Am deutschen Arbeitsmarkt deuten die Zeichen nach oben. Mehr und mehr Unternehmen suchen wieder Mitarbeiter - gerade in der Industrie, wo die Situation lange mau war. "Die Zeiten steigender Arbeitslosigkeit infolge des Krieges dürften vorbei sein", sagt nun Enzo Weber, Prognoseleiter beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Vor allem der Maschinenbau und die Elektroindustrie rekrutieren derzeit Personal, meldet das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Insgesamt sei die Bereitschaft zu Neueinstellungen in der Industrie Anfang des Jahres deutlich gestiegen.
Das ist bemerkenswert, weil die Industrie schon vor der Corona-Krise schrumpfte, danach lange mit Lieferkettenproblemen kämpfte und nun auch unter den hohen Energiepreisen leidet. Die neuen Jobchancen passen aber zur konjunkturellen Entwicklung: Während noch vor einigen Monaten vorhergesagt wurde, dass die deutsche Wirtschaft dieses Jahr schrumpft, hat sich die Lage inzwischen aufgehellt. Nun gehen Konjunkturforscher und Bundesregierung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt 2023 zumindest stagniert oder vielleicht sogar leicht wächst.
Aber nicht nur die Industriebetriebe würden gern neue Mitarbeiter einstellen, auch Dienstleister suchen Beschäftigte, gerade in der IT-Branche. Zwar haben große Unternehmen hier angekündigt, Stellen zu streichen, nach den großen amerikanischen Digitalkonzernen will nun auch der Softwarehersteller SAP insgesamt 3000 Jobs abbauen, davon 200 in Deutschland. "Diese Entlassungen sind aber eine Chance für viele kleine und mittlere Betriebe, neue Mitarbeiter einzustellen", sagt Ifo-Forscher Klaus Wohlrabe. Sie können in normalen Zeiten oft nicht mit den Löhnen von Großfirmen mithalten.
Im Handel bewegt sich bei den Jobs dagegen wenig. Aber selbst in der Baubranche gibt es trotz einer schwierigen Lage positive Beschäftigungsaussichten. Der Bau hatte selbst während der schweren Corona-Krise 2020 geboomt. Seit einigen Monaten aber drücken steigende Preise und Zinsen aufs Geschäft. Bauherren, die nach den Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank für Kredite mehr zahlen müssen, verschieben oder stornieren ihre Vorhaben. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte deshalb zuletzt ein neues Förderprogramm für Neubauten angekündigt.
Der Frühindikator des Nürnberger IAB-Instituts zeigt ebenfalls, dass es klar nach oben geht. So legte das Arbeitsmarktbarometer im Januar das dritte Mal in Folge zu, mit knapp 103 Punkten rangierte es deutlich über der neutralen Marke von 100, die Stagnation anzeigt. "Die Jobagenturen erwarten, dass der Arbeitsmarkt die Folgen der Energiekrise überwindet", sagt IAB-Ökonom Weber.
Zwei Millionen Stellen können derzeit nicht besetzt werden
Im vergangenen Jahr hatte es Befürchtungen gegeben, dass der russische Überfall auf die Ukraine mit der folgenden großen Verunsicherung zu deutlich mehr Arbeitslosigkeit führen würde. Das ist bisher ausgeblieben - und ist nun wohl auch nicht mehr zu erwarten. Nur wenn im kommenden Winter Gas fehlen würde und viele Fabriken schließen müssten, drohten viele Entlassungen. Auch eine Eskalation des Ukraine-Kriegs und andere geopolitische Konflikte bergen weiterhin Risiken.
Solange diese aber nicht eintreten, herrscht auf dem Arbeitsmarkt aber vor allem Personalmangel. So können nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) derzeit knapp zwei Millionen Stellen in Deutschland nicht besetzt werden. "Arbeitskräfte sind aktuell so knapp wie seit dem Wirtschaftswunder der 1950er- und 1960er-Jahre nicht mehr", sagt Forscher Enzo Weber. Zugleich aber gab es zuletzt nach Daten des Statistischen Bundesamts gut 3,1 Millionen nicht erwerbstätige Frauen und Männer in Deutschland, die gern arbeiten würden. Zu dieser sogenannten stillen Reserve gehören beispielsweise Menschen, die aufgrund von Betreuungspflichten kurzfristig keine Arbeit aufnehmen können oder die aktuell keinen Job suchen, weil sie glauben, keine passende Tätigkeit zu finden.