Süddeutsche Zeitung

John Neumeier:"Kunst ist harte Arbeit"

Seit 35 Jahren lieben die Hamburger seine Ballettinszenierungen - der Choreograph John Neumeier über den Tanz, harte Arbeit und seine Sammelleidenschaft.

Meite Thiede und Dorion Weickmann

SZ: Herr Neumeier, das Hamburger Publikum liegt Ihnen zu Füßen. Ihr Ballett ist regelmäßig ausgebucht, und wenn der Vorhang fällt, kennt der Jubel kaum Grenzen. Sind Sie der Stadt deshalb seit 35 Jahren so treu?

John Neumeier: Also, da sind auch immer ein paar Kritiker, so oben links im Saal, und die haben eine laute Stimme ...

SZ: ... was man kaum mitbekommt, wenn man unten rechts sitzt ...

Neumeier: Doch, es gibt zum Glück auch Kritik. Ich bin gegen jede Form von Automatismus und Schablonendenken: Dass man sagt, so habe ich es immer gemacht und so bleibt es auch. Deshalb habe ich mein Buch auch "In Bewegung" genannt. Dass ich jetzt seit 35 Jahren in Hamburg arbeite, ging eben auch nur, weil ich innerhalb Hamburgs in Bewegung geblieben bin.

SZ: Sechsmal haben Sie schon verlängert - wann endet Ihr derzeitiger Vertrag?

Neumeier: Der läuft noch zwei Jahre, mit einer Option auf fünf weitere Jahre.

SZ: Ihre Vertragsverhandlungen sind jedes Mal ein Riesenthema in der Hamburger Öffentlichkeit: Bleibt er? Oder geht er diesmal wirklich weg? Sie haben schon mal zwei Jahre lang mit der Kulturbehörde verhandelt. Und immer schaffen Sie es, bessere Konditionen für Ihre Compagnie dabei herauszuholen. Sie haben eine eigene Schule, und Sie sind weitgehend unabhängig von der Staatsoper. Sind Sie in Verhandlungen ein harter Knochen?

Neumeier: Ja, ich bin wohl ein harter Verhandler. Aber das ist auch nötig, um gut arbeiten zu können und eine stete Steigerung zu erfahren. Als ich hier herkam, hatte ich ein winziges Zimmer, das ich mit meinem Ballettmeister teilen musste. Es gab eine Halbtagssekretärin, die ab und zu mal reinkam, um einen Brief zu schreiben. Wir hatten 32 Vorstellungen im Jahr.

SZ: Wie haben Sie es geschafft, so gute Konditionen zu bekommen, wie Sie sie heute haben?

Neumeier: Ich bin jemand, der nicht so viel im Voraus sagt. Sondern ich denke so: Ich arbeite, dabei kommt ein "Produkt" raus, und um dieses Produkt zu halten oder zu verbessern, brauche ich bessere Konditionen. Im Kern bin ich immer noch Schöpfer, also jemand, dessen Hauptarbeit es ist, neue Werke zu kreieren. Dafür brauche ich ein Ensemble. Um ein Ensemble immer wieder neu zu erfinden, brauche ich eine Schule. Das sind Kreise, die immer größer werden und die sich organisch bilden - nach der Arbeit, die geleistet wird.

SZ: August Everding, der Sie 1973 nach Hamburg geholt hat, sagte einmal: "Vielleicht tut der Neumeier nur immer so charmant und zurückhaltend." Hatte er Sie da richtig eingeschätzt?

Neumeier: Ich bin zwar ziemlich hart. Auch das Thema meiner Arbeit ist die Balance zwischen Grausamkeit und Erbarmen, zwischen Krieg und Verzeihung. Unter Menschen kann ich nur mit Humor und Leichtigkeit arbeiten. Soll ich dazu eine etwas längere Geschichte erzählen?

SZ: Gerne.

Neumeier: Als ich 1980 nach Polen fuhr, herrschten dort kriegsähnliche Zustände: Es herrschte Ausgangssperre nach 19 Uhr und die Medien waren zensiert. Überall in der Stadt standen Soldaten mit Gewehren. Ich wollte mir in Warschau die Compagnie ansehen und mit ihr arbeiten. Dadurch wollte ich den Tänzern zeigen: Wenigstens die Welt des Balletts nimmt sie noch wahr. Deshalb bin ich ganz lieb mit ihnen umgegangen. Mein Dolmetscher sagte dann, Herr Neumeier, so können Sie nicht mit diesen Menschen sprechen, wenn Sie Resultate von diesen Tänzern sehen wollen. Er hat mich so gereizt, dass ich ihn angeschrien habe: "Du kannst wohl nur arbeiten, wenn die Soldaten mit dem Gewehr dastehen!" Und da hat er gesagt: "Jetzt habe ich den Teufel gesehen." Insofern: Ich möchte Menschen mit Weichheit und Liebe begegnen und sie öffnen. Aber es gibt auch strenge Prinzipien, die ich verteidige.

SZ: Mit Ihren Vorführungen kommen Sie in Hamburg auf Auslastungen von mehr als 90 Prozent. Davon können andere Häuser nur träumen. Aber mal ehrlich: Das künstlerische Risiko scheint eher überschaubar. Muss man das so machen für hohe Auslastungen? Gibt es eine Grenze der Zumutbarkeit?

Neumeier: Ich weiß nicht, ob ich das wirklich eine Grenze nennen würde. Ich bin Direktor der Compagnie, das heißt, ich gebe die Direktion, die Richtung vor. Auf meinem Spielplan stehen Stücke, die meinem Geschmack entsprechen. Nehmen wir zum Beispiel die Parzival-Inszenierung, mit Musik von John Adams. In der ersten Spielzeit war dieses Ballett ziemlich populär. Als wir es ein Jahr später wieder aufnahmen, reagierte das Publikum plötzlich ganz anders. Aber deshalb habe ich das Stück nicht gleich abgesetzt, sondern mir Gedanken gemacht, wie ich das richtige Publikum finde. Man sollte ein Stück nicht nur nach den Besucherzahlen messen. Da muss balanciert werden. Wir werden von der Stadt unterstützt, aber wir müssen auch Geld verdienen. Wenn wir Geld verlieren, geht letzten Endes das ganze Schiff unter. Es gibt genug Dinge, die populär sind oder die man populär machen kann. Dafür haben wir zum Beispiel unsere Ballett-Werkstatt, wo wir Stücke erklären und versuchen, die Sehgewohnheiten der Leute zu öffnen. Andere Dinge, die vielleicht für das Publikum sehr schockierend wirken, würde ich nur dann bringen, wenn ich selbst daran glaube.

SZ: Was ist der Maßstab, was muss eine Aufführung unbedingt erreichen?

Neumeier: Ballettkunst ist Kommunikation in der Gegenwart. Wir sind keine Kunst, die es sich leisten kann, erst in 50 Jahren verstanden zu werden. Man kann ein tolles Buch schreiben, das heute niemand versteht. Später wird das Buch dann entdeckt, und die Menschen sagen, wow, das war ein toller Schriftsteller. Auf der Bühne müssen wir aber jetzt Neugier erzeugen. Und dann hinhören: Was haben die Leute gesehen, was haben sie nicht gesehen, und lag das an uns? Waren wir nicht gut genug? Haben wir schlecht kommuniziert? Habe ich die Form, die Schritte nicht gefunden?

SZ: Das heißt, zum künstlerischen Erfolg gehört auch, dass man schaut, was das Publikum will, also dass man die betriebswirtschaftliche Seite auch stets im Kopf hat?

Neumeier: Ja, natürlich müssen wir wirtschaftlich denken. Wir können nicht das Geld vom Staat nehmen und dann damit machen, was wir wollen, weil es uns egal ist, ob die Menschen kommen oder nicht. Als ich 1995 meinen ersten Vertrag als Intendant bekam, war ich ziemlich schockiert, dass die damalige Kultursenatorin mir zusätzlich noch einen Brief schickte. Sie wolle mir sagen, dass es ein Grund für eine vorzeitige Kündigung sei, wenn ich mein Budget nicht einhalte. Das habe ich also schriftlich. Aber die Dinge gehen ja Hand in Hand. Es ist keine Schande, den Nussknacker auf die Bühne zu bringen. Es ist aber eine Schande, einen Nussknacker zu inszenieren, an den man nicht glaubt - weil es ja "nur" Kinder anspricht und sowieso ein Bestseller ist. Dieses Ballett ist für viele Kinder das erste, das sie sehen - und sie sollen das Beste sehen. Das ist für mich ein Prinzip.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: John Neumeier über Geld, seine Schule und den Nachwuchs.

SZ: Haben Sie die Warnung der damaligen Kultursenatorin beherzigt? Sind Sie budgetsicher?

Neumeier: Ich habe es eigentlich immer eingehalten, indem ich versuche, eine Balance zu finden zwischen weniger populären Produktionen und Choerographien, die mit ziemlicher Sicherheit zu Bestsellern werden. Wenn mal eine Produktion mehr kostet als geplant, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich spare es irgendwo ein, oder ich gehe zu unserem Förderverein und sage, ich habe da ein großes Anliegen. Bis jetzt habe ich dort immer ein offenes Ohr gefunden.

SZ: Kommt von den Förderern auch schon mal eine Gegenforderung?

Neumeier: Nein. Die können natürlich etwas ablehnen, weil mein Anliegen vielleicht nicht im Sinne der Stiftung ist. Aber sie können mir nicht vorgeben, welche Ballette ich choreographieren soll. Da würde ich auch sehr schroff reagieren. Wir haben noch einen anderen Stifterkreis, das sind die Freunde des Hamburger Ballett-Zentrums, die unter anderem auch Stipendien für unsere Schüler finanzieren. Da gab es mal den Fall, dass uns jemand Geld geben wollte für ein Stipendium für ein deutschsprachiges Mädchen, das aber jeden Monat zum Tee kommen und sich bedanken sollte. Das habe ich natürlich abgelehnt. Wir sind ja nicht im Menschenhandel tätig. Der Mäzen darf nicht bestimmen, was gemacht wird - er muss mir und meiner Arbeit schon vertrauen. Etwas anderes ist es, wenn der Mäzen sagt, diesen Bereich unterstütze ich, den aber nicht. Das respektiere ich.

SZ: Sie haben mal gesagt, Kunst ist keine Heilsarmee ...

Neumeier: Ja, bei der Heilsarmee bekommt man alles umsonst: Kleider, Möbel, Essen. Aber Kunst ist harte Arbeit. Unsere Schule ist nicht dafür da, Unbegabte zu unterrichten.

SZ: Ihr eigener Karrierestart war nicht gerade komfortabel. In Ihrem Buch erzählen Sie, dass Sie für Ihre ersten Unterrichtsstunden den Boden des Tanzstudios geschrubbt haben. Seit 1978 haben Sie hier in Hamburg ein großes Ausbildungszentrum mit acht Lehrern - für wie viele Schüler?

Neumeier: Im Moment sind es 154 Schüler.

SZ: Was ist Ihr größtes Anliegen für Ihre eigene Schule - Nachwuchs für die eigene Compagnie heranzuziehen?

Neumeier: Und den Schülern das zu ermöglichen, was ich selber nicht bekommen habe: Dass man neben der normalen Schule durch das Ballettzentrum die feste Anbindung an eine funktionierende, professionelle Compagnie hat.

SZ: Wie viele Mitglieder Ihres Ensembles kommen aus der Schule?

Neumeier: Inzwischen sind das fast 70 Prozent. Wobei man bedenken muss: Wir bieten eine Ausbildung über acht Jahre, denn das ist wissenschaftlich bewiesen der Idealfall. Als Mädchen beginnt man mit neun oder zehn und beendet die Schule mit 18 Jahren. Viele Schüler kommen auch erst in späteren Ausbildungsjahren zu uns. Das ist möglich, wenn sie in einer anderen Schule die richtige Vorbildung bekommen haben.

SZ: Wie lange kann ein professioneller Balletttänzer auf der Bühne stehen?

Neumeier: Das ist ganz unterschiedlich. Erst mal liegt es daran, wie weit man kommt. In der Gruppe scheidet man früher aus, weil es ab einem gewissen Alter schwer wird, sich in das Gruppendenken weiter einzufühlen. Dort rücken dann die jungen Tänzer nach. Für den ersten Solisten ist es leichter zu bleiben - aber auch schwieriger, zu bestehen.

SZ: Sie sind 66 Jahre alt und haben in diesem Sommer noch einmal auf der Bühne gestanden ...

Neumeier: Ja, stellen Sie sich das nur vor! Aber das war eine Ausnahme. Der Auftritt war zu Ehren Maurice Béjarts, der im vergangenen Jahr gestorben ist. Er war ein großer Freund, und dieses Ballett war symbolisch für unsere Freundschaft. Wahrscheinlich könnte ich noch öfter auf der Bühne stehen, aber das würde bedeuten, dass ich die anderen Dinge, die mir inzwischen viel wichtiger sind, aufgeben müsste.

SZ: Kommen wir zurück zu den Zahlen. Wie hoch ist ihr Etat?

Neumeier: Die Gesamtzuwendung der Hamburgischen Staatsoper von Seiten der Hansestadt liegt bei ungefähr 40 Millionen Euro, dazu kommen die eigenen Einnahmen. Die Compagnie und die Schule bekommen davon ein Teilbudget von ungefähr sieben Millionen Euro. Aber es gibt auch Kosten, die darüber hinaus geteilt werden zwischen Ballett und Oper: Der ganze Servicebereich, die Bühnenhandwerker, das Orchester. Meistens in der Aufteilung zwei Drittel Oper, ein Drittel Ballett.

SZ: Wenn wir ein Ballett von Ihnen anschauen wollen, investieren wir für ein durchschnittliches Ticket ungefähr 50 Euro pro Person. Was legt die Stadt da noch drauf?

Neumeier: Das weiß ich gar nicht. Bei uns übernimmt das die Ballettbetriebsdirektorin.

SZ: Diesen Luxus kann sich nicht jeder Choreograph leisten. Sie waren der Erste in der Ballettszene, der die Stelle eines Ballettbetriebsdirektors geschaffen hat. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam?

Neumeier: Ich bin ziemlich hartnäckig und habe das 1981 durchgesetzt. Simone Young ist die achte Intendantin, seit ich in Hamburg bin. Jeder Intendant hat eine andere Auffassung über die Beziehung Ballett/Oper. Und natürlich gibt es auch eine gewisse Konkurrenz. Wir stellen unsere Arbeit ja im selben Haus aus. Man muss den anderen respektieren, aber jeder hat seine Linie, seinen Geschmack. Und die Oper zehrt auch von den Subventionen, die wir von der Stadt bekommen. Deshalb muss man Grenzen ziehen, Bedingungen aufstellen und eine eigene Struktur etablieren. Wer bekommt wie viele Orchesterproben und so weiter. Ich wollte immer, dass mein Ensemble die Freiheit hat, sich zu entfalten - welcher Intendant auch immer gerade dran ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über Neumeiers Sammelleidenschaft.

SZ: Das heißt, Oper und Ballett stehen im Wettbewerb um die Gunst des Publikums und ums staatliche Geld?

Neumeier: Ja, und deshalb ist es wichtig, dass das einmal festgelegt wird.

SZ: Sie haben das Ensemble, die Ballettschule und ihre riesige Ballettsammlung und Stiftung - mit der Sie auch noch unter einem Dach leben.

Neumeier: Muss ich. Das ist eine ganz enge Bindung. Nachts gehe ich manchmal durch die Sammlung, und darauf möchte ich nicht verzichten. Das Museum ist ein Traum von mir. Es handelt sich um eine sehr persönliche Sammlung. Mit elf Jahren habe ich angefangen, Bücher zu sammeln. Ich wollte Bilder haben. Konkrete Beweise dafür, dass es überhaupt etwas wie Ballett gibt auf der Welt. In Milwaukee, wo ich aufgewachsen bin, gab es nämlich weder eine Compagnie noch eine größere Ballettschule. Dazu kam eine besondere Faszination für den russischen Tänzer Vaslav Nijinsky. In meiner Sammlung - die im Moment eine rein wissenschaftliche ist, das heißt, für den Publikumsverkehr nicht geöffnet - gibt es ungefähr 13.000 Bücher und insgesamt 40.000 Exponate.

SZ: Wie haben Sie all diese Sachen gefunden?

Neumeier: Das weiß ich selber nicht. Aber ich komme selten von irgendwo mit einem leichten Koffer zurück. Ich bin in dieser Beziehung ein bisschen ein Fanatiker, und wenn man so verrückt ist, wird man bekannt. Es gibt ganz viele Spione auf der Welt, die Dinge finden und mich anrufen. Und wenn man mir etwas anbietet, denke ich, das ist auch wichtig. Ich habe das Gefühl, dass es meine Aufgabe ist, die Dinge zusammenzubringen und auch wirklich zu retten. Weil man dann auch Verbindungen verstehen kann, auch sehr viel über die menschliche Seite einer Epoche versteht. So erfährt man zum Beispiel, dass Marie Sallé oder Jean-Georges Noverre mit ihren Gedanken für einen Tanz vor mehr als zweihundert Jahren dasselbe Problem hatten wie ich heute. Das ist faszinierend.

SZ: Zum Sammeln gehört auch die Unfähigkeit, sich von Dingen zu trennen.

Neumeier: Und das ist das Gute. Ich habe zum Beispiel jedes Programmheft seit meinem ersten Ballettbesuch als Kind aufgehoben. Und wenn jemand ein Programmheft aus den fünfziger Jahren hat, als in Hamburg das Bolschoi-Theater aufgetreten ist, dann sage ich: Her damit, ich habe den richtigen Platz dafür.

SZ: Welches ist für Sie das wertvollste Stück in ihrer Sammlung?

Neumeier: Da gibt es einen wunderbaren Kopf in Bronze von Nijinsky, den Una Troubridge gemacht hat. Das ist wahrscheinlich das einzige Abbild von ihm, das noch zu Lebzeiten gemacht wurde. Und ich habe einen Gipsabguss von seinem Fuß - der ist wirklich einmalig.

SZ: Haben Sie schon mal den Wert der Sammlung schätzen lassen?

Neumeier: Müsste ich mal machen.

SZ: Ist Materielles überhaupt für Sie wichtig? Der einzige Verlust, von dem Sie in Ihrem Buch berichten, ist eine Gemme mit dem Porträt der Tänzerin Fanny Elssler.

Neumeier: Als ich als Tänzer anfing, habe ich nie an Materielles gedacht. Für mich war das Tanzen wirklich eine Berufung. Diesen Beruf wollte ich ausüben, auch wenn ich dafür hätte bezahlen müssen. Auf der anderen Seite - wenn man viel arbeitet, hat man gewisse Dinge. Ich lebe allein in einem Haus - das ist Luxus, und das genieße ich. Wie ich reagieren würde, wenn ich das alles nicht hätte? Ich bilde mir ein, dass ich das akzeptieren könnte. Aber wie hart mir das fallen würde, kann ich nicht sagen.

SZ: Was ist das Teuerste an einer Inszenierung?

Neumeier: Die Ausstattung. Die kann schon mal 150.000 Euro kosten. Wir hatten einmal ein Hochzeitskleid in einer Sommernachtstraum-Inszenierung mit einer wahnsinnig langen Schleppe, das kostete damals 10.000 Mark. Aber wenn man sich vorstellt, dass wir mehr als 250 Vorstellungen hatten, dann ist das gar nicht mehr so viel Geld. Man investiert in eine Inszenierung. Ich bestehe darauf, dass alle unsere Kostüme und Bühnenbilder aufgehoben werden. Manchmal werden sie aufgefrischt, manchmal für Vorstellungen in der Schule weitergenutzt.

SZ: Man spricht von den drei Größen im deutschen Tanz: Pina Bausch, William Forsythe, John Neumeier. Ist das Last oder Lust, in dieser Reihe zu stehen?

Neumeier: Ob ich einer von dreien bin, ist für mich nicht so wichtig. Ich denke an heute, und wenn ich morgen eine neue Choreographie mache, bin ich heute nervös. Ich fange immer wieder bei null an.

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Quelle:
SZ vom 29.9.2008 /kim/mel
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