Süddeutsche Zeitung

IWF-Tagung:Ein Minister im Verteidigungsmodus

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Von Cerstin Gammelin, Reykjavik

Es sind keine guten Zeiten für Investoren - und auch nicht für den deutschen Finanzminister. Olaf Scholz bestreitet das nicht. "Ich glaube, dass es jetzt das Wichtigste ist, die politischen Risiken zu beseitigen. Es ist unsere Aufgabe, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit Unternehmen und Verbraucher investieren", sagte der SPD-Minister in Reykjavik, wo er auf dem Weg zur Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) einen Tankstopp einlegen musste.

In Washington warten heikle Gespräche auf Scholz, unter anderem mit den wichtigsten Verbündeten Frankreich und den USA. Die Konflikte wirken bedrohlich: Der Handelsstreit zwischen den Weltmächten China und USA, die schwelende Drohung der Trump-Administration, Einfuhrzölle auf europäische - und vor allem deutsche - Autos zu erheben und der aufgeschobene Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union haben das Wachstum weltweit deutlich ausgebremst. Für Deutschland haben sich die kurzfristigen Wachstumsprognosen mehr als halbiert. Scholz gibt sich zweckoptimistisch, warnt vor zu viel Pessimismus. Er hält den Abschwung für weitgehend hausgemacht und bezieht sich auf Prognosen der Konjunkturforscher, die erwarten, dass nach der Delle in diesem Jahr das Wachstum 2020 wieder anzieht. Vorausgesetzt, dass die politischen Risiken abgebaut werden.

Das will auch Deutschlands engster Verbündeter - allerdings mit Hilfe eines Vorschlages, der Scholz nicht gefallen dürfte. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire überraschte den deutschen Kollegen am Donnerstag mit der Forderung, einen "neuen europäischen Wachstumspakt" aufzulegen. Die Staaten der Euro-Zone, die haushälterische Spielräume hätten, sollten Konjunkturpogramme auflegen, so das Wachstum in der Eurozone anschieben und damit schwächeren Staaten helfen. Man könnte auch sagen: Die Länder im Norden sollen denen im Süden helfen.

"Es gibt viele Länder in der Euro-Zone, die die Mittel haben, mehr zu investieren", sagte Le Maire der Financial Times. Er nannte Deutschland, die Niederlande und Finnland. Le Maire warnte ausdrücklich vor einer neuen Krise. "Die Euro-Staaten haben noch nicht alle Maßnahmen ergriffen, um sich gegen eine neue Wirtschafts- oder Finanzkrise zu rüsten. Und jetzt unterlassen sie Maßnahmen, die nötig sind, um das Wachstumspotenzial auszuschöpfen." Le Maire steht mit seiner Forderung nicht alleine da. Ähnliche Vorschläge gibt es auch im IWF selbst - sie werden jedoch innerhalb den Funds kontrovers diskutiert.

Das Verhältnis von Le Maire und Scholz ist überschattet

Die Forderung des Franzosen sind als deutliche Kritik an der Bundesregierung zu verstehen. Scholz steht in Washington ein schwieriges Gespräch bevor. Das Verhältnis der beiden Minister ist - anders als bei ihren Amtsvorgängern - immer wieder von Streitigkeiten überschattet. Scholz lehnte die von Le Maire dringend gewünschte Digitalsteuer ab, weil er zunächst eine Einigung mit den USA auf Ebene der OECD-Industriestaaten erreichen will. Paris führte diese schließlich zusammen mit einigen anderen EU-Staaten im Alleingang ein. Enttäuscht ist Paris darüber, dass es keinen starken Euro-Zonen-Haushalt geben wird, sondern nur eine komplizierte Hilfskonstruktion, die mehr einem weiteren Strukturhilfefonds ähnelt als einer Fiskalkapazität, mit der die Euro-Staaten ihre Haushaltspolitik annähern könnten. Der Vorstoß von Le Maire dürfte für weiteren Verdruss sorgen.

Auf der Frühjahrstagung der Finanzelite soll zudem über Handelsbeziehungen und gerechte Besteuerung gesprochen werden. Die Verschiebung des Brexit bis Ende Oktober wird dort als positives Signal aufgenommen. Damit sei so gut wie sicher, dass es keinen harten Brexit geben werde, hieß es. Während Scholz' Tankstopp wurde zudem bekannt, dass sich die EU nach monatelangem Ringen auf den Beginn der geplanten Handelsgespräche mit den USA verständigt hat. Eine Mehrheit der Mitgliedsländer will am kommenden Montag das Verhandlungsmandat für die EU-Handelsbeauftragte Cecilia Malmström beschließen, um US-Sonderzölle auf europäische Autos zu verhindern.

Erst diese Woche hatte der US-Präsident angekündigt, Sanktionen gegen Airbus verhängen zu lassen wegen angeblicher staatlicher Subventionen. Trump besteht zudem darauf, dass Europa mehr US-Agrarprodukte abnimmt - Frankreich will dagegen nicht über Agrarpolitik verhandeln. Berlin hingegen dürfte auch das nicht gefallen: Es ist nicht auszuschließen, dass Trump das zum Anlass nimmt, erneut mit Autozöllen zu drohen.

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