Joe Kaeser:Unter Beobachtung

Siemens President and CEO Joe Kaeser attends a news conference with Alstom CEO to announce their deal to merge their rail operations, creating a European champion, in Paris

Für Siemens-Chef Joe Kaeser geht es in China um wichtige Großaufträge – und um viele Interessen.

(Foto: Stephane Mahe/Reuters)

Der Vorstandsvorsitzende von Siemens soll Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses werden. Die Frage ist, was er aus diesem Job machen wird.

Von Christoph Giesen, Seoul

Er ist stets dabei, wenn die Bundeskanzlerin nach Asien reist, vor allem nach China: Der Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses (APK). Der Klassensprecher der deutschen Wirtschaft in Fernost. Gründungsvorsitzender 1993 war Siemens-Chef Heinrich von Pierer, bis ihn der Korruptionsskandal aus dem Amt trug. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat Hubert Lienhard, Chef des schwäbischen Familienunternehmens Voith, den Ausschuss geleitet und sich Respekt in Politik und Wirtschaft erarbeitet. Nun ist Lienhard in den Ruhestand gegangen und ein neuer APA-Chef muss her. Nach SZ-Informationen steht die Wahl fest: Siemens-Chef Joe Kaeser soll die deutsche Wirtschaft in Asien repräsentieren. In der Münchner Zentrale will man die Personalie nicht kommentieren.

In den Lienhard-Jahren hat sich das Verhältnis der deutschen Wirtschaft zu China, dem mit Abstand wichtigsten asiatischen Markt, dramatisch verändert. Bis vor wenigen Jahren noch waren die Zuwachsraten nirgendwo höher als in der Volksrepublik, inzwischen aber nehmen vor allem die Probleme zu. 2017 etwa wurden viele ausländische Firmen gebeten, Parteizellen, also Ableger der Kommunistischen Partei, in ihren Betrieben einzurichten. In einigen Provinzen hatten die Verwaltungen bereits begonnen, neue Verträge für Gemeinschaftsunternehmen aufzusetzen, die den Zellen Mitsprache einräumen sollten.

Sorge bereitet den deutschen Firmen auch das neue Cybersicherheitsgesetz. Unternehmen sind angehalten, nur noch vom chinesischen Staat lizenzierte VPN-Software zu nutzen. Mit Hilfe dieser Technik werden normalweise die Niederlassungen in China ans firmeneigene Intranet angeschlossen, damit sensible Dokumente wie Personaldaten, Baupläne, Verträge, Gehaltsabrechnungen verschlüsselt verschickt werden können. Die Furcht ist groß, dass Firmengeheimnisse ausgespäht werden. Lienhard hat diese Probleme ruhig aber bestimmt angesprochen. Wird Kaeser das auch so konsequent tun?

Kaum ein anderer Konzern setzt sich so stark wie Siemens für die "neue Seidenstraße" ein, das Lieblingsprojekt von Staatschef Xi Jinping. Der Plan sieht vor, mit einer Billion Dollar Infrastrukturprojekte im Ausland zu fördern. Das Problem: Die Aufträge werden fast ausschließlich von chinesischen Firmen umgesetzt, es mangelt an transparenten Ausschreibungen. Der Siemens-Chef lobt das Projekt dennoch überschwänglich. Es habe das Potenzial, zur neuen "Welthandelsordnung für freien und fairen Handel made by China" zu werden", meint Kaeser. Im Sommer richtete der Konzern eine eigene Seidenstraßen-Konferenz in einem Pekinger Hotel aus. Der halbe Vorstand rückte an, die Staatspresse war begeistert. Viele europäische Staaten und ausländische Firmen sind deutlich skeptischer. Chinas Seidenstraßen-Politik laufe "der EU-Agenda für die Liberalisierung des Handels entgegen und verschiebt das Kräfteverhältnis zugunsten subventionierter chinesischer Unternehmen", heißt es in einer Stellungnahme von 27 der 28 EU-Botschafter in Peking.

Auch für Siemens ist der Markt in China schwieriger geworden. Beispiel Zugtechnik: Bis zum vergangenen Jahr wurden in China Schnellzüge gebaut, die wie ICEs aussahen, Lizenznachbauten. Inzwischen braucht der chinesische Hersteller das Know-how aus Deutschland nicht mehr. Technik von Siemens wird in den neuen Zügen zwar weiterhin verbaut, allerdings liefert der Konzern nicht mehr direkt zu, eine chinesische Firma bezieht die Teile und verkauft sie dann weiter. Siemens ist nur noch der Lieferant des Lieferanten.

Probleme gibt es auch in der Medizintechnik: Wie die SZ kürzlich enthüllte, ist beim Handel mit Diagnosegeräten über Jahre Schmiergeld geflossen. Das besagen mehr als 40 Urteile chinesischer Strafgerichte. In fast allen Fällen hatten Zwischenhändler die Verantwortlichen von Krankenhäusern bestochen. Auch zwei damalige Beschäftigte von Siemens zahlten Schmiergeld an Krankenhausdirektoren.

Kaesers große Hoffnung in China ist das zuletzt gebeutelte Gasturbinengeschäft. Im kommenden Jahr wird eine wichtige Pipeline aus Russland fertig, wodurch die Gaspreise sinken und Gaskraftwerke konkurrenzfähig werden. Fachleute schätzen den Bedarf auf 70 bis 80 Gigawatt - ein Milliardengeschäft. Kann man angesichts dessen überhaupt kritisch sein? Kaeser steht unter Beobachtung.

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