Japan: Erdbeben und Tsunami:Größter Schaden aller Zeiten

Erdbeben und Tsunami in Japan stellen die bisher größten Naturkatastrophen weit in den Schatten. Die Schäden könnten sich auf 220 Milliarden Euro belaufen - fast so viel wie der deutsche Bundeshaushalt.

Das verheerende Erdbeben und der Tsunami in Japan dürften als teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten in die Geschichte eingehen: Auf bis zu 25 Billionen Yen oder rund 220 Milliarden Euro beziffert die Regierung in Tokio die Schäden in einer aktuellen Schätzung, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Zum Vergleich: Die Summe entspricht etwa zwei Dritteln des deutschen Bundeshaushalts.

New and used cars are lay scattered in the rubble in front of a S

Der Tsunami hat auch vor Autos und Häusern nicht Halt gemacht.

(Foto: dpa)

Dies wären deutlich mehr als beim Erdbeben von Kobe im Jahr 1995 mit Kosten von rund zehn Billionen Yen. Das Wachstum in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt könnte dadurch um 0,5 Prozent zurückgehen. In der Regierungsprognose, die als Grundlage für Wiederaufbaupläne und die dafür notwendigen Nachtragshaushalte dienen soll, sind den Angaben zufolge Schäden an Straßen, Häusern, Fabriken und anderen Bauobjekten berücksichtigt.

Nicht enthalten seien direkte und indirekte Kosten für die Atomkatastrophe, etwa die Auswirkungen der Stromknappheit. Daher könnten die Kosten noch steigen. Allerdings erwarten Experten auch, dass enorme Investitionen in den Wiederaufbau die Wirtschaft langfristig wieder kräftig belebt.

25 Billionen Yen entsprächen sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft. Die Regierung stellt sich ferner auf ebenfalls hohe zusätzliche Kosten ein. "Die Auswirkungen der erwarteten Stromausfälle werden wohl erheblich sein", sagte der von der Regierung eingesetzte Wirtschaftsexperte Fumihira Nishizaki. Denn es ist bereits absehbar, dass es im Sommer in Japan zu wenig Strom geben wird.

Nur direkte Kosten

Der Kraftwerksbetreiber Tepco, dem das AKW Fukushima gehört, ist auch für die Versorgung im Großraum Tokio zuständig. Dort werden 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes erbracht. Tepco hat durch die Katastrophen 20 Prozent seiner Kapazitäten zur Stromherstellung verloren. Die Mengen aus anderen Regionen zu beziehen, ist nicht möglich, da dort mit einer anderen Stromfrequenz gearbeitet wird. Von den Unterbrechungen dürften Hunderte japanischer Firmen betroffen sein. Allein dem weltgrößten Autobauer Toyota dürften nach Einschätzung der Bank Goldman Sachs durch die Schließung seiner zwölf Werke in Japan pro Tag 74 Millionen Dollar Gewinn entgehen.

Die japanische Notenbank bekräftigte, sie stehe bereit, um die Volkswirtschaft bei Bedarf zu unterstützen. "Um einen reibungslosen Wiederaufbau in den betroffenen Regionen zu unterstützen, werden wir abwägen, welche Maßnahmen wir einleiten können", sagte Ratsmitglied Ryuzo Miyao, ohne konkreter zu werden. Bislang seien die Folgen auf die Wirtschaft nur schwer abzuschätzen. Sie dürfte aber stärker und länger beeinträchtigt werden als nach dem Erdbeben in Kobe vor 16 Jahren, sagte er. Es müsse zudem genau geprüft werden, wie dies die Prognosen für Wachstum und Preise beeinflusse.

Die Bank von Japan hat in den vergangenen Tagen schon viele Milliarden in die Finanzwirtschaft gepumpt, damit den Banken das Geld nicht ausgeht. Zudem hatte sie gemeinsam mit anderen Ländern am Devisenmarkt eingegriffen. Eine Finanzierung der Regierung über einen direkten Kauf von Staatsanleihen lehnt sie aber ab. "Das würde das Vertrauen in die Währung untergraben", sagte Miyao. Japan hat extrem hohe Schulden - die Last ist fast doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung Japans von rund 3,5 Billionen Euro. Kein anderes Industrieland der Welt hat solch hohe Kredite laufen.

Die US-Ratingagentur Moody's geht nach einer Studie davon aus, dass 2011 noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von einem Prozent möglich sei, 2012 dann 2,3 Prozent. Wie erwartet belasten die Katastrophen in Japan auch die Rückversicherer so stark wie selten: Die Kosten für die drei weltweit größten Absicherer von Großschäden summieren sich derzeit auf rund 2,6 Milliarden Euro.

Rückversicherer kassieren Prognosen

So rechnet Branchenprimus Munich Re mit Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro vor Steuern und kassierte am Dienstag sein Gewinnziel für 2011 - zuvor war der Konzern von einem Überschuss in Höhe von 2,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr ausgegangen. Mit einem solchen Schritt hatten Experten bereits gerechnet. Die Swiss Re hatte wiederum ihren Schaden Anfang der Woche auf umgerechnet rund 850 Millionen Euro beziffert. Den Gewinn des drittgrößten Branchenvertreters, der Hannover Rück, wird die Naturkatastrophe ersten Berechnungen zufolge mit 250 Millionen Euro vor Steuern belasten, wie das Unternehmen mitteilte.

Der Rückversicherer äußerte sich noch nicht zu den konkreten Auswirkungen auf die Prognose des Unternehmens. Vorstandschef Ulrich Wallin hatte vor dem Beben einen Gewinn von rund 650 Millionen Euro in Aussicht gestellt, dabei allerdings gesagt, dass es im weiteren Jahresverlauf nicht mehr zu außergewöhnlich vielen Großschäden kommen dürfe. Mit den sonst oft üblichen Schätzungen für den versicherten Gesamtschaden nach einer Naturkatastrophe halten sich die Versicherer aktuell noch zurück. "Aufgrund der Komplexität des Ereignisses liegt eine verlässliche Aussage für einen Gesamtmarktschaden für die Versicherungswirtschaft noch nicht vor", hieß es zum Beispiel bei der Hannover Rück.

Bereits 2010 hatte es vor allem in der zweiten Jahreshälfte ungewöhnlich viele Naturkatastrophen und andere Großschäden gegeben. So hatte die Hannover Rück im vergangenen Jahr insgesamt 662 Millionen Euro für Großschäden verbucht. Höhere Belastungen musste Hannover Rück bisher nur in den Jahren 2001 und 2005 verkraften, als vor allem die Anschläge auf das World Trade Center und zahlreiche Wirbelstürme wie "Katrina" in den USA das Ergebnis belasteten.

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