Handelsstreit„Die USA haben nicht ganz unrecht“

Lesezeit: 3 Min.

Die Zollpolitik der USA dominierte die gesamte IWF-Tagung in Washington.
Die Zollpolitik der USA dominierte die gesamte IWF-Tagung in Washington. (Foto: Jose Luis Magana/Jose Luis Magana/AP/dpa)

Der Streit über Donald Trumps aggressive Handelspolitik dominiert auch die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds. Finanzminister Kukies zeigt sich optimistisch – eine Kollegin aber fährt ihm in die Parade.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Jörg Kukies ist ein überaus höflicher Mensch, deshalb kann man auch bei seinen jüngsten Aussagen sicher sein, dass er nicht darauf aus war, Boshaftigkeiten zu verbreiten. Erhellend waren seine Worte dennoch: Er sei zuversichtlich, so der Bundesfinanzminister bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) diese Woche in Washington, dass sich der Zollstreit zwischen Europa und den USA in jener 90-Tage-Frist lösen lasse, die Präsident Donald Trump für Gespräche gesetzt habe. So hoch sei „der Komplexitätsgrad des Ganzen ja nicht“.

In der Tat, die Dinge sind im Grunde relativ einfach: Hier nutzt der Regent des wirtschaftlich mächtigsten Landes der Welt seine Position aus, um andere Staaten unter Druck zu setzen und sie zu Zugeständnissen in der Handelspolitik und auf gänzlich sachfremden Gebieten zu zwingen. Entsprechend müssen die Betroffenen nun abwägen, wie weit sie dem Erpresser entgegenkommen sollten, damit der sein schändliches Werk beendet.

Trump hatte Anfang April Warenlieferungen aus mehr als 80 Ländern mit teils exorbitant hohen Zöllen belegt, weil diese Staaten die USA nach seiner Lesart mit ihren Exportüberschüssen „abzocken“. Obwohl praktisch alle Ökonomen diese Sichtweise für Unsinn halten, müssen die Regierungen der betroffenen Länder nun damit umgehen. Das gilt vor allem für die Volksrepublik China, deren Exporte in die USA mit Zöllen in einer Gesamthöhe von 145 Prozent belegt sind und die als Revanche nun ihrerseits US-Importe mit 125 Prozent belasten. Auf Waren aus der EU verlangen die US-Grenzbehörden 20 Prozent. Allerdings hatte Trump einige der Zölle für 90 Tage ausgesetzt, um es den betroffenen Staaten und Bündnissen zu ermöglichen, ihm einen „Deal“ anzubieten.

Auch US-Finanzminister Bessent kann nicht recht für Aufklärung sorgen

Die aggressive Zollpolitik der USA dominierte die gesamte IWF-Tagung, die Vertreter aus mehr als 200 Staaten und Institutionen traditionell nutzen, um sich über alle aktuellen weltwirtschaftlichen Probleme auszutauschen. Eigentlich hatten die Zeichen vor allem in den Industrieländern bis zum Jahresbeginn auf Aufschwung gestanden. Trump hat jedoch in seinen ersten 100 Tagen im Amt so viel Unruhe gestiftet, dass etwa in Deutschland und sogar in den USA selbst eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Dabei seien die Zölle für viele Länder noch nicht einmal das entscheidende Problem, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. „Es ist vielmehr die Unsicherheit.“

Entsprechend gefragt bei der Tagung war US-Finanzminister Scott Bessent, der sowohl bei den offiziellen Sitzungen als auch den vielen Begegnungen am Rande immer wieder erläutern musste, was die USA mit ihrem Kurs eigentlich genau bezwecken. Zwar verzichteten praktisch alle seiner Amtskollegen auf direkte Kritik an Trump – auch um dessen berüchtigten Zorn nicht zu erregen. Viele zeigten sich jedoch verwirrt. „Wir verstehen immer noch nicht so ganz, wo das am Ende hinführen soll“, sagte etwa der malaysische Finanzminister Amir Hamzah Azizan.

Kukies zufolge zeigte sich Bessent in den Gesprächen immerhin sehr konstruktiv. Er selbst halte es für die beste Lösung, wenn Europa und die USA beim Im- und Export von Industriegütern vollständig auf Zölle verzichteten, sagte der Bundesfinanzminister, der sein Amt wohl übernächste Woche an einen anderen Sozialdemokraten – aller Voraussicht nach den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil – wird abgeben müssen. Kukies rief zudem die USA auf, auch mit China nach einem Kompromiss zu suchen, weil hohe Zölle zwischen beiden Staaten einerseits und niedrige Importabgaben zwischen der Volksrepublik und der EU andererseits zu wenig sinnvollen Umlenkungsmanövern führen würden. „Das kann in niemandes Interesse sein, insbesondere nicht im Interesse der Europäischen Union, weil das nur bedeuten würde, dass Überkapazitäten bei uns landen würden“, so der Minister.

China macht Verhandlungen von der Rücknahme aller neuen Zölle abhängig

Ob die USA und China bereits im Gespräch sind, darüber gab es zuletzt allerdings widersprüchliche Aussagen. Während Trump behauptete, man rede bereits miteinander, wies Peking diese Darstellung zurück. Wenn die Amerikaner eine Lösung wollten, müssten sie auf „vernünftige Stimmen“ im In- und Ausland hören und erst einmal alle neuen Zölle zurücknehmen, sagte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums. „Die Person, die den Gürtel enger geschnallt hat, muss ihn auch wieder lockern“, betonte er.

Von links nach rechts: die britische Finanzministerin Rachel Reeves, der noch amtierende Finanzminister Deutschlands Jörg Kukies und IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.
Von links nach rechts: die britische Finanzministerin Rachel Reeves, der noch amtierende Finanzminister Deutschlands Jörg Kukies und IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. (Foto: Jose Luis Magana/AP)

Zu den wenigen Teilnehmern der IWF-Tagung, die Verständnis für die USA äußerten, zählte die britische Finanzministerin Rachel Reeves. Sie erklärte, Trump wähle zwar den falschen Lösungsweg. „Die USA haben aber nicht ganz unrecht“, dass erhebliche Ungleichgewichte im Welthandel ein Problem darstellten. Tatsächlich hatten in der Vergangenheit auch viele Ökonomen kritisiert, dass Länder wie Deutschland, vor allem aber China ihr wirtschaftliches Erfolgsmodell nahezu allein auf extrem hohen Exportüberschüssen aufbauten. Allerdings hatte keiner der Experten vorgeschlagen, das Problem mithilfe von Zöllen zu lösen. Auch Reeves rief dazu auf, die Dinge lieber im Dialog anzugehen.

Die Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB), Nadia Calviño, zeigte sich erleichtert, dass es gelungen sei, den Zollstreit während der IWF-Tagung ein wenig zu entschärfen. Sie verwies unter anderem auf Bessents Zusage, Trumps Motto „Amerika zuerst“ heiße nicht „Amerika allein“. Andere reagierten zurückhaltender. „Ich sage es Ihnen ganz ehrlich“, erklärte etwa die schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson: „Die USA müssen erst einmal unser Vertrauen zurückgewinnen.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kryptowährungen
:Pump and Trump

Wer besonders viel von der Kryptowährung besitzt, die mit dem US-Präsidenten verbunden ist, bekommt ein exklusives Treffen im Weißen Haus. Der Kurs steigt nach dieser Ankündigung massiv. Ist das legal? Vermutlich nicht. Wird das Konsequenzen haben? Vermutlich nicht.

Von Max Muth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: