IWF-Chefposten:Brüsseler Zweikampf

FILE PHOTO: COP24 UN Climate Change Conference 2018 in Katowice

Die neue Chefin des IWF, die Bulgarin Kristalina Georgiewa, bisher Geschäftsführerin der Weltbank.

(Foto: Kacper Pempel/REUTERS)

Die EU-Finanzminister bestimmen nach zähem Ringen die Bulgarin Kristalina Georgiewa zur neuen IWF-Chefin. Frankreich setzt sich damit gegen Deutschland durch.

Von Alexander Hagelüken, Matthias Kolb und Helmut Martin-Jung, Brüssel/München

Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich am Freitagabend nach langen Beratungen für die Bulgarin Kristalina Georgiewa als neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) entschieden. Der ehemalige niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem zog am Abend seine Bewerbung zurück, nachdem eine Pattsituation entstanden war.

Georgiewa hatte nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht. Dafür hätte sie mindestens die Stimmen von 55 Prozent der Mitgliedsländer erhalten müssen, und diese Länder hätten mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Es entspann sich in der Folge ein Streit darum, ob die qualifizierte Mehrheit tatsächlich erforderlich sei. Frankreich, das Georgiewa unterstützte, argumentierte, es handle sich dabei nur um eine Leitlinie, keine Regel, die Bulgarin sei die klare Siegerin. Schweden schlug dagegen vor, die Stimmen nach den Regeln des IWF zu gewichten. Da diese den Stimmen der neueren EU-Mitgliedern weniger Gewicht geben, wäre stattdessen Dijsselbloem vorne gewesen. Dieser machte der Sache dann aber mit seinem Rückzug ein Ende.

Georgiewa, amtierende Geschäftsführerin der Weltbank, und Dijsselbloem waren die beiden letzten verbliebenen Bewerber um den Spitzenposten beim IWF. Vor einem Monat hatten die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Sondergipfel in Brüssel Ursula von der Leyen als neue Chefin der Kommission vorgeschlagen - und sich als Teil des Personalpakets darauf geeinigt, die Französin Christine Lagarde zur Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) zu machen. Damit war am 2. Juli klar, dass es bald zum Kampf um den nächsten Top-Posten kommen würde: den Chefposten beim IWF, den Lagarde seit 2011 innehatte.

Der Freitag in Brüssel war geprägt von einem langen Ringen, nachdem Frankreich eine Abstimmung durchgesetzt hatte. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire war mit der Koordinierung der EU-Spitzenposten beauftragt worden, bis Ende Juli hätte sie abgeschlossen sein sollen. Doch konnte er keinen Konsenskandidaten präsentieren. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz konnte bis Freitagmorgen die Uneinigkeit zwischen den zentralen Euro-Staaten Frankreich und Deutschland nicht überwinden, es kam zur Abstimmung. Die Briten enthielten sich.

Dijsselbloem hatte eigentlich als Favorit gegolten. Er war bis 2018 Chef der Eurogruppe und ist Sozialdemokrat. Deutschland unterstützte ihn, doch gegen den 53-Jährigen gab es Widerstand aus Südeuropa. In Griechenland und Italien sieht man ihn als Vertreter der ungeliebten Sparpolitik in der Eurokrise. Als Chef der Eurogruppe stieß er mit seiner direkten Art zwar zuweilen auf Unverständnis. Dijsselbloem lernte aber auch bald die Kunst der Moderation - ohne seine stabilitätspolitische Haltung aufzugeben. Er sanierte den Haushalt in seinem Heimatland und war so glaubwürdig, wenn er auch von anderen Sparanstrengungen forderte.

Frankreich und die Osteuropäer hingegen unterstützen die Christdemokratin Georgiewa, die bis 2017 Vizechefin der EU-Kommission war. Die amtierende Weltbank-Geschäftsführerin war auch als Chefin der EU-Kommission im Gespräch. Die bulgarische Ökonomin gilt als sehr kompetent, doch sie hat ein Problem: Sie wird bald 66 und hat daher bereits die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten, die beim IWF eigentlich für den Chefposten gilt. Le Maire hatte dafür geworben, sich beim IWF für die Abschaffung der Altersgrenze einzusetzen, diese Bedenken scheinen nun vom Tisch zu sein.

Ursprünglich waren fünf Bewerber im Rennen, doch bereits am Donnerstagabend hatte der Portugiese Mário Centeno zurückgezogen. Als die Beratungen der 28 Finanzminister am Morgen begannen, standen neben Dijsselbloem und Georgiewa noch der finnische Zentralbank-Chef Olli Rehn sowie Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño zur Wahl. Mittags zog sich denn Calviño zurück, um so eine europäische Einigung zu erleichtern. Einige Stunden später sah auch der Finne Rehn ein, dass er chancenlos war.

Die Neue an der Spitze des IWF wird auf eine veränderte Organisation treffen. Der IWF wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit der Weltbank gegründet. Er soll das internationale Währungssystem stabilisieren, Finanzkrisen frühzeitig erkennen und Ländern in Zahlungsschwierigkeiten helfen. Lange galt der Fonds als kalte Faust des Kapitalismus. In der Asienkrise Ende der 1990er Jahre warf man ihm vor, er habe den betroffenen Staaten Hilfe nur unter der Bedingung harter Sparprogramme und restriktiver Geldpolitik gewährt.

In den vergangenen 20 Jahren wandelte sich der IWF deutlich. Er kümmerte sich zunehmend um Themen wie Gleichstellung und Ungleichheit. Er propagiert höhere Steuern für Besserverdiener, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Marktliberale kritisieren solche Ideen scharf. Andere Beobachter kritisieren, der IWF vernachlässige sein Kerngeschäft. So mache er keine Vermittlungsvorschläge im Handelsstreit zwischen den USA und dem Rest der Welt. Für seine fundierten ökonomischen Analysen wird der Währungsfonds bei Fans und Skeptikern aber weiterhin geschätzt.

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