Jahresvorausblick 2017:Mit Vorsicht zu genießen

Jahresvorausblick 2017: Was bringt das nächste Jahr? Analysten wagen nun routinemäßig einen Blick in die Glaskugel. Doch oft lagen sie mit ihren Einschätzungen schon völlig daneben.

Was bringt das nächste Jahr? Analysten wagen nun routinemäßig einen Blick in die Glaskugel. Doch oft lagen sie mit ihren Einschätzungen schon völlig daneben.

(Foto: Mauritius Images/Image Source/Pete Saloutos)

2016 war das Jahr der negativen politischen Überraschungen. Für 2017 sind die Experten mit ihren Prognosen deshalb zurückhaltend. Sicher sind sie sich nur über eines: dass es unsicher bleibt.

Von Harald Freiberger

Die Zukunft vorherzusagen, war auch schon mal einfacher. Dieser Eindruck drängt sich bei der Durchsicht der Kapitalmarktausblicke für 2017 auf, die in diesen Tagen ähnliche Konjunktur haben wie Glühwein und Plätzchen. Großbanken, Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter wagen zum Jahresende routinemäßig den Blick in die Glaskugel. Doch nach den irritierenden Ereignissen des Jahres 2016 scheint dieser Blick in die Zukunft so schwer wie kaum je zuvor zu sein. "Unsicherheit ist die neue Normalität geworden", fasst Vaamo Finanz, ein Marktplatz für Onlinegeldanlage, die Lage zusammen und zitiert Joachim Ringelnatz: "Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht."

So lassen die Auguren diesmal Vorsicht walten. "Auch 2017 könnte zu einem Jahr der Überraschungen werden, die sich per definitionem nicht vorhersagen lassen", schreibt die Fondsgesellschaft Fidelity. Das erinnert an ein Bonmot, das dem Physiker Niels Bohr zugeschrieben wird, von dem aber auch Sir Winston Churchill und Karl Valentin Gebrauch machten: "Prognosen sind schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen." Ein kurzer Rückblick auf die Zeit vor genau einem Jahr, als die Prognosen für 2016 auf den Markt kamen. Die US-Notenbank Fed hatte gerade erstmals seit neun Jahren die Leitzinsen wieder erhöht. Man erwartete, dass dies 2016 so weitergehen und die Geldpolitik sich langsam normalisieren würde - mit weitreichenden Folgen für die Kapitalmärkte: Wenn es wieder einen Zins gibt, werden Anleihen attraktiver und Aktien sowie Immobilien weniger attraktiv.

Dann aber kam es ganz anders. Pünktlich mit dem Jahresbeginn setzten große Sorgen um Chinas Wirtschaft ein, die weltweit die Börsen einbrechen ließen. Die Sorgen setzten sich das ganze Jahr über fort: Im Juni das völlig überraschende Brexit-Referendum, im Juli der niedergeschlagene Putsch in der Türkei, im November die erschütternde Trump-Wahl in den USA. Wegen der Belastungen für die amerikanische Wirtschaft traute sich die US-Notenbank Fed die Zinsen das ganze Jahr nicht zu erhöhen, erst vor einer Woche wagte sie den nächsten Schritt. Die Normalisierung der Geldpolitik wurde also um ein Jahr verschoben.

Wer hätte das vorhersehen können? Was die Experten 2016 zusätzlich irritierte, war, dass sich die Börsen von diesen Ereignissen nicht irritieren ließen. Die Aktien zogen schon zwei Tage nach dem Brexit-Votum und zwei Stunden nach der Trump-Wahl wieder an. So sieht die Bilanz des Aktienjahres 2016 trotz aller politischen Kalamitäten positiv aus. Der US-Aktienindex Dow Jones etwa steht kurz vor der Rekordmarke von 20 000 Punkten.

Wer wollte da noch Prognosen wagen? Und so leiten viele Experten ihre Ausblicke für 2017 mit Sätzen ein, die im Grunde sagen, dass sie auch nichts wissen. Motto: Sicher ist nur die Unsicherheit. "Politische Unsicherheit, zunehmender Populismus und politische Divergenz werden 2017 dominieren", heißt es bei der Fondsgesellschaft Columbia Threadneedle. "Die große Unbekannte bleibt die Politik", schreibt Deutsche Bank Asset Management und nennt neben Trump und Brexit die Wahlen in Frankreich sowie Deutschland mit der zunehmenden Sorge vor Populismus.

Durchsucht man die Ausblicke für 2017 auf Konkretes und fasste alles zusammen, würde dies ungefähr so aussehen: Die Weltwirtschaft steht gar nicht so schlecht da, die Deutsche Bank etwa prognostiziert ein weltweites Wachstum von 3,5 Prozent. Damit läge das Wachstum im achten Jahr in Folge über drei Prozent. So etwas gab es zuletzt in den Sechzigerjahren.

Die Fed könnte die Zinsen erhöhen - alles unter Vorbehalt natürlich

Trumps Ankündigungen, die Konjunktur anzukurbeln und die Steuern zu senken, werden das Wachstum in den USA anziehen lassen, aber auch die Staatsverschuldung erhöhen. Das Risiko seiner Politik ist ein verschärfter Protektionismus, der im schlimmsten Fall in einen Handelskrieg ausartet und die Wirtschaft gefährdet. Der US-Dollar wird stärker, was besonders für Schwellenländer Probleme mit sich bringen kann. Experten rechnen damit, dass die Inflation deutlich anzieht - auch in Europa. Die Deutsche Bank prognostiziert in einem Jahr 1,4 Prozent. Also das Ende der Deflationsgefahr, die über Jahre in Europa an die Wand gemalt wurde.

Die Fed wird die Zinsen weiter erhöhen, der Anstieg könnte aber weniger deutlich ausfallen, als von manchen erwartet. In Europa kommen höhere Zinsen ohnehin erst frühestens 2018. Damit würde auch die Zinswende bei Anleihen weniger deutlich ausfallen, Zinsanlagen blieben relativ unattraktiv - und Aktien im Gegenzug weiter attraktiv. Die britische Großbank HSBC sieht besonders europäische Aktien positiv, da sie Aufholpotenzial hätten, ein Kursplus von 20 Prozent sei 2017 möglich. Soweit die Prognosen, alles unter dem Vorbehalt der Unsicherheit. Fast alle Experten raten bei dieser Ausgangslage, "ihr Geld breit diversifiziert anzulegen, um allen Eventualitäten am Markt gewappnet gegenüberstehen zu können", wie es Vaamo Finanz ausdrückt. Breit zu diversifizieren, hat noch nie geschadet, so viel zumindest ist sicher.

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