IWF-Chefin:Zurück an die Arbeit

IMF Chief Christine Lagarde found Lagarde guilty of one count of

Christine Lagarde ist ohne Strafe davon gekommen.

(Foto: Christophe Petit Tesson/dpa)

Trotz ihrer Verurteilung durch ein Pariser Gericht sitzt IWF-Chefin Christine Lagarde beim Weltwährungsfonds weiter fest im Sessel. Jetzt kommt ihr zugute, dass sie insbesondere mit finanzschwachen Ländern anders umgeht als mancher ihrer Vorgänger.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wie sicher Christine Lagarde sich ihrer Sache war, zeigte sich am frühen Montagnachmittag um 13.25 Uhr Ortszeit. Das Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds (IWF) beriet noch darüber, ob die Französin nach ihrer Verurteilung durch ein Pariser Gericht IWF-Chefin bleiben könne, da hatte Lagarde die Arbeit in Washington längst wieder aufgenommen. Sie ließ eine Presseerklärung versenden, in der sie den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko für den Umbau des Bankensektors lobte. Die eigentliche Botschaft aber lautete: Es gibt Wichtigeres zu tun, als sich mit einem bizarren Richterspruch zu befassen - ich mache weiter!

Jene Richter hatten die 60-Jährige zuvor der "Nachlässigkeit im Amt" während ihrer Zeit als französische Finanzministerin für schuldig befunden, auf eine Strafe aber verzichtet. Einige Stunden später folgte die offizielle Erklärung der IWF-Spitze: Man sei überzeugt, "dass die Geschäftsführende Direktorin ihre Pflichten auch künftig erfolgreich erfüllen könne" und freue sich auf die weitere Zusammenarbeit, so das 24-köpfige Gremium, das alle 188 Mitgliedsstaaten des Fonds repräsentiert.

Schon vor Prozessbeginn war klar gewesen, dass nur ein sehr hartes Urteil, vor allem eine Haftstrafe, Lagarde das Amt hätte kosten können. Zu groß sind die Verdienste, die sie sich in gut fünf Jahren in Washington erworben hat. Zu groß war aber auch der Widerwille führender Mitgliedsländer, erneut einen IWF-Chef vorzeitig zu verlieren - zumal in einer Zeit, da die Weltwirtschaft wegen des Amtsantritts des neuen US-Präsidenten, der anstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich sowie der instabilen Entwicklung in China ohnehin vor einer Phase der Unsicherheit steht.

Schon mit Lagardes direkten Vorgängern hatte der IWF Pech gehabt. Der Deutsche Horst Köhler gab sein Amt auf, um Bundespräsident zu werden. Sein Nachfolger, der heute in mehrere Bankenskandale verwickelte Spanier Rodrigo Rato, trat aus "persönlichen Gründen" zurück, der Franzose Dominique Strauss-Kahn stolperte über eine höchst unappetitliche Sex-Affäre. Auch Lagardes juristische Probleme waren bekannt. Ein Grund für die wachsende Zahl an Skandalen ist, dass zuletzt immer öfter Politiker IWF-Chef wurden. Zuvor waren es meist Technokraten gewesen.

Umgekehrt bemühten sich gerade Köhler, Strauss-Kahn und Lagarde darum, die Geschäftspolitik des Fonds neu auszurichten und sein Image als wirtschaftsradikaler Reformdiktator abzustreifen. Dass Lagarde heute so fest im Amt sitzt, hat auch damit zu tun, dass der IWF finanzschwache Länder nicht mehr als Bittsteller behandelt und auf Reformauflagen, die allzu extreme soziale Härten nach sich ziehen würden, verzichtet. Im Fall Griechenland etwa war es in den vergangenen Jahren weniger der Währungsfonds, der auf einem radikalen Sparkurs bestand, als vielmehr die von Deutschland angeführte Euro-Gruppe. Dazu kommt, dass Lagarde weltweit als ebenso geschickte und charmante wie zugleich verlässliche und standfeste Verhandlungspartnerin geschätzt wird. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble etwa gelang es trotz seiner persönlichen Freundschaft zur früheren Amtskollegin nie, Lagarde von ihrer Forderung nach einem Schuldenerlass für Griechenland abzubringen.

Die Französin selbst erklärte nach der Verkündung des Urteils, sie sei zwar "nicht zufrieden", werde aber keine Rechtsmittel einlegen. Es gebe einen Zeitpunkt, an dem man ein Kapitel schließen und weiterarbeiten müsse, sagte sie - und fügte hinzu: "Ich werde meine ganze Aufmerksamkeit, meine ganze Zeit, meine ganzen Bemühungen, meine ganze Energie und Begeisterung in meine Aufgabe als Chefin des IWF stecken."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: