Jahreswechsel:2018 muss endlich das Jahr der Reformen werden

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Gute Zeiten sind keine Zeiten für Reformen, sagt man. Doch 2018 könnte die letzte Chance dafür sein. (Foto: picture alliance / Markus Scholz)

Deutschland hat sich von seinem eigenen Boom einlullen lassen. Verkehr, Bildung, Digitalisierung - darüber wurde viel geredet, aber mehr auch nicht. Schluss damit!

Kommentar von Marc Beise

Jetzt warnen sie wieder: vor einer Überhitzung der Wirtschaft. Vor der ultimativen Gefahr der lockeren Geldpolitik. Vor einem Ende der Börsenrally. Sicher nicht sofort kommt der Absturz, das ist der Tenor vieler Prognosen zum Jahreswechsel, aber der Moment der Umkehr naht. Anzeichen findet, wer die Wirtschaftsdaten genau analysiert. Hören will man es nicht, denn der aktuelle Aufschwung tut so gut; er ist einer der längsten und heftigsten in Deutschland, es ist ein regelrechter Boom.

Nicht jeder hat von ihm profitiert, das ist auch wahr, es gibt Arme in der Gesellschaft und Arbeitnehmer in kriselnden Branchen, Niedriglöhner und Menschen in unsicheren Arbeitsverhältnissen. Aber in der Summe geht es dem Land gut, sogar die Renten steigen. Die Produktion läuft auf Hochtouren, selbst in Branchen mit traditionell schmalen Gewinnmargen wird ordentlich verdient.

Allerdings: Nach aller Erfahrung wird es so nicht ewig weitergehen. Die Zeiten, als Wissenschaftler und Börsianer an einen immerwährenden Aufschwung glaubten, sind lange vorbei. Gerade weil also dieser Aufschwung schon so lange anhält, wächst die Gefahr, dass er bald zu Ende sein könnte. Es bringt aber wenig, darüber heute zu lange nachzudenken. Niemand kann wissen, wann der Moment der Umkehr kommt. Noch nicht einmal die Frage, ob wirklich eine Überhitzung in Sicht ist, ob sich bereits "Blasen bilden", kann seriös geklärt werden. Die Ökonomie ist keine Mathematik, es geht immer auch um das Verhalten von Menschen, und das ist nur begrenzt vorherzusehen.

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Die Wirtschaft brummt, doch gleichzeitig verfallen Straßen und Schulen. Die Politik schaut tatenlos zu - dabei muss sie jetzt dringender denn je an die Zukunft des Landes denken.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Besser also, man hält sich an die Dinge, die klar erkennbar sind und aktuell beeinflusst werden können. Dazu gehört die Erkenntnis, dass Deutschland seinen Boom schlecht genutzt hat. Weder sind wirklich alle dringenden Verkehrsprojekte realisiert worden, die diese hochvernetzte Volkswirtschaft braucht. Noch sind Schulen umfassend gefördert und aufgerüstet worden, obwohl doch Bildung der Schlüssel für zukünftigen Wohlstand ist. In der Digitalisierung liegt Deutschland im internationalen Vergleich weiter weit hinten. Das ist die Schattenseite des Booms: Er macht träge und unaufmerksam. Er lullt ein.

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist gern der Satz zu hören, dass alle jene Unternehmen nicht überleben werden, denen es heute besonders gut geht - eben weil sie die Notwendigkeit von Veränderungen nicht sehen. Der Lehrsatz gilt abgewandelt auch in der Politik. Sie hat den Schatz der guten Jahre nicht gehoben. Hat nicht den Arbeitsmarkt auf die neuen Freiheiten, aber auch Gefahren des digitalen Zeitalters eingestellt. Hat nicht die Sozialsysteme darauf vorbereitet, dass sie künftig durch eine schrumpfende Bevölkerung herausgefordert werden. Hat keine Steuerreform beschlossen, die das System transparenter, einfacher, gerechter und damit leistungsfähiger gemacht hätte.

Deutschland hat aktuell nicht einmal eine handlungsfähige Bundesregierung

Über all das ist in den vergangenen Jahren viel geredet worden, aber eben nur das. Deutschland hat ja nicht mal mehr eine Bundesregierung, die wirklich handlungsfähig wäre, schon seit dem Sommer nicht. Wenn aber in Unternehmen vorgesorgt wird, wenn ein Management Einschnitte verkündet, deren Notwendigkeit sich nicht automatisch durch eine große, am besten existenzbedrohende Krise erklärt, dann wird es dafür geprügelt.

Gute Zeiten, sagt man, sind keine Zeiten für Reformen. Das beschreibt die Versäumnisse der vergangenen Jahre. 2018 könnte die letzte Chance sein, in guten Zeiten zu agieren - bevor man in schlechteren Zeiten nur noch reagieren kann.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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