Jobcenter:Neue alte Perspektiven

Es lebe das Jobcenter: Die gemeinsame Betreuung durch Arbeitsagentur und Kommunen bleibt wohl erhalten. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

T. Öchsner u. S. Höll

Für Millionen von Hartz-IV-Empfängern bleibt voraussichtlich alles beim Alten: Die Jobcenter, in denen Arbeitsagenturen und Kommunen die Hilfebedürftigen gemeinsam betreuen, sollen nun doch erhalten bleiben. Darauf hat sich die Union nach einem heftigem Streit intern geeinigt. Die Kommunen sollen künftig aber verstärkt Langzeitarbeitslose in Eigenregie betreuen dürfen. Die wichtigsten Fragen und Antworten dokumentiert die Süddeutsche Zeitung.

Jobcenter, Foto: ddp

Erst gab es Zoff, dann eine schnelle Einigung: Die Jobcenter bleiben erhalten.

(Foto: Foto: ddp)

Warum ist eine Neuorganisation überhaupt notwendig?

Die enge Kooperation in den 346 Jobcentern war 2005 entstanden. Damals legte die rot-grüne Regierung Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete aber diese Form der Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen. Die Bürger müssten klar erkennen können, von welche Behörde sie welche Leistungen beziehen. Die Richter verlangten deshalb bis spätestens Anfang 2011 die Hartz-IV-Verwaltung neu zu ordnen.

Was soll sich von 2011 an ändern?

Was soll sich von 2011 an ändern?

Die Ministerpräsidenten der Union und die Fraktionsspitze einigten sich darauf, die Jobcenter im Grundgesetz zu verankern und so die von den Verfassungsrichtern beanstandete "Mischverwaltung" juristisch abzusichern. Der ursprüngliche Plan von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Jobcenter formal wieder aufzuspalten, aber freiwillige Kooperationen von Kommunen und Arbeitsagenturen zu ermöglichen, ist damit hinfällig.

Welche Vorteile hat dieser Beschluss?

Welche Vorteile hat dieser Beschluss?

Am Montag fanden sich für die geplante Grundgesetzänderung nur Befürworter, in den Ländern, den Gemeinden, der Caritas und auch in der Opposition. Denn alle Kenner der komplizierten Materie hatten befürchtet, dass bei einer Aufspaltung der Jobcenter sich die Betreuung der Arbeitslosen verschlechtern und verteuern würde. Die Präsidentin des Deutsches Städtetages, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), sagte: Mit einer Verfassungsänderung "bleibt es bei Hilfen aus einer Hand".

Was passiert mit Kommunen, die Hilfebedürftige in Eigenregie betreuen?

Was passiert mit Kommunen, die Hilfebedürftige in Eigenregie betreuen?

Bislang gibt es 69 sogenannte Optionskommunen, die dies tun. Diese Zahl will die Union erweitern. Dafür haben sich auch der Städtetag und der Deutsche Landkreistag ausgesprochen. Die neue Obergrenze wird aber wohl nicht in der Verfassung fixiert. Dies soll ein Bundesgesetz regeln. Um die Zahl dieser Kreise und Städte nicht ausufern zu lassen, liebäugelt von der Leyen damit, für die Optionskommunen bestimmte Kriterien gesetzlich festlegen zu lassen. Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit (BA), warnte davor, den Faktor Zeit unterzubewerten. "Eng wird es auf jeden Fall", sagte Alt. Jede Kommune, die sich um eine Option bewerbe, müsse sich darüber im Klaren sein, "dass sie in kürzester Zeit unter anderem Software benötigt, Daten eingeben und Akten übernehmen, Liegenschaften und qualifiziertes Personal von Januar 2011 an verfügbar haben muss. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand."

Was sagt die SPD?

Was sagt die SPD?

Die Sozialdemokraten, auf deren Zustimmung die schwarz-gelbe Koalition bei einer Verfassungsänderung angewiesen ist, will über eine begrenzte Ausweitung der Optionskommunen mit sich reden lassen. "Wir wollen dafür eine präzise Zahl", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles. Es dürfe aber keine Kürzungen bei Arbeitsvermittlern geben, auch dürfe die Bundesregierung nicht die Fördermittel für Arbeitssuchende beschneiden. Die ersten Gespräche mit der SPD sollen am Freitag beginnen.

Wie kommentiert die Bundesanstalt für Arbeit die Entscheidung?

Wer beaufsichtigt die Jobcenter und Optionskommunen?

Die Vereinbarung sieht eine "einheitliche Bundesaufsicht" vor. Von der Leyen hält dies für gerechtfertigt, weil der Bund jährlich fast 40 Milliarden Euro für die Grundsicherung ausgibt. Die Kommunen wollen den Einfluss des Bundes jedoch begrenzen. Ein Sprecher des Landkreistages sagte: "Hier kommt es auf das Kleingedruckte an."

Wie kommentiert die Bundesanstalt für Arbeit die Entscheidung?

Wie kommentiert die Bundesanstalt für Arbeit die Entscheidung?

BA-Vorstandsmitglied Alt sagte: Die Entscheidung für eine Verfassungsänderung " ist mit Blick auf den Kalender politisch sicherlich sehr ehrgeizig". Er warnte davor, "sich allein auf eine erfolgreiche Einigung zu konzentrieren". Dies berge zu große Risiken. "Gibt es im Laufe der Verhandlungen keine Einigung, muss an der Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils - sprich der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung - gearbeitet werden", sagte Alt. Der BA-Vorstand kündigte deshalb an, intern auch diese Variante weiter zu verfolgen. "Besser am Ende vorbereitet sein, als später in Hektik und Chaos auszubrechen." Auch von der Leyen bereitet für den Fall einer Nichteinigung mit der SPD Musterverträge vor, die eine freiwillige Kooperation von Kommunen und Arbeitsagenturen erleichtern sollen.

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