Süddeutsche Zeitung

Japan Airlines:Insolvenz als letzte Chance

Zehn Milliarden Euro Schulden und keine Besserung in Sicht: Japan Airlines taumelt dem Abgrund entgegen. Nun soll die Fluglinie in einem Insolvenzverfahren saniert werden.

Jens Flottau

Die japanische Regierung erwägt offenbar, Japan Airlines (JAL) in einem Insolvenzverfahren sanieren zu lassen. Die Enterprise Turnaround Initiative Corporation (Etic), die im Auftrag der Regierung die Rettungsbemühungen bei Asiens größter Fluggesellschaft begleitet, hat diese Möglichkeit in den Verhandlungen mit Gläubigern und möglichen Geldgebern ins Gespräch gebracht. Die Regierung machte lediglich deutlich, sie werde einen sicheren und zuverlässigen Flugbetrieb unterstützen, nicht unbedingt das Unternehmen an sich.

Japan Airlines steckt mit nur kurzen Unterbrechungen seit Jahren in der Dauerkrise. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens hat sich in der Finanzkrise verschärft, die Schulden betragen gut zehn Milliarden Euro. JAL hatte die Regierung im Oktober um Hilfe gebeten, um die Pleite abzuwenden. Zwar steht eine grundsätzliche Zusage für Kreditbürgschaften in Höhe von etwa 1,1 Milliarden US-Dollar im Raum, jedoch ist immer noch nicht geklärt, unter welchen Bedingungen das Geld fließen könnte. Die wichtigsten Gläubiger wollen eine Insolvenz verhindern, weil sie dann einen Teil ihrer Ansprüche zu verlieren drohen.

Monat der Entscheidung

Für JAL wird der Januar offenbar der entscheidende Monat. Etic will dann beschließen, ob die Airline eine Brückenfinanzierung und Bürgschaften erhält, um die Pleite zu verhindern oder ob das Unternehmen Insolvenz anmelden muss. Außerdem will JAL entscheiden, ob sie in der Oneworld-Allianz (mit American Airlines und British Airways) bleibt oder zur konkurrierenden Skyteam-Gruppe (Air France-KLM, Delta) wechselt. Beide Allianzen haben JAL große finanzielle Hilfen und eine Beteiligung am Unternehmen angeboten.

Dass die Entscheidung noch im Januar falle, ist einer Sprecherin zufolge "sehr wahrscheinlich." Würde Oneworld der Partner in Japan verloren gehen, so würde dies die Gruppe massiv schwächen. Es ist fraglich, ob JAL mit Delta kooperiert, die US-Airline ist auf den Transpazifik-Strecken bereits stark vertreten. Die US-Wettbewerbsbehörden dürften einen Zusammenschluss, bei dem die Streckennetze stark überlappen, äußerst kritisch sehen.

Strukturelle Probleme

Japan und die USA haben sich erst vor wenigen Tagen auf ein sogenanntes Open Skies-Abkommen geeinigt, das die Verkehrsrechte zwischen beiden Staaten weitgehend freigibt. American würde deswegen gerne die Freigabe dafür bekommen, mit JAL künftig auch Kapazitäten, Preise und Flugpläne absprechen zu dürfen. Ihr Argument: In einem weitgehend freien Markt, in den auch neue Anbieter einsteigen können, hätte solch eine Zusammenarbeit keine negativen Folgen für die Verbraucher. JALs großer lokaler Konkurrent All Nippon Airways hat genau das bereits für sich und seine US-Partner United und Continental Airlines beantragt und setzt den kriselnden Konzern damit unter noch mehr Druck.

Die Probleme von JAL sind zum großen Teil strukturell bedingt und hausgemacht. Einst hatte die bis 1987 staatliche Japan Airlines wie die längst vom Markt verschwundenen US-Airlines Pan Am und TWA kaum Inlandsflüge, die als Zubringer für die Langstrecke dienen konnten. 2002 kaufte sie deswegen Japan Air System. Die teure Integration dauerte Jahre, in der Zeit verpasste JAL den Anschluss an wichtige Branchentrends und schloss sich erst 2007 der Oneworld-Allianz an - fast zehn Jahre, nachdem die ersten globalen Bündnisse entstanden waren.

Die über lange Zeit schlechte Wirtschaftslage Japans machte der sechstgrößten Fluggesellschaft der Welt ebenfalls schwer zu schaffen, aber erst 2009 begann sie, die alten Vormachtsansprüche zu hinterfragen und ihr internationales Streckennetz deutlich zu verkleinern. ANA, die einst fast nur Inlandsziele ansteuerte, hat sich mit Hilfe der Star Alliance zu einem immer bedeutenderen internationalen Anbieter gemausert.

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SZ vom 29.12.2009/tob
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