Jobcenter:Rein und raus

Die Agenturen müssen befristete Stellen mit Mitarbeitern ohne Berufserfahrung besetzen, eine seltsame Regelung.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verschickt ziemlich viele Briefe. Allein an die Hartz-IV-Bezieher gehen jährlich mehr als 20 Millionen Schreiben. Und darin geht es oft um viel Geld: 2014 zahlten die mehr als 300 Jobcenter, die die BA gemeinsam mit den Kommunen führt, knapp 15 Milliarden Euro an die Bezieher der staatlichen Grundsicherung aus.

Seit Anfang des Jahres sollen die Jobcenter bei dieser Arbeit noch gewissenhafter vorgehen, frei nach dem Motto "sicher ist sicher". Bei bestimmten Auszahlungen, etwa bei einer Überweisung von einmalig mehr als 2500 Euro, gilt jetzt das "Vier-Augen-Prinzip". Ein Mitarbeiter soll prüfen, ob der Kollege die Leistung richtig berechnet hat, bevor das Steuergeld aufs Bankkonto des Hartz-IV-Empfängers fließt. 603 befristete Stellen hat die Nürnberger Behörde dafür bundesweit zusätzlich bekommen. Das hat das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Linken mitgeteilt. Doch nun gibt es wegen der Einstellungspraxis Ärger.

Hannah Maier aus Sachsen (Name von der Redaktion geändert) ist arbeitslos. Nachdem sie von dem für sie zuständigen Jobcenter selbst auf eine der 603 offenen Stelle hingewiesen wurde, rechnete sie sich gute Chancen aus. Maier hat schließlich schon einmal in einem Jobcenter gearbeitet. Entsprechend überrascht war sie, als sie feststellen musste, dass sie sich gar nicht erst zu bewerben braucht. Darauf machen die Arbeitsagenturen in solchen Stellenangeboten selbst aufmerksam. Darin heißt es: Man könne nur Bewerber berücksichtigen, "die nicht in einem unbefristeten oder befristeten Arbeitsverhältnis mit der Agentur für Arbeit standen".

"Beschäftigungsirrsinn": Alle paar Monate neue Leute anlernen, eingearbeitetes Personal entlassen

Schuld daran ist nicht die Behörde. Es liegt am Teilzeit- und Befristungsgesetz. Danach sei "die erneut befristete Einstellung von Beschäftigten mit Vorerfahrung bei der BA nicht mehr möglich", heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die Linken-Anfrage. Das bestätigt auch eine Sprecherin der Bundesagentur: "Sofern nach Auslaufen von Befristungen keine dauerhaften Stellen zur Verfügung stehen, können die betroffenen Mitarbeiter nicht weiter beschäftigt werden." Die befristeten Stellen sind also eine Art Durchlauferhitzer, weil ja gezielt nach Mitarbeitern ohne Vorerfahrungen in der Behörde gesucht wird. Bei den 603 neuen Stellen benötigten diese aber eine "Grundqualifizierung" - und das über "einen Zeitraum von rund 16 Wochen", räumt das Ministerium ein.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, hält dies für absurd: "Gut eingearbeitetes Personal zu entlassen und stattdessen alle paar Monate neue Leute anlernen und diese, wenn sie kompetent sind, wieder zu entlassen, ist Beschäftigungsirrsinn." Dies gelte erst recht, wenn neue Arbeitskräfte vier Monate angelernt werden müssten und wegen der Befristung " vielleicht zum Jahresende schon wieder gehen müssen". Nötig sei stattdessen gut qualifiziertes Personal mit festen Arbeitsverträgen. Die Bundesregierung müsse deshalb die Befristungsgrenze bei den Jobcentern deutlich senken.

Hier hat sich aber schon einiges getan, weil die Bundesagentur sich dafür stark gemacht hat, mit weniger befristet Beschäftigten zu arbeiten. Ihr Anteil in den Jobcentern hat sich seit 2005 von 20 auf zehn Prozent halbiert.

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