Süddeutsche Zeitung

Jahresversammlung von Berkshire Hathaway:Willkommen bei Warren

Die Jahresversammlung seiner Holding-Gesellschaft nennt man nicht umsonst das "Woodstock der Kapitalisten" - Warren Buffett ist der erfolgreichste Investor aller Zeiten. Nur: Was wird aus seinen Milliarden?

Von Nikolaus Piper, Omaha, Nebraska

Ja, so mögen sie ihn, den Warren Buffett. Der legendäre Investor singt im Duett mit dem ebenfalls legendären Paul Anka und macht sich sowohl über sein mangelndes Talent als auch über sein Alter (83) und die Sorgen der Aktionäre ob dieses Alters lustig. Das Video läuft zu Beginn der Jahresversammlung von Buffetts Holding Berkshire Hathaway, und die Baseball-Arena von Omaha jubelt, erst recht, als Paul Anka auch noch selbst aus dem Publikum grüßt. Vielleicht hat der eine oder die andere für Anka, heute 72, geschwärmt, als dieser 1957 seinen Welthit "Diana" in die Charts brachte.

Es ist das erste Wochenende im Mai und das "Woodstock der Kapitalisten" (O-Ton Buffett) strebt seinem Höhepunkt zu. Knapp 40 000 Anteilseigner sind in die Präriestadt gekommen - mehr als je zuvor. Menschen, die Buffett reich gemacht oder die hoffen, dass er das noch tun wird, dazu jede Menge Profis von der Wall Street. Ein paar hatten schon Gelegenheit, in einem Wettbewerb gegen den Meister anzutreten, bei dem es darum ging, eine Ausgabe des Omaha World-Herald (gehört Buffett seit 2011) möglichst treffsicher zu werfen. Microsoft-Gründer und Buffett-Verwaltungsrat Bill Gates war auch mit dabei, wie jedes Jahr.

Buffetts Aktionärstreffen ist keine normale Hauptversammlung mit Anträgen und filibusternden Kleinaktionären. Eher gleicht sie einer Feierstunde: Auf der Bühne sitzen Buffett und sein Vize Charles (Charlie) Munger mit einer Packung See's Candies (gehört zu Berkshire) und beantworten die Fragen der Aktionäre - über fünf Stunden lang. Alles ist locker, entspannt und unaggressiv.

Wer es nicht weiß, der ahnt nicht, dass es ein paar ernste Fragen zur Zukunft des Unternehmens gibt.

"Nach heutigen Geschäftsstandards sind wir ziemlich schlampig."

Die offensichtlichste dieser Fragen: Was wird sein, wenn der heute 83-Jährige die Firma nicht mehr führen kann? Er hat einen Nachfolgeplan, aber dieser Plan ist immer noch vage. Zwei Chief Investment Officers gibt es mittlerweile - Todd Combs und Ted Weschler. In seinem Brief an die Aktionäre lobt er die beiden in den höchsten Tönen: Ihre Investitionsentscheidungen seien besser gewesen als seine eigenen. Hoch gelobt wird auch Ajit Jain, der Chef der Rückversicherungen von Berkshire. Die drei sind sicher Männer der Zukunft. Als Chairman, also als Vorsitzenden des Verwaltungsrats, hat Buffett bereits seinen ältesten Sohn, den heute 59-jährigen Howard Buffett vorgesehen. Er hat bisher ziemlich wenig mit Investitionen zu tun gehabt und soll dafür sorgen, dass die Firmenkultur bei Berkshire gewahrt bleibt, sagt der Vater. Ein Aktionär will wissen, wer eigentlich Charlie Munger ersetzen wird. Die Frage ist sehr berechtigt, denn der Vize ist 90 Jahre alt, und für den Erfolg von Berkshire genauso wichtig wie Buffett selbst. Dieser flüchtet sich in Humor: "Charlie ist 90 geworden, und ich finde es ermutigend, wie er mit dem mittleren Alter umgeht."

Es geht aber nicht nur um Personen, sondern auch um das Geschäftsmodell selbst. Ohne Frage ist Buffett der erfolgreichste Investor der Geschichte. Mit einem Vermögen von 65 Milliarden Dollar ist er heute der drittreichste Mann der Welt. Und er lässt seine Aktionäre teilhaben. Wer vor knapp 50 Jahren, als Buffett eine marode Textilfabrik namens Berkshire Hathaway erwarb, bei ihm elf Dollar in eine Aktie investierte, der hatte am vorigen Freitag 192 255 Dollar. Die durchschnittliche Jahresrendite liegt bei 21 Prozent.

Dieser Erfolg ist auf das Genie von Buffett und Munger zurückzuführen: Sie setzten konsequent ihr Konzept um, unterbewertete, aber gute Firmen zu erwerben und das alte Management einfach weiter arbeiten zu lassen. In der heutigen Zeit wirkt das sehr altmodisch. "Nach heutigen Geschäftsstandards sind wir ziemlich schlampig", sagte Buffett am Samstag vor den Aktionären, und Munger ergänzte: "Wir sind sehr vertrauensselig."

Bisher hat das alles glänzend funktioniert, aber das Modell stößt an Grenzen. Mit einer Marktkapitalisierung von 316 Milliarden Dollar ist Berkshire heute das fünftgrößte Unternehmen der USA. Es gibt einfach nicht genügend attraktive Deals, die bei dieser Größe Wachstum garantieren. Zuletzt übernahm Buffett bei einem untypischen Deal zusammen mit dem Finanzinvestor 3G die Traditionsfirma Heinz Ketchup, nur um dort 600 Arbeitsplätze abzubauen - bisher undenkbar. Buffett stellt das Problem so dar: "Es kann bald sein, dass wir mehr Geld haben, als wir intelligent investieren können."

Und dann gibt es noch den zweiten Teil des Geschäftsmodells: Buffett hat zwar Milliarden in alle möglichen Branchen investiert - von Energieversorgern über die Eisenbahn BNSF bis zu Lokalzeitungen. Im Kern ist Berkshire jedoch ein Versicherungskonzern geblieben (BH Reinsurance, General Re und die Autoversicherung Geico). Buffetts Genie bestand darin, den so genannten Float dieser Versicherungen, also Prämien, die bereits gezahlt sind, aber noch nicht für Schadensfälle verwendet werden müssen, hochprofitabel zu investieren und trotzdem immer genügend Reserven zu haben. Dieser Float wird auf absehbare Zeit eher sinken, glaubt Buffett.

Noch ist von den Problemen wenig zu spüren. Die Aktie liegt nahe des Allzeithochs, der Gewinn ist im ersten Quartal zwar etwas geringer ausgefallen als erwartet, aber das stört in Omaha niemanden. Dass die Zukunft schwieriger werden könnte, lässt sich erst auf den zweiten Blick erkennen: In vier der vergangenen fünf Jahre hat Buffett sein selbst gestecktes Ziel verfehlt, mit dem Buchwert den Aktienindex S&P 500 zu schlagen.

Manche Analysten ziehen daraus den Schluss, dass Buffett sein Erbe am besten dadurch schützt, dass er Berkshire zerschlägt. "Da ist was dran", sagt Hendrik Leber, Chef der Frankfurter Vermögensverwaltung Acatis, der seit 1997 jedes Jahr nach Omaha kommt. "Es liegt derzeit ein Buffett-Malus auf der Aktie." Der Bonner Verleger und Investor Norman Rentrop hält dagegen: "Buffett schafft immer noch Wert durch seine Art, den Float zu investieren und dadurch, dass er eine Firmenkultur schafft, die Familienunternehmer dazu bringt, unter Preis zu verkaufen."

"Wir hatten keine Lust, gegen Coca-Cola in den Krieg zu ziehen."

Aber auch Skeptiker Leber ist ein glühender Buffett-Fan: "Für mich sind am wichtigsten seine Antworten auf die Fragen der Aktionäre. Die liefern für ein halbes Jahr Stoff zum Nachdenken." Man glaubt dem Orakel von Omaha. Das zeigt sich auch bei Randthemen: Buffett hatte einige Kritik auf sich gezogen wegen der hohen Manager-Gehälter bei Coca-Cola, wo Berkshire einen Anteil von 9,1 Prozent hält. Buffett hatte die Bezahlung als "exzessiv" bezeichnet, aber nichts getan, um sie zu verhindern.

"Wir hatten keine Lust, gegen Coca-Cola in den Krieg zu ziehen", sagt Warren Buffett in Omaha zur Begründung. Eine Antwort, die genügt, um die Aktionäre zufrieden zu stellen.

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Quelle:
SZ vom 05.05.2014
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