Japan:Der nächste Boss verneigt sich

Suzuki Motor Chairman and Chief Executive Officer Osamu Suzuki, President Toshihiro Suzuki and a company executive attend bow during a news conference at the Land, Infrastructure, Transport and Tourism Ministry in Tokyo, Japan

Konzernchef Osamu Suzuki (Mitte) senkt sein Haupt: Er bittet zusammen mit Topmanagern seines Konzerns mit einer Verbeugung um Entschuldigung.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Jetzt erfasst der Abgas-Skandal auch Japan mit voller Wucht: Suzuki muss Manipulationen einräumen - und bei Mitsubishi waren sogar die Chefs eingeweiht.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Der japanische Automobil-Skandal weitet sich aus. Nach Mitsubishi hat er nun auch Suzuki in seinen Strudel gerissen. Sollte sich herausstellen, dass noch weitere Marken geschummelt und vertuscht haben, würde dies das Ende jeder Hoffnung bedeuten, Japans Wirtschaft könne in absehbarer Zukunft wachsen. Die Folgen für Japan wären dramatischer als die Auswirkungen des VW-Skandals auf die deutsche Wirtschaft.

Am Mittwoch kündigten der Präsident von Mitsubishi Motors, Tetsuro Aikawa, und sein Vize, Ryugo Nakao, ihren Rücktritt an. Die Manager übernehmen damit die Verantwortung für die übertriebenen Kilometerleistungen, die Mitsubishi seinen in Japan verkauften Modellen seit Jahren zuschrieb. Die Firma testete ihre Kleinwagen mit einer Methode, die in den USA zwar üblich, in Japan aber nicht zugelassen ist. Somit wurden die Angaben um bis zu 15 Prozent geschönt. Aikawa konnte sich nicht mehr halten, nachdem weitere Details der Manipulation bekannt wurden: Die Firmenbosse wussten vom Betrug. Außerdem wurde nicht nur bei vier Kleinwagen-Modellen, von denen Mitsubishi zwei für Nissan baute, sondern auch bei der Hybrid-Variante des Geländewagens "Outlander" getrickst. Vermutlich sind noch weitere Modelle betroffen.

Bis die Teilübernahme von Mitsubishi durch Nissan unter Dach und Fach ist, wird Firmenchef Osamu Masuko auch die Aufgaben des Präsidenten übernehmen. Die Angaben der Mitsubishi-Modelle, die exportiert wurden, sollen nicht manipuliert worden sein. Mitsubishi-Chef Masuko besuchte zwei Tage, bevor er die Öffentlichkeit informierte, Nissan-Chef Carlos Ghosn, um ihm den Betrug zu gestehen - und Mitsubishis Rettung durch Nissan einzufädeln. Mitsubishi ist Japans Nummer sechs und damit ein kleiner Autobauer, der nur etwa 1,2 Millionen Fahrzeuge herstellt, 60 Prozent davon in Japan. Er muss mit hohen Bußen, Rückzahlungen von Umwelt-Boni, Schadenersatzforderungen und Rückkäufen rechnen. Seit der Skandal bekannt wurde, sind die Inland-Bestellungen um die Hälfte eingebrochen. Mitsubishi drohte die Pleite. Wenn Nissan jetzt 34 Prozent übernimmt, ist das genug, um künftig der bestimmende Anteilseigner zu sein, aber nicht so viel, dass Nissan für skandalbedingte Nachforderungen des Staates und von Kunden geradestehen müsste.

Das Transportministerium verlangt nun von den anderen, ihre Methoden offenzulegen

Nach dem Auffliegen der Mitsubishi-Fälschungen verlangte das Transportministerium von den anderen Autobauern, sie sollten ihre Fahrzeuge nachtesten und ihre Methoden offenlegen. Am Mittwoch räumte auch Suzuki "Diskrepanzen" ein und gab zu, ähnliche Methoden angewandt zu haben. Die Nummer vier in Japan und weltweit der neuntgrößte Autobauer bestritt jedoch betrügerische Absichten. Die Abweichungen seien gering.

Japans Wirtschaft hängt vom Auto ab. Im abgelaufenen Geschäftsjahr machten die Autobauer erstmals mehr als 20 Prozent der Industrieproduktion aus. Das entspricht 2,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.

Vor 15 Jahren war die Elektronikindustrie mit einem damals ähnlich hohen Anteil an der Produktion der wichtigste Motor Japans. Aber sie steckt in der Krise: Ihr Anteil an der Industrieproduktion ist seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent gesunken, Aussichten auf Besserung gibt es kaum. Die übrige Maschinenindustrie stagniert. Der Airbag-Hersteller Takata hat gezeigt, wie inadäquat japanische Firmen mit ihren eigenen Fehlern umgehen - erst mit Vertuschen, im Falle von Takata über mehr als ein Jahrzehnt, dann mit Abwiegeln und schließlich mit häppchenweisen Geständnissen und theatralischen Entschuldigungen. Die Zahl der Fahrzeuge, die wegen fehlerhafter Airbags zurückgerufen werden müssen, hat sich inzwischen auf 51 Millionen summiert. Und es können noch mehr werden.

Die drei Großen der japanischen Autoindustrie, Branchenführer Toyota, Honda und Nissan, sind vom gegenwärtigen Skandal nicht betroffen, zumindest bisher. Nissan hat mit seinem Einstieg bei Mitsubishi sogar ein Schnäppchen gemacht - und einen Schritt zur Konsolidierung der Branche geleistet.

Toyota rechnet dennoch für das laufende Jahr mit einem Gewinneinbruch. Das hat nichts mit der Produktion zu tun. Das Unternehmen erwartet sogar, 2016 mehr Autos zu bauen als 2015. Schuld ist der Yen, den Japans Notenbank mit ihrer lockeren Währungspolitik gegenüber dem US-Dollar drei Jahre lang um bis zu 60 Prozent künstlich schwächte. Die repatriierten Profite der Exportkonzerne wurden dadurch - in Yen umgerechnet - aufgeblasen. Nun zieht der Yen wieder an. Als Toyota-Chef Akio Toyoda auf seiner Bilanzpressekonferenz warnte, er rechne für 2016 mit 40 Prozent weniger Gewinn, allerdings immer noch etwa 12 Milliarden Euro, nannte er den Wechselkurs als wichtigsten Grund. Die Konkurrenz erst danach. Die japanische Autoindustrie bewegt sich somit selbst ohne Skandale auf magerere Jahre zu. Japans Abhängigkeit vom Auto birgt überdies die Risiken einer Monokultur. Als Erdbeben die Westinsel Kyushu Mitte April heimsuchten, wurde ein Werk eines Autozulieferers beschädigt. Toyota und Honda mussten ihre Produktion unterbrechen. Erst nach vier Wochen konnte Toyota wieder zum Normalbetrieb übergehen.

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