Konjunktur:USA und China dämpfen den Wirtschaftsaufschwung

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Containerschiff am Hamburger Hafen: Deutschland ist stark von Exporten und von funktionierenden Lieferketten abhängig. (Foto: Jochen Tack/imago images)

Der IWF korrigiert seine Wachstumsprognosen für 2022 teils deutlich nach unten. Vor allem die Corona-Politik der Volksrepublik bereitet den Experten erhebliche Sorgen.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Dass es kein locker-entspannter Trab werden würde raus aus der Corona-Rezession, damit hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) sehr wohl gerechnet. Mit einem derart beschwerlichen "Hindernislauf", wie er sich aus Sicht der Experten jetzt abzeichnet, allerdings nicht: Wegen der raschen Verbreitung der Omikron-Variante, anhaltender Kontaktbeschränkungen, steigender Staatsschulden sowie unerwartet hoher Inflationsraten in vielen Ländern sei die bisherige, gerade einmal drei Monate alte globale Wachstumsprognose von 4,9 Prozent nicht mehr zu halten, heißt es im jüngsten Konjunkturbericht, den der IWF am Dienstag in Washington veröffentlichte. Stattdessen erwarte man nun ein Plus von nur noch 4,4 Prozent. Hauptverantwortlich für den Dämpfer sind der Analyse zufolge ausgerechnet drei der größten Volkswirtschaften der Welt: die USA, China - und Deutschland.

Was für Laien womöglich wie eine kaum bemerkenswerte Korrektur im Nachkommabereich aussieht, hat in der Praxis gravierende Folgen: Ein Wachstumsverlust von einem halben Prozentpunkt nämlich würde bedeuten, dass der Staatengemeinschaft 2022 sage und schreibe 440 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung verloren gingen. Am dramatischsten ist dabei die Revision für die USA, wo die IWF-Ökonomen das Konjunkturplus nur noch mit vier statt wie bisher mit 5,2 Prozent veranschlagen. Auch die Abwärtskorrektur für China und Deutschland fällt mit jeweils 0,8 Punkten deutlich aus. Die Volksrepublik kann demnach nur noch mit 4,8, die Bundesrepublik mit gerade noch 3,8 Prozent Wachstum rechnen. Immerhin: 2023 könnte das Plus in Deutschland mit 2,5 Prozent um 0,9 Punkte höher ausfallen als bislang gedacht. Die weitere wirtschaftliche Erholung würde demnach also nicht ausfallen, sondern sich nur noch weiter nach hinten verschieben. Das deckt sich mit dem, was auch Ökonomen hierzulande vorhersagen.

Während die pessimistischere Prognose des IWF für Deutschland vor allem auf die große Bedeutung des Außenhandels und die damit verbundene Anfälligkeit für Lieferkettenprobleme zurückgeht, kommen in den USA hausgemachte Probleme hinzu. So liegt etwa die Zahl der Beschäftigten im Gegensatz zur Lage in den anderen großen Industrieländern immer noch deutlich unter dem Niveau von vor Pandemiebeginn. Zudem scheiterte Präsident Joe Biden mit dem Vorhaben, sein geplantes Klima-, Familien- und Sozialprogramm im Volumen von 1,8 Billionen Dollar (1,6 Billionen Euro) durch den Kongress zu bringen. Allein das dürfte das Wachstum in diesem Jahr um 0,3 Prozentpunkte schmälern.

In den USA wächst die Gefahr, dass eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt

Zudem geht der IWF davon aus, dass die US-Inflationsrate, die im Dezember mit sieben Prozent den höchsten Stand seit fast 40 Jahren erreicht hatte, auch Ende 2022 noch bei über vier Prozent liegen könnte. Da zugleich die Gehälter der Beschäftigten viel stärker steigen als in früheren Jahren, wächst die Gefahr, dass eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt, die sich nur noch schwer stoppen lässt. Um das zu verhindern, will die US-Notenbank die Nullzinspolitik beenden und ihre Leitsätze in diesem Jahr gleich mehrfach anheben - was das Wirtschaftswachstum weiter bremsen dürfte. In der Euro-Zone hingegen hält der Währungsfonds bis Ende 2022 einen Rückgang der Inflationsrate auf rund zwei Prozent und damit auf den Zielwert der Europäischen Zentralbank für möglich.

Große Sorgen bereitet dem IWF dagegen die Corona-Politik Chinas, die bisher darauf abzielt, die Ausbreitung des Virus durch Massentests, die Abriegelung ganzer Städte und die strikte Überwachung der Bürger zu verhindern. Während diese Strategie in den bisherigen Corona-Wellen durchaus Erfolg hatte, stößt sie nun an ihre Grenzen, da Omikron sehr viel ansteckender ist als frühere Virusvarianten. Um ihr Null-Covid-Ziel dennoch zu erreichen, müsste die Regierung ihre ohnehin strikten Abschottungsmaßnahmen entsprechend noch einmal drastisch verschärfen.

Das jedoch wäre nicht ohne groß angelegte Betriebsschließungen möglich, die wiederum "dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft" sowohl in China als auch im Rest der Welt hätten, wie IWF-Chefin Kristalina Georgiewa schon Ende vergangener Woche ungewohnt undiplomatisch gewarnt hatte. Hinzu kommt, dass die chinesischen Impfstoffe Sinovac und Sinopharm offenbar nur bedingt gegen Omikron wirken. Die 1,4 Milliarden Bürger des Landes stehen der jüngsten Mutante, die die Volksrepublik gerade erst erreicht hat, also weitgehend schutzlos gegenüber.

Immerhin: Georgiewas neue Stellvertreterin Gita Gopinath machte der Staatengemeinschaft auch Mut: Sollte die jüngste Corona-Welle abebben, ohne dass Omikron durch eine neue, womöglich gefährlichere Variante ersetzt wird, dann sei vom Frühjahr an ein breiter globaler Konjunkturaufschwung möglich, schrieb die bisherige IWF-Chefvolkswirtin in einem Aufsatz, der parallel zum Konjunkturausblick veröffentlicht wurde. Wiedergutmachen allerdings lässt sich der ökonomische Schaden, den Corona weltweit angerichtet hat, nicht mehr - im Gegenteil: Bis einschließlich 2024, so Gopinath, dürften sich die Wachstumsverluste auf kaum noch fassbare 13,8 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro) summieren.

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