reisen, aber man hat es ja nie weit. Allerdings: als weltweiter Vorstandschef werde ich meine Sympathien nun sehr ausgeglichen verteilen.

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