Japan:Abes Träume

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Japans Premier Shinzo Abe will mal wieder die Konjunktur beleben. Denn das Land steckt immer noch in der Rezession und erneut in der Deflation. Die Bilanz ist umso dramatischer, als der Konsum bereits 2014 schwach gewesen ist.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die privaten Haushalte in Japan haben im Oktober 2,4 Prozent weniger Geld ausgegeben als vor einem Jahr. Das Land steckt in einer Rezession und erneut in der Deflation. Dabei hätte Premier Shinzo Abes Konjunkturprogramm "Abenomics" die Wirtschaft ankurbeln sollen. Abe hatte jüngst neue Ziele angekündigt: So will er Nippons Wirtschaftsleistung von knapp 500 Billionen Yen, etwa 3,8 Billionen Euro, bis 2020 auf 600 Billionen Yen anheben. Dazu wäre ein Jahreswachstum von mehr als drei Prozent nötig - aber die Wirtschaft schrumpft. Außerdem will er die Geburtenrate in fünf Jahren von derzeit 1,4 auf 1,8 steigern. Und niemand soll mehr seinen Job aufgeben müssen, um Verwandte zu pflegen, wie heute üblich. Wie er die surreal anmutenden Ziele erreichen will, verrät Abe nicht. Bekannt ist bloß, dass er 500 000 Krippenplätze schaffen will.

Die Oktoberbilanz ist umso dramatischer, als der Konsum bereits im Vorjahr schwach gewesen ist. Damals machte Tokio die Mehrwertsteuererhöhung im April 2014 dafür verantwortlich. Anderthalb Jahre später geht das nicht mehr. Viel eher fehlt den meisten Japanern das Geld, das sie zusätzlich ausgeben könnten. Obwohl Vollbeschäftigung herrscht, stagnieren die Löhne. Manche Stelle bleibt unbesetzt. Nicht einmal die Großkonzerne haben die höhere Mehrwertsteuer ausgeglichen. Sie geben ihre Rekordprofite nicht weiter, obwohl Abe sie dazu drängt. Sie wandeln auch kaum Zeitstellen in feste Jobs um. Ältere Japaner, die noch Geld haben, fürchten um ihre Zukunft, zumal da Abe ihnen die Renten kürzte. Sie fühlen sich um die Zinsen auf ihre Ersparnisse geprellt, mit denen sie gerechnet hatten.

Die Notenbank hat stets behauptet, die Japaner kauften zu wenig, weil sie wegen der Deflation auf niedrigere Preise warteten. Diese Erwartung wollte Notenbankchef Haruhiko Kuroda mit seiner Lockerung der Geldpolitik durchbrechen. Bereits voriges Frühjahr sollten die Preise bei zwei Prozent Inflation stabilisiert werden. Nun haben die Preise wieder drei Monate in Folge nachgegeben, diesmal um 0,1 Prozent. Das wird mit dem Ölpreis und Chinas Abschwung erklärt. Nur die eigene Politik hinterfragt Tokio nicht. Stattdessen will Abe ein neues Konjunkturpaket auflegen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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