Jobsuchende:Dabei sein ist alles

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Wer zu einem Start-up will, stellt kaum Ansprüche, zeigt eine Untersuchung - und zwar weder an den Ort, das Gehalt oder an das, was er da eigentlich macht.

Von Varinia Bernau, München

Das Büro von Mathias Döpfner befindet sich im 18. Stock des Springer-Hochhauses in Berlin. Dort hat man einen ganz guten Überblick über das bunte Treiben in der Stadt. "Früher wollte ein Siebenjähriger Feuerwehrmann werden, heute Founder", so beschrieb Springer-Chef Döpfner im Frühjahr im Interview mit der Süddeutschen Zeitung den durch die Stadt wehenden Zeitgeist. Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos, die Gründer von Apple, Facebook und Amazon, seien die Popstars unserer Tage.

Und offenbar sind Jobsuchende bereit, einiges dafür zu tun, um solch einem Star ganz nah zu sein. Das Unternehmen Start-up-CVs, selbst erst im Frühjahr gegründet und somit noch ein Start-up, hat sich darauf spezialisiert, die zahlreichen Neugründungen mit den Menschen zusammenzubringen, die ihrerseits dort anheuern wollen. Bei 5000 Bewerbern, die den Dienst nutzen, haben sie nun einen genaueren Blick auf die Erwartungen geworfen. Das Ergebnis: Wer den Sprung in ein junges Unternehmen schaffen will, stellt kaum Ansprüche. Weder an den Ort oder das Gehalt, noch an das, was er da eigentlich macht.

Fast jeder Dritte sagt, er sei für alle Standorte offen. Aber die Jobsuchenden haben dann doch ihre Wünsche: Drei Viertel würden, wenn sie könnten, am liebsten in Berlin loslegen. Nicht einmal drei Prozent möchten nach Hamburg, obwohl man sich in der hanseatisch geprägten Stadt eine recht erfolgreiche Szene von Spieleentwickler etabliert hat und die Zahl derer steigt, die dort ein Unternehmen gründen.

Beim Einstiegsgehalt scheint der typische Jobanwärter bei einem Start-up bescheiden zu sein: Praktikanten, die nach Berlin wollen, sind bereit, für schon 16 500 Euro im Jahr zu arbeiten - was weniger als der Mindestlohn ist. Gut jeder Zehnte ist bereit, sich als Freelancer und somit ohne sicheres Einkommen durchzuschlagen. Am attraktivsten sind ausgerechnet die frühen Tage eines Start-ups. Ein sicheres Gehalt scheint den Jobsuchenden nicht so wichtig zu sein wie spannende Zeiten.

Die Jobsuchenden scheinen nicht einmal besonders wählerisch zu sein, wenn es um die Frage geht, was sie denn den lieben langen Tag machen: Internethändler, Reisevermittlung, Werbefirmen - alles gleichermaßen gefragt. Ob Marketing, das Managen einzelner Projekte oder die Buchhaltung - alles gefällt den Bewerbern gleichermaßen. Die Start-up-Szene umweht ein olympischer Geist: Dabei sein ist alles.

Mit zunehmendem Alter sehnen sich die Deutschen aber eben doch nach Stabilität

Die deutsche Gründerszene wird dabei tatsächlich zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor: Auch wenn manche Jungunternehmen scheitern, so zeigt der aktuelle Start-up-Monitor für Deutschland, dass jeder Gründer inzwischen im Durchschnitt 17 Arbeitsplätze schafft - in Berlin sogar 27. Übrigens auch für viele, die aus dem Ausland kommen.

Wer nun aber glaubt, dass die jungen Deutschen allesamt Mark Zuckerberg nacheifern wollen, irrt. Springer-Chef Döpfner mag recht haben: Der Gründer von Facebook ist eine schillernde Figur, die Jugendliche fasziniert. Doch mit zunehmendem Alter sehnen sich die Deutschen nach Sicherheit: nach einer 40-Stunden-Woche, einem Einstiegsgehalt von mindestens 35 000 Euro im Jahr und genug Freiraum für die Familie. Das zumindest sind die Wünsche der deutschen Studenten, die Ernst & Young im vergangenen Jahr erfasst hat.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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