Plan der Bundesregierung:Raus aus dem Krisenmodus

Plan der Bundesregierung: In Bremerhaven fahren Busse schon mit Wasserstoff. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Einsatz von Wasserstoff beschleunigen.

In Bremerhaven fahren Busse schon mit Wasserstoff. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Einsatz von Wasserstoff beschleunigen.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Corona, Ukraine, Inflation: Seit fast drei Jahren ist die Bundesregierung praktisch nur noch mit der Problembewältigung beschäftigt. 2023 soll sich das ändern.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Nach fast drei Jahren der reinen Problembekämpfung plant die Bundesregierung für 2023 ein ganzes Bündel an Reformen, um den Krisenmodus zumindest ein Stück weit hinter sich zu lassen und den Grundstein für eine "Erneuerung des Wohlstands in Deutschland" zu legen. Das geht aus dem Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts hervor, den das Wirtschaftsministerium am Freitagabend mit der Bitte um Stellungnahme an die übrigen Fachressorts verschickte. Im Mittelpunkt der Agenda sollen nach Angaben aus Ministeriumskreisen der Kampf gegen den Fachkräftemangel, verbesserte Investitionsbedingungen für Unternehmen, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Beschleunigung der Energiewende und ein Neuanlauf in der Handelspolitik stehen.

Führende Regierungsvertreter, aber auch viele Interessengruppen, hatten in den vergangenen Monaten immer wieder beklagt, dass die Politik angesichts der jahrelangen Dauerbeschäftigung mit der Corona-Pandemie, dem russischen Überfall auf die Ukraine, der hohen Inflation und der Energiekrise kaum noch dazu komme, über den Tag hinaus strategisch zu planen. Mit dem Jahreswirtschaftsbericht für 2023 unternimmt das Haus von Ressortchef Robert Habeck (Grüne) nun zumindest den Versuch, die Beseitigung dieses Missstands Schritt für Schritt anzugehen. Der Bericht soll im Januar vorgestellt werden.

Besondere Sorge bereitet der Regierung den Kreisen zufolge die zunehmende Knappheit an Fachkräften. Um diesen Trend umzukehren, sollen nicht nur gezielt qualifizierte Arbeitnehmer im Ausland angeworben werden, vielmehr will die Ampelkoalition auch die Anreize für hiesige Beschäftige erhöhen, freiwillig länger zu arbeiten. So könnten Bürger, die ihren Job über das Regelrentenalter hinaus ausüben, dafür eine finanzielle Prämie erhalten. Zudem plant die Regierung Reformen im Bildungswesen, um eine zunehmende soziale Spaltung zu verhindern.

Unternehmen investieren viel zu wenig

Ein weiterer Schwerpunkt soll auf der Förderung von Investitionen liegen, denn viele Unternehmen stecken angesichts der krisenbedingten Unsicherheiten derzeit zu wenig Geld in die Entwicklung und die Herstellung moderner Produkte. Um dies zu ändern, sollen Firmen Investitionen künftig schneller steuermindernd abschreiben können. Darüber hinaus will das Wirtschaftsministerium den Betrieben bessere Möglichkeiten zur steuerlichen Verrechnung vorübergehender Verluste mit vergangenen oder künftigen Gewinnen eröffnen. Zur Beschleunigung der Energiewende setzt Habeck außerdem auf den beschleunigten Einsatz von Wasserstoff, der bei der Wärmegewinnung und manchen Industrieprozessen herkömmliches Erdgas zunehmend ersetzen soll.

In der Handelspolitik will das Ministerium laut Berichtsentwurf gezielte Schritte einleiten, um die Abhängigkeit Deutschlands in strategisch wichtigen Bereichen zu verringern, ohne Europa abzuschotten. So soll etwa die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) künftig frühzeitig Alarm schlagen, wenn Angebots- und Versorgungsengpässe auf einzelnen Rohstoffmärkten drohen. Zudem will sich die Regierung für eine Reform der Welthandelsorganisation einsetzen, die künftig wieder als Schlichter in internationalen Handelskonflikten auftreten und zudem auf die Umsetzung der Pariser Klimaschutzbeschlüsse und der UN-Nachhaltigkeitsziele verpflichtet werden soll.

Zugleich wird der Jahreswirtschaftsbericht - Stand heute - die Einschätzung der Bundesregierung und vieler Ökonomen bestätigen, dass die konjunkturelle Entwicklung im kommenden Jahr nicht ganz so schlecht ausfallen könnte wie zeitweise erwartet. Selbst wenn es zu einer "technischen Rezession" kommen sollte, werde diese wohl weniger gravierend werden, hieß es in den Ministeriumskreisen. Mitte Oktober hatte die Bundesregierung vor allem wegen der Energiekrise ihre Konjunkturprognose deutlich gesenkt. Die Regierung rechnet demnach für 2022 nur noch mit einem Wachstum von 1,4 Prozent, im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft sogar um 0,4 Prozent schrumpfen. Sinkt das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale nacheinander, spricht man von einer "technischen Rezession".

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